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Dreifcönigsweibnacfot
Skizze von Rud. Glaser.
er Feuerwächter saß am Silvestertage in
seinem Kirchturm und schaute aus den vier
Fenstern, die nach den Himmelsrichtungen
gingen, von Zeit zu Zeit über das kleine Städtchen,
welches in leuchtender, funkelnder Schneedecke tief
unter ihm lag. Aus den Essen stieg der blaue
Dunst zu ihm empor, die Gestalten der betrieb¬
samen Bürgersleute hoben sich klein, aber scharf
von den verschneiten Straßen ab, und es war, als
habe der Strahl der Wintersonne nach den vielen
Nebeltagen mehr Menschen als gewöhnlich auf die
Straße gelockt, die nun geschäftig die Feier des
Neujahrstages bestellen wollten.
Der Wächter reckte und streckte sich behaglich in
dem warmen Stübchen. Er warf wieder ganz ge¬
wohnheitsmäßig einen Blick auf die seiner Wach¬
samkeit anvertraute Stadt, nahm sein Horn zur
Hand, öffnete ein Fenster und blies das Stunden¬
viertel den Einwohnern in die Ohren, wie es von
früheren Zeiten her noch Brauch war. Dann ging
er zu seinen Vögeln, die in größeren und kleineren
Hecken an den Wänden hingen, Kanarienbrut,
vermischt mit Zeisigen, mit denen er schon
manchen schönen Taler verdient hatte. Mit leuch¬
tenden Augen blickten sie auf das Futter, welches
er ihnen zuschob, und dann begannen sie sich zu
zanken über ihren Anteil, oder sangen in kräftigen
Koloraturen der kehlfertigen Harzer Roller. Das
war ein solches Jubilieren in der Wintersonne,
daß der Wächter nicht hörte, wie die Tür des
Stübchens geöffnet wurde, und seine Frau ein¬
trat. Sie setzte sich erschöpft in den alten, brüchigen
Rohrsessel.
„Gar zu viel Stufen sind's, bis hier heroben",
keuchte sie, „so sauer wie heut sind sie mir noch nie
worden."
Der Wächter kehrte sich erstaunt um: „Was
bringst du mir denn feines, Kathrinele?" frug er,
indem fein Blick liebevoll auf der mageren Ge¬
stalt der Frau ruhte.
„S'ist nit allzuviel. Es ist halt der Letzte und
mit dem bissel Lohn, den sie dir geben, kann man
nit allzuviel Sprüng' machen."
„Wart's ab", sagte er begütigend und zwinkerte
mit den Augen. „Heut nacht kommt die große
Zulage zuweg."
„Och, die!" antwortete Kathrin, „das ist gar
sauer erworbenes Geld!"