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anderer; aber ich bin sicher, daß wir alle mit unserem
Kopf bezahlen müssen.
Augenscheinlich hatte der berüchtigte Banditen-
Häuptling niemals selbst getötet und immer hatte er
es sorgfältig vermieden, einen Mord zu befehlen,
wenn er die Bande anführte. Aber er hatte mehr¬
mals solchen Morden beigewohnt, unter anderem als
ein Jude im Soonwald ermordet wurde. Selbst hatte
er allerdings niemals ein solches Verbrechen be¬
gangen; man konnte ihn also auch keines Mordes au
einem Menschen überführen. Doch hatten seine
Diebeszüge bandenmäßig und mit bewaffneter Hcmd
stattgefunden, Verbrechen, die nach dem Gesetze von
1798 mit dem Tode bestraft wurden. Dieses Gesetz
war in Frankreich erlassen worden, um den Untaten
der „Chauffeurs" — Verbrecher, die überall Schrecken
erregten, weil sie ihre Opfer ganz abscheulich mi߬
handelten, um ein Geständnis zu erpressen, wo sie ihr
Geld verborgen hatten — ein Ende zu machen.
Kannte Bückler dieses Gesetz nicht, oder stellte- er
sich nur so, um seine Frau zu beruhigen? Julie
Blasius war nämlich auch verhaftet worden. Sie war
ein starkknochiges, herzloses Weib, eine ehemalige
fahrende Sängerin, wie manche Dokumente besagen,
während sie in anderen Papieren als eine leichtlebige
Bäuerin bezeichnet wird.
Sie begleitete die Banditen, oft auch in Männer¬
kleidung, seit zwei Jahren und beherrschte die ganze
Bande ihres Mannes. Man hatte sie als feine Ver-
brecherqefährtin ebenfalls verhaftet, obschon sie ein
Kind erwartete.
Das Gerichtsverfahren erregte ein ungeheures Auf¬
sehen. 60 Hauptanklagepunkte standen zur Verhand¬
lung. Neben dem Führer der Bande, den jedermann,
trotz seiner Verbrechen, mit einer gewissen Teilnahme
betrachtete, waren 67 seiner Spießgesellen vor die
Schranken des Gerichts geladen. Gegen 50 kamen
aber nur zum Verhör; 3 waren in der Gefangenschaft
gestorben und einige wenige waren nicht erwischt
worden.
Leider war es ja unmöglich, sämtliche Helfershelfer
der Banditen festzunehmen — deren Zahl mit 200
nicht zu hoch gegriffen sein wird — aber die haupt¬
sächlichsten Unterführer hatte man doch in Gewahr¬
sam.
Das Verfahren dauerte volle 2 Monate. Schinder¬
hannes und 19 seiner Spießgesellen wurden zum
Tode verurteilt.
Am 21. November 1803 erdröhnte Mainz von
Waffengeklirr. Im heutigen Stadtpark war die Guil¬
lotine aufgestellt; hier erwarteten der Henker und
seine zwei Gehilfen die Verurteilten.
Um den Holzturm herum gruppierten sich die Kar¬
ren, die mit etwas Stroh versehen waren. Die 20
zum Tode Verurteilten kommunizierten und hörten
die Messe. Dann zog man ihnen rote Hemden an und
band ihnen die Hände auf den Rücken. Mit der Schere
schnitt man dann den Hemdkragen weg und machte
den Hals vom herabhängenden Haare frei. Dann be¬
stiegen die armen Sünder, die von Priestern umgeben
waren, die Karren, um ihre letzte Reise anzutreten.
Gendarmen umgaben die Karren und eine Jnfan-
teriekompagnie, in zwei Reihen rechts und links ver¬
teilt, mit geladenem Gewehr und aufgepflanztem
Bajonett, trennte die Zuschauer von dem Zuge, der
bis zum Orte der Exekution zwei Reihen Gaffer
durchziehen mußte, die herbeigeeilt waren, um den
„schönen Banditen" zu sehen.
In 20 Minuten war alles vorbei: Schinderhannes
starb tapfer; nicht so war es aber bei seinen Spieß-
gesellen. Einige von diesen waren nur mehr ein Häuf¬
chen Elend und starben, ohne sich dessen bewußt zu
werden.
In Heidelberg, der schönen Ncckarstadt, existiert im
Museum unter der Nr. 11 ein Skelett, das von dem
berüchtigten Banditen herstammen soll.
Vollziehung des Todesurteils an Schinderhannes und seinen Spießgesellen
durch die Guillotine am 21. November 1803.
(Nach einem Bild aus damaliger Zeiti