fürstlichen „Knappen" gemacht, wäre es wohl
lieber gewesen, wenn das gemütliche alte Schür¬
fen auf eigene Rechnung weitergegangen wäre, und
die Bürger der beiden Städte sahen nur das Geld,
das alle diese noch in oen Kinderschuhen steckenden
Einrichtungen und die notwendigen Versuche k o st e-
t e n. Daß Wilhelm Heinrich nicht nur Fürst, son¬
dern gewissermaßen auch, um einen modernen Begriff
zu gebrauchen, ein „Industrieller" sein wollte, daß
er als solcher schon damals dachte und daß er
infolgedessen auf lange Sicht hin wirtschaftete, daß
ein Mensch überhaupt Gelder in Unterneh¬
mungen hineinstecken konnte, die ihm selbst vielleicht
gar nicht, vielleicht sogar erst seinen Kindeskindern
einen Gewinn versprachen, alles das ging über den
Horizont der biederen Untertanen. So ward denn
das angekündigte „Sparregiment" des neuen Herrn
mit Freuden begrüßt; so trug auch manche seiner
Eigenschaften zunächst zu seiner Volkstümlichkeit
bei. Mit Behagen erzählte man sich die Witze,
an denen er sich erfreute. So hatte er am Teiche
seines Jagdschloßes Ludwigsberg das Standbild des
Landrats ^Dorn, eines eifrigen Anglers, aufstellen
lassen, wie er dastand, die Angel in der Hand, wäh¬
rend ein Fisch ihm aus der Rocktasche schaute. Ein
andermal hatten der Kapitän v. Wilberg und einer
seiner Freunde den Musikanten und Tambours der
Schloßkompagnie für ihr Neujahrsständchen kein
Trinkgeld gegeben, und mit fröhlichem Lachen quit¬
tierte man es, als nun Ludwig ihnen durch die Hirten
der beiden Städte sowie durch drei Hundejungen mit
Hörnern, Gießkannen, Klarinetten und Schellen eine
Katzenmusik bringen ließ. Wie patriarchalisch Ludwig
selbst das Verhältnis zu seinen Bürgern auffaßte,
geht aus der Anekdote über die Entstehung der
„Fürstenstraße" in Saarbrücken 3 hervor: wie er
nämlich eine Zeitlang, als er mit den „Sann Jehan-
nern" aus irgend einem Grunde unzufrieden war,
wenn er vom Saarbrücker Schloß zu seinem Jagd¬
schloß Ludwigsberg ritt, nach Passieren der Saarbrücke
den Weg um die Sankt Johanner Stadtmauer her¬
um nahm (also im Zuge der heutigen Fürstenstraße),
um die „unartigen Kinder" so durch die Entziehung
seines Anblicks väterlichst zu strafen.
Waren diese Scherze noch verhältnismäßig harm¬
loser Natur, so waren andere Handlungen desto mehr
geeignet, das gute Bild, das die Untertanen sich von
ihm machten, zu trüben. Erne seiner H a u p t l e i -
denschasten war, wie wir aus dem Titel sehen,
das O r d e n s w e s e n. Am seinem Wappenschilde
sieht man außer den Insignien der im „Titel" er¬
wähnten französischen, deutschen und lurpfälzer
Orden auch noch die eigene Stiftung, den « ordre de
l’amitie », auch „Orden der Ritter der ächten Treue"
genannt. Weiter stiftete er einen „Ritterorden der
göttlichen Vorsehung", wobei er von einem gewissen
Herrn v. Gritsch aus Regensburg, einem 'Manne,
den wir Wohl 'als eine Art Hochstabler bezeichnen
können, sich lenken und leiten ließ. Dieser, den er
mit Ehren und Würden überschüttete, brachte ihn
auch aus die Idee, eine Ritterakademie, als
deren Direktor natürlich Gritsch selbst fungieren
sollte, ins Leben zu rufen, ein Unternehmen, das er¬
klärlicher Weise mangels geeigneter Zöglinge gar
bald kläglich ins Wasser fiel.
Ueberhaupt besaß Ludwig ganz im Gegensatz zu
seinem Vater, der jeweils den rechten Mann auf
die wichtige Stelle zu setzen gewußt, eine recht
schwache Menschenkenntnis. Dabei war
er zwar mit Versprechungen höchst freigebig, aber
höchst unzuverlässig und launenhaft. So ent¬
wickelte sich denn eine Günstlingswirtschaft
reinsten Stils, als deren Krone der Präsident von
Hammerer erscheint, jeneM Mann, dessen Ent¬
fernung auf den berühmten „Petitionen" der Nassau-
Saarbrücker- und der Ottweiler Untertanen neben
den „B e r e ch t i g u n g s k o h l e n" und der Ein¬
schränkung der Jagdschäden und Aufhebung
der diesbezl. Froh n den*) an wichtigster Stelle
fungierte.
Hier streifen wir gleich noch einen weiteren
Hauptfehler des Fürsten, den seine Untertanen ihm
mit Recht zum Vorwurf machten: seine Jagd¬
leidenschaft. Der bekannte Schriftsteller Frei¬
herr von Knigge**), besten Briefen wir zahlreiche,
hoch interessante Lichter auf die Saarbrücker Hof¬
haltung werfende Einzelheiten verdanken, schreibt
darüber, nachdem er von den fürstlichen „F i sch¬
leichen" in Dudweiler und der ebenfalls dort
errichteten, viel Geld kostenden „ansehnlichen
Stutereh" gesprochen:
„Wir fuhren des andern Morgens nach Jägers¬
berg, einem Jagdschlöße des Fürsten. Dies Schloß
liegt hoch, von Waldung umgeben, die zu einem
Parforce-Jagd-Park eingezäumt ist; am A b h a n g e
des Berges aber, unmittelbar an den englischen
Garten stoßend, das Dorf Neunkirchen. Die
Hintere Seite des Schloßes hat die Aussicht auf
Terasten, die, den Berg hinab, fast bis zu den be¬
trächtlichen Eisenhütten fortgeführt sind, welche im
Thale liegen. Das massive Gebäude ist in der Form
eines halben Mondes gebaut, hat auf den behden
Flügeln nur ein Erdgeschoß, dahingegen in der
Mitte noch eine Etage aufgesetzt ist. Jeder Ge¬
genstand, den man hier erblickt, hat Bezug
auf die Jagd, welche der Fürst vormals, mehr
wie jetzt, außerordentlich liebte. Oft hat
ein Hirsch die nachsetzenden Jäger zwölf Stunden
Weges weit gelockt ft>enn Sie wissen vermutlich,
daß, nach den Konventionen der Parforce-Jäger, bei
Verfolgung des Wildes keine Gränze respectiert
wird). Aks ich das erstemal in Saarbrücken war,
fand ich den M a r st a l l mit dreyhun.dert
Pferden besetzt, wovon ein großer Theil zu
diesem Vergnügen bestimmt war.' Piqueurs und
Hunde verstehen ihr Handwerk, und der Aufzug
bey der Parforce-Jagd ist glänzend. Das Schloß ist
von Außen gänzlich bekleidet mit einer ungeheu-
r e n, daran festgenagelten Menge von Geweyhen
der gejagten Hirsche. Der Hof bringt den Herbst hier
zu, und dann ist von nichts wie von Jagd
die Rede. Hier bedient sich der Fürst auch eines
Silber-Services, wovon die Knöpfe der Terrinen
und Glocken in Gestalt von Hirsch- und Schweins¬
köpfen gearbeitet sind. Einige Zimmer aber sind
verziert mit Tafeln, auf welchen man hinter Glas
das Verzeichnis der in jedem Jahre parforce gejagten
Hirsche sauber eingeschrieben sieht, nebst den genaue¬
ren Nachrichten von den dabey vorgefallnen Umstän¬
den. So hat doch der arme Hirsch den
*) Siehe BergmannSkalender 1928, Sette 164 ff.
**) Dessen Name durch sein Wert .über den Umgang mit Men¬
schen" zum geflügelten Wort wurde.