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Arbeitszimmer des jungen Goethe im väterlichen Hause zu Frankfurt.
(Über dem Schreibtisch die selbst geschnittenen Silhouetten der Eltern.)
Leistungen ermöglichte. Nicht als ob es bei den
Wandertruppen an einzelnen Genies gefehlt hätte.
Hatte doch auch in Weimar kurz vor Goethes Ein¬
treffen die Seylersche Truppe gespielt, der beispiels¬
weise Ekhof, der „Vater der deutschen Schauspiel¬
kunst" angehörte. Aber durch den Brand des Schlosses
(1774) hatte das „Hoftheater" seine Existenz wieder
eingebüßt, der Direktor, der ja gleichzeitig Unter¬
nehmer war, hatte mit seiner Truppe anderswo Ver¬
dienst suchen müssen. So errichtete Goethe denn schon
in den ersten Monaten seines Aufenthalts in Wei¬
mar ein Liebhabertheater, an dem die Hofgesellschaft
sich eifrig beteiligte. Von den üblichen Stücken für
solche Liebhaberaufführungen wich der junge Feuer-
geist bald ab; zwar wurde insbesondere im „Frei¬
lichttheater", wie wir's heute technisch nennen wür¬
den, das heißt: im Walde bei Ettersburg, im Park
zu Tieffurt, an den Ufern der Ilm, oft auch spät
abends bei Fackelschein, manches seiner eigens zu
diesem Zweck geschriebenen „Singspiele" ausgeführt,
die sich zum TeU, wenigstens Stoff und. Anlage nach,
von der herrschenden Mode noch nicht viel unter¬
schieden. Aber dann begann er das Fastnachtsspiel
des Hans Sachs zu erneuern; man ging weiter
und wagte sich an die „Vögel" des großen griechischen
Satirikers Aristophanes. Von eigenen
Stücken Goethes fanden ihre Uraufführung außer
den „Mitschuldigen" und der „Laune des Verlieb¬
ten", vor allem die „I p h i g e n i e". Sie, damals
noch in Prosa geschrieben, erweckte rauschenden Bei¬
fall, und nicht genug wissen sich die Zuschauer zu
tun, die Übereinstimmung zwischen Erscheinung und
Spiel bei Goethe, der selbst den Orest gab, zu
rühmen. — 1791 übernahm dann Goethe in amtlicher
Eigenschaft die Direktion des Weimarer Hof-
theaters, das mit den „Jägern" von Jffland
eröffnet wurde. Schon die Wahl dieses ersten Stückes
bewies, daß Goethe nicht in den Fehler so vieler
Neuerer verfiel, gewaltsam reformieren zu wollen.
Er war sich bewußt, daß ein Theater, will es wirk¬
lich etwas Gutes bieten, vor allem eine gesicherte
finanzielle Grundlage haben muß, und daß man da¬
her durch die Aufführung braven theatralisch wirk¬
samen Mittelguts, wie es die Stücke des die Bedin¬
gungen der Bühnenwirksamkeit genau kennenden
Schauspielers Jffland waren, dem Geschmack des
Publikums entgegenkommen mußte, um es so an¬
dererseits auch in literarisch wertvollere, aber dem
Geschmack der Menge noch fremd anmutende Auf¬
führungen zu bringen. Das trotzdem noch entstan¬
dene Defizit des Winters wurde durch die Errichtung
eines Sommertheaters in Lauchstädt ausgeglichen. —
Aus dieser Art der Geschäftsführung erklärt sich auch
die häufige Wahl von Stücken Kotzebues, so sehr
Goethe auch, wie u. a. die Lernen beweisen, diesem
innerlich ablehnend gegenüber stand. Wer aber hätte
ihn wohl deswegen tadeln wollen? Nicht einmal
I Schiller tat es, und seine Schauspieler, denen
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