Full text: 58.1930 (0058)

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hang auf den Unterschied zwischen der Stra߬ 
burger und der Kölner Donilfassade hinzuweisen; 
hier die große Rosette, dort statt dessen, gerade so 
wie z. B. in Marburg und Regensburg Spitz- 
bogenfenster). Überaus schön ist die Harfen- 
bespannung der Wand oberhalb der Portale. 
Zwei Türme streben 
rechts und links der 
Fassade empor, beide 
gegen den ursprüng¬ 
lichen Plan unvollendet, 
der nördliche, St. Ro¬ 
main 75, der südliche 
Tour de Beurre, 77 m 
hoch. Über der Vierung 
erhebt sich eine 148 m 
hohe eiserne Pyramide, 
im 19. Jahrhundert er¬ 
richtet. Im Innern ist 
die Kathedrale 136 m 
lang, im Querschiff 
52 m breit, und 28 m 
hoch gewölbt. 
Außer der Kathedrale 
sind natürlich noch zahl¬ 
reiche andere Kirchen 
sehenswert, von denen 
besonders die Kirche von 
Saint-Ouen zu nennen 
ist, 1318—99 gebaut, 
mit 82 m hohem Turm. 
Unter den weltlichen 
Bauten ist das größte 
Kleinod der Justizpalast, 
im 15. u. *16. Jahrhun¬ 
dert als Parlaments- 
nalast erbaut. Wir brin¬ 
gen ein die prachtvolle 
Spätgotik dieses Baues recht zeigendes Bild aus 
seinem Jnnenhof. 
Im übrigen aber ist Rouen, trotz seiner Alter¬ 
tümer, mit seinen 125 000 Einwohnern eine mo¬ 
derne Stadt. Es liegt an der unteren Seine, noch 
rund 130 km von der Mündung entfernt, doch 
zeigt sein Hafen noch Ebbe und Flut. Statt alles 
anderen zitieren wir hier lieber eine Schilderung, 
die Friedrich Heymann von ihr in der Frank¬ 
furter Zeitung (Bäderblatt vom 2. Sept. 1928) 
gab: 
„Rouen ist ein Rausch. Breit wie der Rhein 
drängt sich die Seine heraus aus dem Gewirr 
der Hügel im Südosten, umfängt in mächtigem 
Schwung eine Insel, strömt weiter, von Brücken 
überspannt. Unterhalb der letzten beginnt der 
Hafen, der zweitgrößte Frankreichs. Da fast nur 
der Fluß selbst als Hafen dient, liegt an beiden 
Ufern eine schier endlose Reihe großer Schiffe, 
deren Maste kilometerweit den Strom säumen wie 
die Bäume einer riesen¬ 
haften Allee. Ringsum 
tobt der Straßenverkehr, 
nicht geringer als in Pa¬ 
ris. (Die Stadt hat nicht 
halb soviel Einwohner 
wie Frankfurt.) Der 
Bahnhof ist, notabene, 
der beste, modernste und 
sauberste von ganz 
Frankreich. Das Leben 
auf den Straßen, auf 
den Kais, auf der Brücke, 
auf dem Fluß ist von 
einer unbeschreiblichen, 
schönen Intensität. Auf 
beideln Seiten des 
Flusses, vornehmlich auf 
dem rechten Ufer (das 
von hier gesehen das 
linke ist) ragen die 
Türme der vielen großen 
Kirchen von Rouen. Alle 
diese Türme sind nicht 
nur vollendet schön, son¬ 
dern sie stoßen mit selt¬ 
samer, wilder Größe in 
den Himmel hinein, der 
sie nicht sphärisch über¬ 
spannt, sondern sich 
wahrhafüg von ihnen 
tragen läßt. Der gro¬ 
teske Einfall, auf das Dach der Kathedrale einen 
schmalen, die Steintürme um 100 Meter über¬ 
ragenden Turm aus Gußeisen hinauszusetzen, aus 
der geradezu wilhelminischen Sucht heraus, diese 
wunderbare Kirche zur höchsten der Welt zu 
machen — dieser überaus törichte Einfall konnte 
nur um Ende des 19. Jahrhunderts geboren 
werden. Die Kathedrale ist dennoch herrlich ge¬ 
blieben, und die Steintürme überragen in der 
architektonischen Wirklichkeit um ein vielfaches 
das Gußeisengerät. Man kann über diese Kirche 
(die herrliche Glasfenster birgt), über viele ihrer 
Schwestern und über den gotischen Justizpalast 
nur in enthusiastischen Worten sprechen." 
Kathedrale zu Rouen.
	        
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