Die Semelndederechtigungskohle an der Saar
zur Zelt der Revolution und des 1. IKaiierreicl)$
ine der interessantesten Einrichtungen im Saar¬
bergbau ist das Privileg der Gemeinde-
berechtigungskohlen. Hierunter ver¬
steht man, wie für den nicht saarländischen Leser er¬
gänzend gesagt sei, daß nicht nur Bergleute und Berg-
beamte, . tote in allen Kohlenbezirken üblich, ihre
Kohlen von ihrem Arbeitgeber als einen Teil ihres
Einkommens erhalten, sondern daß noch darüber
hinaus auch die übrigen Haushaltungen, die an
sich mit dem Saarbergbau nichts zu tun haben,
lediglich in ihrer Eigenschaft als Gemeindeein-
gemessene eine bestimmte Menge Kohlen auf
Grund einer Bescheinigung ihrer Gemeindebehörde
unter Ausschaltung des Handels zu einem bedeutend
ermäßigten Preise beanspruchen können.
Dieses noch aus der Fürstenzeit stammende Privileg
hat manche Anfechtungen erfahren; doch die Ge¬
meinden haben sich mit größter Hartnäckigkeit gegen
jeden Versuch einer Schmälerung ihrer Rechte ge¬
wehrt. Insbesondere war dies der Fall in den Zeiten
des Untergangs der bisher selbständigen Saarbrücker
Lande bis zu ihrer Eingliederung in den großen Kom¬
plex des preußischen Staates. Uber all' diese oft
höchst ergötzlichen Dinge war bisher so gut wie gar
nichts bekannt. Es ist ein Verdienst des techni¬
schen Direktors unserer Saargruben, des
Herrn Paul Sainte-Claire Deville, sie
ans Tageslicht gezogen und in einem größeren Auf¬
sätze*) zum ersten Male der Öffentlichkeit unter¬
breitet zu haben, und der Bergmannskalender freut
sich, heute auch seine Leser damit in auszugsweiser
Übersetzung bekannt machen zu können.
Die Archivbestände über die Saargruben, ihren
Betrieb und ihre Verwaltung in der genannten Zeit
sind nicht allzu vollständig: „Wir entdeckten aifree
darin", so sagt Herr Sainte-Claire Deville, dessen
Darlegungen wir im folgenden zugrunde legen, „eine
kleine Aktensammlung, deren von einer ehrwürdigen
Staubschicht bedeckter Deckel folgende summarische und
zum mindesten für den Uneingeweihten recht rätsel¬
hafte Aufschrift trägt:
«COMPAGNIE EQUER
AUGMENTATION DU PRIX DES KREUTZERS »
zu deutsch: „Gesellschaft Equer. Erhöhung des Kreutzer¬
preises'. Dies ist die Hauptquelle der folgenden Dar¬
stellung.
Bekanntlich hatte Fürst Wilhelm Heinrich von
Saarbrücken die bisher von den bäuerlichen Besitzern
des Grund und Bodens betriebenen Gruben enteignet
und für sich das Bergbauregal in Anspruch ge¬
nommen (1752). Um aber die erregten Gemüter zu
besänftigen, auch den Kohlenverbrauch zu heben und
*) «Le charbon d’affouage à prix de faveur sous la révolu¬
tion et le premier empire » von Paul Sainte Claire Deville ;
Bulletin de la Société des Amis de la Sarre pour 1927.
dadurch das sonst als Brennholz ihm weggeholte Holz
aus den Saarbrücker Wäldern vorteilhaft anderweit
verkaufen zu können, milderte er die Härten seines
Monopols. Er räumte den Eingesessenen jener Ge¬
meinden, die seit altersher ihren Feuerungsbedarf für
den Winter durch Kohlenschürfen gewonnen hatten,
und ebenso denen, die Kohlen gebrauchten, um Kalk
zur Düngung ihrer allzu silikathaltigen Felder zu
brennen, Vorzugspreise ein.
Die Kohlen wurden den Einwohnern im Prinzip
zum Selbstkostenpreis geliefert und das waren in
dieser, ach, so fernliegenden, glücklichen Zeit ganze
4 Kreutzer für den Zentner, oder in französischem
Gelde 0,14 Francs — 2,80 Francs für die Tonne.
Anfänglich genügte eine einfache Bescheinigung des
Gemeindevorstehers, um diesen Vorzugspreis zu er¬
halten. Man kann sich da leicht vorstellen, daß die
Menge solcher „Gemeindekohlen", die der Fürst zum
großen Nachteil seines Staatssäckels liefern mußte,
bald zu phantastischen Ziffern heranschwoll. Er so¬
wohl wie sein Nachfolger, der Fürst Ludwig, 'ver¬
suchten zwar zu bremsen. .. So erhöhten sie allmäh¬
lich den Preis und beschränkten schließlich auch die
zu beanspruchende Menge aus ein jährliches Höchst¬
maß von 1% Fuder (45 Zentner oder 2,25 t) pro
Herdstelle.
Aber je mehr das Brennholz rar wurde, desto mehr
breitete sich der Kohlenverbrauch aus — derart, daß
die Zahl der Liebhaber solcher „Gemeindebedarfs¬
kohle" von Tag zu Tag anschwoll. Und dabei wehte
von dem unmittelbar benachbarten Frankreich gerade
zu jener Zeit ein Wind herüber, aus dessen Säuseln
die Bauern etwas horten von einem „Abschaffen der
Feudalrechte", von einem „Beseitigen von Amtsmiß-
bräuchen"..., ein Wind, der die Köpfe gären machte.
Und in der Tat, die Köpfe gärten dermaßen, daß
eines schönen Tages, im August 1789, die beiden
Städte St. Johann und Saarbrücken dem Fürsten
eine Bittschrift einreichten, der am 5. September eine
Beschwerde folgte, die nicht weniger als 40 Punkte
enthielt, deren letzter die Amtsenthebung des Günst¬
lings Hammerer forderte.
Nach etlicher Zeit und nach zahlreichen Verhand¬
lungen „geruhte" endlich der Fürst, einer Anzahl der
Forderungen seines Volkes Gehör zu schenken — und
unter den Vergünstigungen, die durch die Verordnung
vom 9. November 1789 zugestanden wurden, ftnden
wir auch eine Garantie für die Einwohner der beiden
Städte St. Johann und Saarbrücken, daß sie die
notwendige Hausbrandkohle nur mit
4 Kreutzer für den Zentner bezahlen
sollten, „so lange als die Förderungs¬
kosten nicht steigen". Nunmehr war die Reihe
an denjenigen Untertanen des Fürsten, die zu seiner
Herrschaft O t t w e i l e r gehörten, ebenfalls ihre
Wünsche vorzutragen. Auch sie erreichten von dem