Full text: 58.1930 (0058)

— '79 — 
Als Mozart mit dem überschwenglich schönen Sex- 
teil geschlossen batte, und nach und nach ein Gespräch 
aufkam, schien er vornehmlich einzelne Bemerkungen 
des Barons mit Interesse und Wohlgefallen aufzu¬ 
nehmen. Es wurde vom Schluffe der Oper die Rede 
sowie von der vorläufig auf den Anfang Novembers 
anberaumten Aufführung, und da jemand meinte, 
gewisse Teile des Finale möchten noch eine Riefen¬ 
aufgabe sein, so lächelte der Meister mit einiger Zu¬ 
rückhaltung; Constanze aber sagte zu der Gräfin hin, 
daß er es hören mußte: „Er hat noch was in petto, 
womit er geheim tut, auch vor mir." 
„Du fällst", versetzte er, „aus deiner Rolle, Schatz, 
daß du das jetzt zur Sprache 
bringst; wenn ich nun Lust ,be- 
känre, von neuem anzufangen? 
und in der Tat, es juckt mich 
schon." 
„Mein Gott, was hab ich da 
gemacht!" lamentierte Constanze, 
mit eiuent Blick auf die Uhr, 
„gleich ist es elfe, und morgen 
srtih soll's fort — wie wird das 
gehen?" 
„Es geht halt gar nicht, Beste, 
nur schlechterdings gar nicht." 
„Manchmal", fing Mozart an 
„kann sich doch ein Ding sonder¬ 
bar fügen. Was wird denn meine 
Stanzl sagen, wenn sie erfährt, 
daß eben das Stück Arbeit, das 
sie nun hören soll, um eben diese 
Stunde in der Nacht, und zwar 
gleichfalls vor einer angesetzten 
Reise, zur Welt geboren ist?" 
„Wär's möglich? Wann? Ge¬ 
wiß vor drei Wochen, wie du 
nach Eifenstadt wollest!" 
„Getroffen! Und das begab sich 
io. Ich kam nach zehne, du schliefst 
schon fest, von Richters Essen 
beim und wollte versprochener¬ 
maßen auch bälder zu Bett, um 
morgens beizeiten heraus und in 
den Wagen zu steigen. Inzwi¬ 
schen hatte Veit, wie gewöhnlich, 
die Lichter auf dem Schreibtisch 
angezündet, ich zog mechanisch 
den Schlafrock an, und fiel mir 
ein, geschwind mein letztes Pen¬ 
sum noch einmal anzusehen. 
Allein, o Mißgeschick! verwün¬ 
schte, ganz unzeitige Geschäftig¬ 
keit der Weiber! du hattest auf¬ 
geräumt, die Noten eingepackt — 
ich suchte, brummte, schalt, um¬ 
sonst! Darüber fällt mein Blick 
auf ein versiegeltes Kuvert: vom 
Abbate *), den greulichen Haken 
nach auf der Adresse — ja wahr¬ 
lich! und schickt mir den umgear¬ 
beiteten Rest feines Textes, den 
ich vor Monatsfrist noch nicht zu 
sehen hoffte. Sogleich sitz ich be¬ 
gierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der 
Kauz verstand, was ich wollte. Nun ist es sonst 
meine Gewohnheit nicht, in der Komposition etwas 
vorauszunehmen, und wenn es noch so lockend wäre; 
das bleibt eine Unart, die sich sehr übel bestrafen 
kann. Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auf¬ 
tritt bei der Reiterstatue des Gouverneurs, die 
Drohung, die vom Grabe des. Erschlagenen her 
urplötzlich das Gelächter des Nachtschwärmers haar¬ 
sträubend unterbricht, war mir bereits in die Krone 
gefahren. Ich griff einen Akkord und fühlte, ich 
hatte an der rechten Pforte angeklopft, dahinter schon 
die ganze Legion von Schrecken beieinander liege, die 
*) Daponte, der Textdichter der Mozart- 
chen Opern „Figaro" und „Don Juan" 
Die Madonna von Grästnthal.
	        
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