Full text: 53.1925 (0053)

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berg; ein Weinberg, den er selbst gepflanzt hatte, 
3 Meilen von Avignon, in den Myrten von 
Chateauneuf. 
Alle Sonntage nach der Vesper besuchte der 
würdige Mann seinen Weinberg, und wenn er 
da oben in voller Sonne saß, neben sich sein 
Maultier, während seine Kardinäle ringsherum 
am Fuße der Weinstöcke lagerten, dann ließ er 
einen Krug von seinem eigenen Wachstum 
bringen, von jenem vorzüglichen rubinfarbenen 
Wein, der seitdem der Chateauneuf der Päpste 
genannt wird; und er kostete das Getränk in 
kleinen Zügen, wobei er nicht versäumte, seinem 
Weinberg einen gerührten Blick zuzuwerfen. 
Wenn dann der Krug geleert war und der Abend 
nahte, kehrte er mit seinem ganzen Gefolge nach 
der Stadt zurück. Und wenn er dann über die 
Brücke von Avignon ritt, mitten durch die Musi¬ 
kanten und die Tänzer, verfiel sein Maultier, 
durch die Musik ermuntert, in einen leichten, 
hüpfenden Paßgang, während er selbst mit 
seinem Barett den Takt zum Tanze schlug, was 
seinen Kardinälen nicht gefiel. Aber das Volk 
war davon entzückt, und es rief: „Ah, unser lieber 
Fürst! Ah, unser braver Papst!" 
* 
* * 
Neben seinem Weinberg von Chateauneuf war 
sein Maultier dem Papste das Liebste auf der 
Welt. Der gute Mann war völlig vernarrt in das 
Tier. Jeden Abend vor dem Schlafengehen ver¬ 
gewisserte er sich, daß sein Stall verschlossen und 
seine Krippe versorgt war, und niemals wäre er 
vom Tische aufgestanden, ohne unter seiner Auf¬ 
sicht einen großen Humpen Wein nach französi¬ 
scher Art mit viel Zucker und Gewürz zurecht¬ 
machen zu lassen, den er ihm trotz der Bemer¬ 
kungen seiner Kardinäle persönlich hintrug... 
Aber das Tier war auch dessen wert. Es war ein 
schönes, schwarz- und rotgesprenkeltes Maultier 
mit sicherem Gang, glänzendem Fell und mit 
breitem und vollem Kreuz, das seinen kleinen, 
dürren, überreich mit Schleifen, silbernen Scheu¬ 
chen, Troddeln und Quasten geschmückten Kopf mit 
bewußtem Stolze trug; dabei war es engelhaft 
sanft; es hatte treuherzige Augen und zwei lange, 
stets hin- und herwackelnde Ohren, was ihm das 
herzige Aussehen eines Kindes gab. Ganz 
Avignon hielt es in Ehren, und wenn es durch 
die Straßen kam, schmeichelte man ihm auf jede 
Art. Denn man wußte überall, daß das das beste 
Mittel war, um bei Hofe gut angeschrieben zu 
sein, und daß das päpstliche Maultier mit seiner 
unschuldvollen Miene schon mehr als einem zum 
Glück verholfen hatte, wofür Tistet Vedene und 
sein wunderbares Schicksal Beweis genug waren. 
Dieser Tistet Vedene war eigentlich ein frecher 
Bengel, der von seinem Vater, dem Goldschmied 
Guy Vedene, von Hause fortgejagt worden war, 
weil er selbst ein Müßiggänger war und dazu 
noch die Lehrjungen von der Arbeit abhielt. Volle 
sechs Monate sah man ihn in allen Gassen 
Avignons umherlaufen, aber hauptsächlich trieb 
er sich in der Nähe des päpstlichen Palastes 
herum; denn der schlaue Bursche hatte etwas mit 
dem Maultier des Papstes vor, und daß es sich 
um einen boshaften Streich handelte, wird man 
bald erfahren... 
Als S. Heiligkeit eines Tags ganz allein an 
den Wällen auf seinem Tier spazieren reitet, 
spricht ihn unser Tistet an und sagt mit bewun¬ 
derndem Mienenspiel und die Hände über dem 
Kopfe zusammenschlagend: 
— Großer Gott, Hoher Heiliger Vater, was für 
ein feines Maultier habt Ihr da! Gestattet mir, 
daß ich es ein wenig bewundere... Oh, was ist 
das für ein schönes Maultier, lieber Papst! Auch 
der deutsche Kaiser hat so eines nicht aufzuwesten. 
Und er liebkoste das Tier und sprach sanft zu 
ihm wie zu einem Fräulein: 
— Komm doch her, mein Schatz, mein herr¬ 
liches Kleinod, meine liebliche Perle, komm her 
zu mir!... 
Und innig bewegt sagte der Papst zu sich selbst: 
— Was für ein gutmütiger kleiner Junge das 
ist. Wie nett er zu meinem Maultier spricht! 
Und könnt ihr euch denken, was am nächsten 
Tage geschah? Tistet Vedene vertauschte seine alte 
Jacke mit einem schönen Spitzenrock, einem 
Mantel aus violetter Seide, hatte Schnallenschuhe 
an und trat in die päpstliche Singschule für Chor¬ 
knaben ein, worin bislang nur Söhne von Ade¬ 
ligen und Kardinalsneffen aufgenommen worden 
waren... woraus man ersehen kann, was List ver¬ 
mag... Aber Tistet ließ es nicht dabei bewenden. 
Einmal im päpstlichen Dienste setzte der Schelm 
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