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Dann wollte ich nach der Heimat zurück, die Eltern
besuchen und für mein Geld auf die Steuermanns-
fchule gehen. Natürlich ging das nicht so schnell,
wie ich gehofft hatte; aber endlich kam doch der
große Moment, der mich dem Ziel meiner
Wünsche näherbringen sollte. In einer Julinacht
des Jahres 1879 rannte nämlich unser Kanonen¬
boot die englische Fregatte Renown bei Gibraltar
in den Grund. Die Fregatte hatte außer einem
Ablösungstransport auch die Löhnung für die in
auch an die Ausführung des Planes gefchritten.
Unfer Kanonenboot wurde genau über die Stelle
gelegt, wo nach Berechnung unserer Navigations¬
offiziere das Wrack der Renown zu finden fein
mußte. Vorher hatte man mich noch über den Auf¬
bewahrungsort der Schiffskasse genau unterrichtet.
Sie war, wie das dazumal auf verschiedenen
Schiffen Sitte war, auf dem Achterdeck festge¬
schraubt. Für mich bedeutete das einen großen
Vorteil; denn ich brauchte nun nicht den befchwer-
Dle Saar bei Mettlach.
Gibraltar stationierten Beamten und Soldaten an
Bord. Es handelte sich um eine große Summe,
die nun auf reichlich dreißig Meter Tiefe im Sand
des Meeresbodens ruhte. Eine Bergung der in¬
haltreichen Schiffskasse schien bei den damaligen
Hilfsmitteln unmöglich; um aber nichts unversucht
zu lassen, setzte die Admiralität eine hohe Beloh¬
nung für die Wiederbeschaffung der Kasse aus.
Als einzigem Bewerber um den Preis wurde mir
die Bergung anvertraut. Es fehlte nicht an war¬
nenden Stimmen, die mich von meinem Vorhaben
abhalten wollten; aber ich verstand mein Hand¬
werk gut und befaß einen tüchtigen Posten Unter¬
nehmungsgeist.
An einem sturmfreien Vormittag wurde denn
lichen Versuch zu wagen, in das Innere der
Fregatte einzudringen.
Als ich mit Taucheranzug, Beil und sonstigen
Werkzeugen genügend ausgerüstet war, erhielt ich
von dem Kommandanten unseres Schiffes noch
eine Reihe guter Ratschläge mit auf den Weg —
und dann konnte ich tauchen.
Noch einmal grüßte ich das Sonnenlicht; dann
stieg ich mit einem Stoßgebet über die Verschan-
zung die kurze Leiter hinab, die ein Stückchen in
die gründunkle Tiefe führte. Eigentliche Angst
fühlte ich nicht; nur eine seltsame Erregung, weil
das Gelingen meines Vorhabens zugleich die Er¬
füllung meiner kühnsten Hoffnungen bedeutete.
Schon nach kurzer Zeit spürte ich festen Boden