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So vergingen die Jahre.
Karlchen nahm Abschied eines
Tages, und Frau Schmiedeboom
brachte ihn selbst in die Latein¬
schule.
Hans Peter aber stand Hand in
Hand mit der kleinen Anneliese,
Kärtchens Schwester, am Zuge
und wischte sich immer wieder das
Wasser aus den Augen. Anneliese
dachte nicht an sowas.
Anneliese war überhaupt wie
ein Junge. Zweimal war sie schon
in den Bach gefallen. Und ein¬
mal hatte sie Arthür Leines, den
Sohn vom Amtmann, der gerade
so alt war wie sie, ins volle
Regenfaß gesteckt, war in die
Küche gelaufen und hatte strah¬
lend der Mutter erzählt: „Arthur
Leines versaust im Regenfaß —
hurra!"
Sie bezog unendlich viel Prügel
und durfte nie in die Apotheke.
Denn sie steckte alles in den
Mund, was ihr in den Weg
kam.
Als aber nun Hans Peter gar so betrübt in die
Welt guckte, legte sie einfach den Arm um seine
Schulter und sagte merkwürdig innig: „Sei nur still,
Hans, du sollst auch mein Mann werden."
„Ja", nickte Hans Peter, „aber du darfst mich
dann nie in ein Regensaß stecken, Anneliese."
„Nein, Hans, das tu
ich nur mit den ande¬
ren Jungens."
Da war es Hans
Peter zufrieden. —
Bald darnach wurde
Hans Peter Meßdiener
und bekam weiter jeden
Tag vom Herrn Pastor
eine Lateinstunde.
Und Pastor Buch¬
mann hatte den kleinen
Hans bald noch lieber
als seine liebsten Bü¬
cher. Und eines Tages
las er ihm aus Mörikes
Gedichten vor. ' Und
Hans Peter saß mucks-
mäuschenstill da, und
bekam glänzende Augen
und einen heißen Kopf.
Als er dann Nacht¬
wächter Möller andern
Tags traf, nahm er ihn
vorsichtig in eine Ecke
und sagte mit bebender
Stimme: „Nun weiß
ich, was ich werde!"
„Um Gotteswillen
doch nicht Nachtwächter,
Hans?"
„Nein — nein, Möl¬
ler, — Dichter!"
SR D tu : Tempel der Vesta.
Rom: Palazzo dt Venezia.
„Brr", machte Nachtwächter Möller nur und zog
sein Gesicht in essigsaure Falten, „das ist nicht viel
besser als Nachtwächter auch, und ich hab' doch so an
den g'studierten Herrn geglaubt!"
Und er trank verächtlich einen Steinhäger, spuckte
aus und fuhr wieder fort: „Hans, das sind windige
Burschen, mogeln den
Leuten nur was vor,
und kriegen doch nie
Geld. Nee, Hans — ich
fach nochmal nee!"
Da ließ Hans Peter
den Nachtwächter Möl¬
ler zum erstenmal in
seinem Leben einfach
stehen, drehte sich kurz
um und trällerte den
Dessauer-Marsch.
* So kam er nach Hause
in die Werkstätte. Hans
Peter hatte noch nie
sonst den Dessauer-
Marsch seinem Vater
nachgepsisfen. Nun mach¬
te der ein so überrascy-
tes Gesicht, daß Hans
Peter mitten im Pfei¬
fen abbrach: „Ein Dich¬
ter ist doch was viel
Feineres als ein Nacht¬
wächter, gelt Vater?^
„In, mein Junge",
und Kaspar Peter legte
Leder und Riemen lang¬
sam beiseite, „was viel
Feineres ist ein Dichter,
Hans!"
„Siehst du — stehst
du! Und ich werde auch
einer!"