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Westen zur Halbinsel
Bretagne, dort auf der
Grenze zwischen dieser
und der Normandie
liegt aller Wunder
dieser herrlichen Land¬
schaft höchstes: der
Mont Saint-
Michel. Die Bai
hat bis zur Mündung
der Sülune 23 km
Tiefe, 12 km dann
sind Wattengebiet. In
sechs Stunden füllt die
Flut die Bucht des
St-V^ichels mit einer
solchen Wassermenge,
daß ein Gebiet von der
Größe des Landkreises
Saarbrücken 12 m
hoch überflutet würde.
Von Pontarfon aus
führt ein anderthalb
Kilometer langer Deich
durch das Wattenge¬
biet hinüber auf die
Insel — besser wie
dies Wort kennzeichnet
die französische Be¬
zeichnung „Berg des
hl.Michaels" die Lage.
Denn es ist eine Spitze,
ein Felskegel, der
sich dort erhebt: unten:
im Schutze der Mauer
schmiegen sich Häuser an und Türme, klettern die
Höhe hinaus; droben: die Abtei, romanisch be¬
gonnen, gotisch vollendet, in Spitzen und Zinnen
aufsteigend bis zum Turm, von dem St.Michael
mit hoch erhobenem Schwert ins Land schaut.
In keltischer Zeit hieß der Felsen „le Mont-
Tombe," „Toteninsel," wie die benachbarte
„l'ilot de Tombelaine." Im 8. Jahrhundert lebte
in Aranches (einem Städtchen, das sich unweit
nördlich an der Küste erhebt, den Blick der Bre¬
tagne zugewandt) als Bischof der hl. Aubert.
Ihm erschien im Traume der Erzengel Michael
und befahl ihm, auf jener Insel, die vordem schon
in der Heidenzeit ein Heiligtum der Druiden ge¬
wesen, ihm eine Stätte der Verehrung zu
bereiten. So wurde der Berg auch der Christen¬
heit wieder zum Wallfahrtsort. Die Steine holte
man mühsam von den Chausey-Inseln und
umgab, der norman¬
nischen Raubzüge hal¬
ber, Dorf, Kloster und
Kirche mit hoher
Mauer wie eine Fe¬
stung. Als die Nor¬
mannen Herren des
Festlandes geworden,
ließ Herzog Richard 1.
dort Benediktiner ein¬
ziehen. Endlich, nach
Kämpfen mit Philipp
August, dem Könige
von Frankreich, ent¬
stand aus der Asche
der niedergebrannten
Basilika neu die Ab¬
tei „la Merveille", die
uns heute noch ent¬
zückt. Diese Abtei ha¬
ben wir im Kalender
1925 bereits unter
den gotischen Kathe¬
dralen Frankreichs
erwähnt: hier sei des¬
halb nur ihr größtes
Schmuckstück, der
Kreuzgang erwähnt,
den in einer Doppel¬
reihe eine Kolonnade
von 227 Säulchen aus
rotem polierten Gra¬
nit umgibt. — Hier
auf Saint - Michel,
inmitten dieser Fe-
stungsmauern, war auch der Sitz des von
Ludwig XI. von Frankreich 1469 gegründeten
St. Michael-Ordens, an den heute noch, unter
der Kathedrale gelegen, die «8all6 des Cheva¬
liers » erinnert. —
Bis zur Revolution hatten die Mönche das
Heiligtum inne; später wurde die säkularisierte
Abtei zum staatlichen Gefängnis; heute, wo sie
unter Denkmalsschutz gestellt, bemüht man sich,
Sünden der Vergangenheit zu beseitigen; störende
Gebäude geschäftstüchtiger, auf die Touristen
rechnender Wirte sollen beseitigt werden; auch der
Damm zum Festlande soll wieder verschwinden.
Die Kirche ist bereits wieder dem Gottesdienst zu¬
rückgegeben. — Das Dorf Saint-Michel ist die
Heimat kühner Fischer, von denen wir einen als
Repräsentanten der Normannen im Bilde zeigen,
das Wappen der Gemeinde zeigt demgemäß auch
zwei Salme.
Brest, Eingang zum alten Schloß.