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Möge es mir erlaubt sein, hier auch meinem
persönlichen Schmerz Ausdruck zu geben, in den
mich der Verlust einer innigen Freundschaft stürzt,
einer Freundschaft, die, auf den Schulbänken ge¬
knüpft, heute bald dreißig Jahre alt war, und
deren unvorhergesehenes schreckliches Ende mich
tiefer trifft, als ich es hier sagen kann.
Die Wechselfälle des Lebens haben uns beide
auf verschiedene Bahnen geführt; nur selten war
uns ein fröhliches Wiedersehen vergönnt, bis dann
endlich vor einigen Jahren wir uns wieder ver¬
eint fanden hier in Saarbrücken, wo Georg
Vaudeville auf eine Stelle von ganz besonderer
Bedeutung berufen worden war.
Oft genug mußte er als Berghauptmann hier
die schwierige Rolle des Schiedsrichters über¬
nehmen. Er war dazu der rechte Mann wegen
der Lauterkeit seines unbeeinflußbaren Gewissens,
das ihn bei der Erfüllung seiner beruflichen Pflich¬
ten leitete, und das ihn so ganz natürlich über die
Schwierigkeiten seiner Aufgabe emporhob, ihn sie
ohne Anstrengung meistern ließ. Die Aufrichtig¬
keit seines Charakters, seine große Güte, die Sicher¬
heit seines Urteils gewannen ihm die Sympathie
aller, die mit ihm in Berührung kamen, und er
flößte ihnen instinktiv den Wunsch ein, den Weg
zu verfolgen, den e r ihnen gewiesen. — Immer
von dem Bestreben beherrscht, die hohen Ausgaben
seines Amtes recht zu erfüllen, zeigte er in allen
Angelegenheiten den Geist gerechtester Abwägung
und höchster Konzilianz. So hinterläßt er bei all
denen, die ihn kannten, ein Andenken an eine leider
viel zu früh beendete Laufbahn und an ein Leben,
darinnen äußerste Pflichterfüllung stets der Leit¬
stern war.
Bei uns Ingenieuren an der Saar kann nie¬
mals das Andenken erlöschen an ihn als einen der
Unseren, der, nicht zufrieden damit, lediglich den
Pflichten seines Berufes zu genügen, sich stets be¬
mühte, soweit es ihm nur möglich war, die Bande
der Kameradschaft aufrecht zu erhalten, sie fester
zu schlingen bei den geselligen Zusammenkünften,
und den Austausch unserer Ideen über die Technik
zu fördern bei den Veranstaltungen des Saar¬
bezirks der Lvciete de l’Industrie Minerale, dessen
Gründer und Vorsitzender er war. Er liebte diese
Veranstaltungen, zu denen unter seiner wohl¬
wollenden Leitung Ingenieure jeder Herkunft und
jeder Technik geladen waren, um über technische
Fragen ihres Berufs zu diskutieren, und niemals
verlor er die Hoffnung, aus ihnen ein Zentrum
intellektueller Annäherung zwischen den Inge¬
nieuren der verschiedenen Nationen zu schaffen.
Die außerordentlich hohe Auffassung seines Be¬
rufs, die ihn beseelte, ließ ihn gerade dieses Wirken
für eine gegenseitige Annäherung als einen Teil
der Aufgabe betrachten, die zu lösen er in das
Saargebiet gekommen war. Das werden wir In- '
genisure an der Saar niemals vergessen, und des¬
halb bleibt für uns für alle Zeiten Georg Vaude¬
ville das nie verbleichende Idealbild eines Inge¬
nieurs unseres französischen Grubenkorps.
Möge die Einmütigkeit unseres Beileids und
unserer Sympathie den so großen Schmerz der
Familie, die so grausam betroffen wurde, und
der die Studienfreunde Georg Vaudevilles wie
auch die Ingenieure an der Saar und die Mit¬
glieder der Societe de l’Industrie Minerale durch
meinen Mund ihren aufrichtigen Respekt aus¬
drücken lassen, lindern!
Du aber, teurer Freund, ruhe in Frieden! Du
hinterläßt im Herzen der Deinen, im Herzen aller,!
die Dich kannten, die Dich liebten, ein unauslösch-
bares Bild, das sie führen wird bei der Erfüllung
ihrer Pflicht.
Rede des Herrn M o r i z e:
Sehr verehrte, gnädige Frau!
Ich glaube, ich habe i h n, dem wir heute die
letzte Ehre erweisen, voll und ganz geschildert,
wenn ich ihn einen „M an n des Gewissens"
nenne.
Denn die Person des Herrn Chefingenieurs
Vaudeville war für alle, die seine Tätigkeit im
Saargebiet verfolgten, die Verkörperung
eines hochgesinnten Beamten, der
seine tägliche..Arbeit durch die höchste und voll¬
kommenste Auffassung seiner Pflicht adelt.
Er begnügte sich nicht damit, rechtschaffen, fleißig
und pünktlich zu sein, getreu den Überlieferungen
des französischen Grubenkorps, dem anzugehören
er so stolz war; vielmehr hatte er von den Auf¬
gaben des Beamten wie von den Rechten des
Staates und der Allgemeinheit eine starke persön¬
liche Auffassung, die die Quelle seiner unvergleich¬
lichen Autorität und Unabhängigkeit war.
Erst nach der sorgfältigsten Prüfung traf Herr
Vaudeville seine Entscheidungen; aber, glaubte er
erst einmal die wahre und gerechte Lösung ge¬
funden zu haben, so vertrat er seinen Standpunkt
mit einer klaren und unnachgiebigen Schärfe, die
ihn weder Zaudern noch Schonung kennen ließ.
Sie wissen alle, meine Herren, daß er diese so
seltenen Eigenschaften rückhaltlos in den Dienst der
Regierungskommission gestellt hat. Dank ange¬
spanntester Arbeit gelang es ihm nicht nur innerhalb
weniger Wochen seine frühere Beherrschung der