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W Venn Sie jfaschen rauchen. W
Eine kulturhistorische und technische Plauderei von * * *
ar das Wohl eine Sensation, als in den Wir¬
ren des 30jährigen Krieges die fremden
durch unser Land ziehenden Söldner zum
ersten Male die brennende Pfeife der staunenden
Mitwelt vorftihrten!
Zwar in anderen
Ländern, zumal in
denen mit seefahrender
Bevölkerung, kannte
man den Tabak
schon länger. Aber bei
uns im Binnenlande
wurde er erst in jenen
Jahren populär, der¬
gestalt, daß gar bald
der berühmte Dichter
Jakob Christoffel von
Grimmelshausen, der
uns in seinem Ro¬
man : „Simplicissimus"
das wertvollste Knl-
turbild jener wilden
Zeit überliefert hat,
schreiben konnte:
„Theils saufen Tabak,
andere fressen ihn,
von namentlichen wird
er geschnupft, also daß
mich wundert, wa-
rumb sich noch keiner
vorgefunden, so ihn
auch in die Ohren
stecke. Und weiß ein
jedweder zu sagen,
wofür er ihn ge¬
brauche, und wozu er ihm wohlbekomme: dem einen
erläutert er die Augen, dem anderen zeucht er den
Fluß aus dem Hirn, dem dritten lindert er das
Zahnweh, dem vierten vertreibet er das Sausen und
Brausen in den Ohren, dem fünften bringet er den
Schlaf, dem sechsten löscht er den Durst, dem sieben¬
ten zeucht er die Schädlichkeiten des eingesossenen
Wassers wieder aus dem Leibe, dem achten ist er gut
vor bösem Luft, dem nennten taugt er die Zeit zu
vertreiben und deni zehnten gesellschaftshalber mitzu¬
machen." —
Wir sehen hier: eine ganze Handvoll Gründe, und
der zehnte „gesellschaftshalber mitzumachen" wird
wohl die meisten zu einem Versuche des geheimnis¬
vollen Krauts verlockt haben, ob auch gleich, wie bei
allen neuen Genußmitteln, die an: „guten alten"
hängenden Sittenprediger wider das fremde sünd¬
hafte Laster eiferten, denn, wie einer von ihnen sagte:
„Was hat ein tabaktrinker von sein müh, als ein
Maul von stinkenden rauchs, der sich in sein
haar und kleider
setzet!" —
Wie so vieles Neue,
stammte auch die
Sitte des Rauchens
von der Entdeckung
der Neuen Welt durch
die Spanier. Colum¬
bus war der erste
Europäer, der einen
Menschen „rauchen"
sah, wie es in den
Berichten seinerKund-
schafter heißt: „un¬
terwegs begegneten
sie vielen Indianern,
Männern und Wei¬
bern, die ein kleines
Feuerchen mit sich
führten, das in den
Blättern eines Krau¬
tes glühte, dessen
Rauch sie einatme-
ten." — Die Sitte
fand dann wohl un¬
ter den ersten Ansied¬
lern der Neuen Welt
manche Nachahmung;
indessen, wenn auch
die aus Amerika zu-
rückkehrenden Seefah¬
rer Samen der von den Indianern als Götter¬
geschenk betrachteten Pflanze mit nach Europa ge¬
bracht hatten, so fand sie hier doch weiter keine Be¬
achtung. Vielmehr wurde die Tabakstaude zunächst
nur als Zierstrauch angepflanzt. Wohl machte man
ab und zu den Versuch, das neue Gewächs zu Heil¬
zwecken und als Wundkraut zu verwenden, insbeson¬
dere auch den Saft frischer Blätter als schmerz¬
stillendes Mittel.
Damals — unt das Jahr 1560 — lebte nun am
portugiesischen Hofe als französischer Gesandter Herr
Jean N i c o t, Seigneur de Villemain, der in seinem
Garten ebenfalls einige Tabakstauden anbaute und
mit ihren Blättern verschiedene Kuren anstellte. Da
er Glück dabei hatte, trat er eifrig für die allgemeine
medizinische Verwendung ein und schickte auch pulve-
Europäer sehen zum ersten Male Menschen, die rauchen.