Full text: 55.1927 (0055)

10 
Möge es mir erlaubt sein, hier auch meinem 
persönlichen Schmerz Ausdruck zu geben, in den 
mich der Verlust einer innigen Freundschaft stürzt, 
einer Freundschaft, die, auf den Schulbänken ge¬ 
knüpft, heute bald dreißig Jahre alt war, und 
deren unvorhergesehenes schreckliches Ende mich 
tiefer trifft, als ich es hier sagen kann. 
Die Wechselfälle des Lebens haben uns beide 
auf verschiedene Bahnen geführt; nur selten war 
uns ein fröhliches Wiedersehen vergönnt, bis dann 
endlich vor einigen Jahren wir uns wieder ver¬ 
eint fanden hier in Saarbrücken, wo Georg 
Vaudeville auf eine Stelle von ganz besonderer 
Bedeutung berufen worden war. 
Oft genug mußte er als Berghauptmann hier 
die schwierige Rolle des Schiedsrichters über¬ 
nehmen. Er war dazu der rechte Mann wegen 
der Lauterkeit seines unbeeinflußbaren Gewissens, 
das ihn bei der Erfüllung seiner beruflichen Pflich¬ 
ten leitete, und das ihn so ganz natürlich über die 
Schwierigkeiten seiner Aufgabe emporhob, ihn sie 
ohne Anstrengung meistern ließ. Die Aufrichtig¬ 
keit seines Charakters, seine große Güte, die Sicher¬ 
heit seines Urteils gewannen ihm die Sympathie 
aller, die mit ihm in Berührung kamen, und er 
flößte ihnen instinktiv den Wunsch ein, den Weg 
zu verfolgen, den e r ihnen gewiesen. — Immer 
von dem Bestreben beherrscht, die hohen Ausgaben 
seines Amtes recht zu erfüllen, zeigte er in allen 
Angelegenheiten den Geist gerechtester Abwägung 
und höchster Konzilianz. So hinterläßt er bei all 
denen, die ihn kannten, ein Andenken an eine leider 
viel zu früh beendete Laufbahn und an ein Leben, 
darinnen äußerste Pflichterfüllung stets der Leit¬ 
stern war. 
Bei uns Ingenieuren an der Saar kann nie¬ 
mals das Andenken erlöschen an ihn als einen der 
Unseren, der, nicht zufrieden damit, lediglich den 
Pflichten seines Berufes zu genügen, sich stets be¬ 
mühte, soweit es ihm nur möglich war, die Bande 
der Kameradschaft aufrecht zu erhalten, sie fester 
zu schlingen bei den geselligen Zusammenkünften, 
und den Austausch unserer Ideen über die Technik 
zu fördern bei den Veranstaltungen des Saar¬ 
bezirks der Lvciete de l’Industrie Minerale, dessen 
Gründer und Vorsitzender er war. Er liebte diese 
Veranstaltungen, zu denen unter seiner wohl¬ 
wollenden Leitung Ingenieure jeder Herkunft und 
jeder Technik geladen waren, um über technische 
Fragen ihres Berufs zu diskutieren, und niemals 
verlor er die Hoffnung, aus ihnen ein Zentrum 
intellektueller Annäherung zwischen den Inge¬ 
nieuren der verschiedenen Nationen zu schaffen. 
Die außerordentlich hohe Auffassung seines Be¬ 
rufs, die ihn beseelte, ließ ihn gerade dieses Wirken 
für eine gegenseitige Annäherung als einen Teil 
der Aufgabe betrachten, die zu lösen er in das 
Saargebiet gekommen war. Das werden wir In- ' 
genisure an der Saar niemals vergessen, und des¬ 
halb bleibt für uns für alle Zeiten Georg Vaude¬ 
ville das nie verbleichende Idealbild eines Inge¬ 
nieurs unseres französischen Grubenkorps. 
Möge die Einmütigkeit unseres Beileids und 
unserer Sympathie den so großen Schmerz der 
Familie, die so grausam betroffen wurde, und 
der die Studienfreunde Georg Vaudevilles wie 
auch die Ingenieure an der Saar und die Mit¬ 
glieder der Societe de l’Industrie Minerale durch 
meinen Mund ihren aufrichtigen Respekt aus¬ 
drücken lassen, lindern! 
Du aber, teurer Freund, ruhe in Frieden! Du 
hinterläßt im Herzen der Deinen, im Herzen aller,! 
die Dich kannten, die Dich liebten, ein unauslösch- 
bares Bild, das sie führen wird bei der Erfüllung 
ihrer Pflicht. 
Rede des Herrn M o r i z e: 
Sehr verehrte, gnädige Frau! 
Ich glaube, ich habe i h n, dem wir heute die 
letzte Ehre erweisen, voll und ganz geschildert, 
wenn ich ihn einen „M an n des Gewissens" 
nenne. 
Denn die Person des Herrn Chefingenieurs 
Vaudeville war für alle, die seine Tätigkeit im 
Saargebiet verfolgten, die Verkörperung 
eines hochgesinnten Beamten, der 
seine tägliche..Arbeit durch die höchste und voll¬ 
kommenste Auffassung seiner Pflicht adelt. 
Er begnügte sich nicht damit, rechtschaffen, fleißig 
und pünktlich zu sein, getreu den Überlieferungen 
des französischen Grubenkorps, dem anzugehören 
er so stolz war; vielmehr hatte er von den Auf¬ 
gaben des Beamten wie von den Rechten des 
Staates und der Allgemeinheit eine starke persön¬ 
liche Auffassung, die die Quelle seiner unvergleich¬ 
lichen Autorität und Unabhängigkeit war. 
Erst nach der sorgfältigsten Prüfung traf Herr 
Vaudeville seine Entscheidungen; aber, glaubte er 
erst einmal die wahre und gerechte Lösung ge¬ 
funden zu haben, so vertrat er seinen Standpunkt 
mit einer klaren und unnachgiebigen Schärfe, die 
ihn weder Zaudern noch Schonung kennen ließ. 
Sie wissen alle, meine Herren, daß er diese so 
seltenen Eigenschaften rückhaltlos in den Dienst der 
Regierungskommission gestellt hat. Dank ange¬ 
spanntester Arbeit gelang es ihm nicht nur innerhalb 
weniger Wochen seine frühere Beherrschung der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.