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Als Mozart mit dem überschwenglich schönen Sex-
teil geschlossen batte, und nach und nach ein Gespräch
aufkam, schien er vornehmlich einzelne Bemerkungen
des Barons mit Interesse und Wohlgefallen aufzu¬
nehmen. Es wurde vom Schluffe der Oper die Rede
sowie von der vorläufig auf den Anfang Novembers
anberaumten Aufführung, und da jemand meinte,
gewisse Teile des Finale möchten noch eine Riefen¬
aufgabe sein, so lächelte der Meister mit einiger Zu¬
rückhaltung; Constanze aber sagte zu der Gräfin hin,
daß er es hören mußte: „Er hat noch was in petto,
womit er geheim tut, auch vor mir."
„Du fällst", versetzte er, „aus deiner Rolle, Schatz,
daß du das jetzt zur Sprache
bringst; wenn ich nun Lust ,be-
känre, von neuem anzufangen?
und in der Tat, es juckt mich
schon."
„Mein Gott, was hab ich da
gemacht!" lamentierte Constanze,
mit eiuent Blick auf die Uhr,
„gleich ist es elfe, und morgen
srtih soll's fort — wie wird das
gehen?"
„Es geht halt gar nicht, Beste,
nur schlechterdings gar nicht."
„Manchmal", fing Mozart an
„kann sich doch ein Ding sonder¬
bar fügen. Was wird denn meine
Stanzl sagen, wenn sie erfährt,
daß eben das Stück Arbeit, das
sie nun hören soll, um eben diese
Stunde in der Nacht, und zwar
gleichfalls vor einer angesetzten
Reise, zur Welt geboren ist?"
„Wär's möglich? Wann? Ge¬
wiß vor drei Wochen, wie du
nach Eifenstadt wollest!"
„Getroffen! Und das begab sich
io. Ich kam nach zehne, du schliefst
schon fest, von Richters Essen
beim und wollte versprochener¬
maßen auch bälder zu Bett, um
morgens beizeiten heraus und in
den Wagen zu steigen. Inzwi¬
schen hatte Veit, wie gewöhnlich,
die Lichter auf dem Schreibtisch
angezündet, ich zog mechanisch
den Schlafrock an, und fiel mir
ein, geschwind mein letztes Pen¬
sum noch einmal anzusehen.
Allein, o Mißgeschick! verwün¬
schte, ganz unzeitige Geschäftig¬
keit der Weiber! du hattest auf¬
geräumt, die Noten eingepackt —
ich suchte, brummte, schalt, um¬
sonst! Darüber fällt mein Blick
auf ein versiegeltes Kuvert: vom
Abbate *), den greulichen Haken
nach auf der Adresse — ja wahr¬
lich! und schickt mir den umgear¬
beiteten Rest feines Textes, den
ich vor Monatsfrist noch nicht zu
sehen hoffte. Sogleich sitz ich be¬
gierig hin und lese und bin entzückt, wie gut der
Kauz verstand, was ich wollte. Nun ist es sonst
meine Gewohnheit nicht, in der Komposition etwas
vorauszunehmen, und wenn es noch so lockend wäre;
das bleibt eine Unart, die sich sehr übel bestrafen
kann. Doch gibt es Ausnahmen, und kurz, der Auf¬
tritt bei der Reiterstatue des Gouverneurs, die
Drohung, die vom Grabe des. Erschlagenen her
urplötzlich das Gelächter des Nachtschwärmers haar¬
sträubend unterbricht, war mir bereits in die Krone
gefahren. Ich griff einen Akkord und fühlte, ich
hatte an der rechten Pforte angeklopft, dahinter schon
die ganze Legion von Schrecken beieinander liege, die
*) Daponte, der Textdichter der Mozart-
chen Opern „Figaro" und „Don Juan"
Die Madonna von Grästnthal.