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mußten auch dem größten Zweifler das Gemeinsame,
Planvolle aller dieser Operationen zeigen, die wie
ein Uhrwerk ineinander griffen und die Bewunderung
des Auslandes, ja unbewußt auch die der Feinde
erregten.
Geben wir in großen Zügen eine Übersicht über
dieses große Räderwerk des deutsch-öster¬
reichischen Vormarsches. Wir fangen im
äußersten Südosten an, weil der ganze große ge¬
waltige Vorstoß hier einsetzte und sich gleich der
wachsenden Gewalt einer Lawine nach Norden und
Nordwesten fortsetzte. Hier in der Süd ostecke des
galizischeu Landes, in der Bukowina bis
über die bessarabische Grenze hinaus, war
das Kampfgebiet des österreichischen. Generals
P f l a tt z e r - B a l t i n. Nördlich daran schloß sich
das Wirkungsgebiet des Generals v. L i n s i n g e n,
der durch seine kühnen Dnjester-Übergällge
namentlich die bei Lemberg angreifenden deutsch-
österreichischen Truppen so stark entlastet hatte.
Weiter itach Nordwesten folgten dann in langer,
stolzer Reihe die ruhmgekronten Artneen, deren
Führernamen in der Kriegsgeschichte immerdar mit
Bewunderung genannt werden: die Armee des
Generals B o e h in - Ermoll i, des Erzherzogs
Joseph Ferdinand, dann die Armee des Feld¬
herrn, dessen Name nächst deni des unvergleichlichen
Hindeil bürg von deutschen und österreichischen
Lippen am meisten mit Liebe und Bewunderung,
vom feindlichen Auslande mit größtem Respekt ge¬
nannt nnirde: des Generalobersten v. M a ck e n s e u.
Weiter nach Ölorden die des Generals v. W o y r s ch,
dann die des Eroberers von Warschau, des Prinzen
Leopold von Bayern. Die nördlich Warschati
operierenden Armeen v. G a l l iv i tz, v. 2 ch o l z,
v. Eichhorn unt> die nördlich auf Ktirland vor¬
gehende des Generals v. Be low sie gehörten
sämtlich der großen Arnreegruppe des Generalfeld
marschalls v. Hindenburg' an, dessen gewaltigem
Feldherrngenie und scharfem Verstand der gigantische
Plan, des gewaltigsten, den je ein Menschenhirn er¬
dacht, entsprungen ivar.
In welch wunderbarer Weise alle diese Heeres
und Armeegruppen ineinandergriffeti, nne eine die
andere stützte das eingehend zu schildern würde
so verlockend auch die Aufgabe ist, deut Zweck
dieser Kriegsskizze nicht entsprechen und Veit dem
Verfasser zur Verfügung gestellten Raum bei weitent
überschreiten. Es genügt zu sagen, daß dieses In¬
einandergreifen und Zusammenreifen stets zu den
interessantesten Kapiteln der Kriegsgeschichte gehören
wird. Spätere Geschlechter werden noch davon
singen und sagen.
Im Juli hatte die Arrnee des Generals v. Lin
sing e u den nächsten Flnßabschnitt nach dem
Dnjester, die Gnita-Lipa, überschritten, während
Nt a ck e n s e n, zwischen B u g tind W e i ch s e l vor
dringend, den weiteren Weg sich ins Herz der Feinde
bahnte. Die Gesamtbeute während des Iunimonats
betrug schoit damals 521 Offiziere, IM 000 Mann,
00 Geschütze, 364 Maschinengewehre, zahlreiches
Feldmaterial. Und diese Beute war noch täglich im
Wachsen.
Mit der Räumung des Brückenkopfes von
K r y l o w ait der galizisch-russischen Grenze wendet
sich die Richtung der Käinpfe schließlich nach Ölorden
und spielt energisch hinüber auf das Gebiet voit
Südpolen, nördlich vom Sanwiukel, auf beiden
Seiten der Weichsel. Ter Heeresbericht vonl 6. Juli
besagte deutlich, ivohin die weitere Richtung der
Känipfe ging. Die Armee des Erzherzogs Joseph
Ferdinand hatte die russische Kampffront'beiderseits
Krasnik in mehrtägigen Kämpfen durchbrochen und
die Russen unter großen Verlusten in nördlicher
Richtung zurückgeworfen. 8000 Mann waren dabei
gefangen mordest.
Ö) litte Juli beginnt der de titsche Vormarsch
nach Norden und Nor dosten ein energischeres
Gesicht zu zeigen. Man blickte wieder mit Spannung
und Erwartung auf Hindenburg. Die oberste Heeres
leitung hielt es damals selbst für angezeigt, in licht
vollen, oft dramatisch bewegten Darstellungen eine
Übersicht über die Kämpfe der letzten Monate uitD
Wochen bei der Hindenburg-Armee zu geben, soweit
sie besonders die Lage südlich Masuren betraf. Hier
ivar die besondere Aufmerksamkeit auf die wichtige
Aufgabe gelenkt, die General der Ar rill er re
v. G a l l iv i tz zu bewältigen hatte, und die vorwiegend
darin bestand, die rechte Flanke der in Öllasuren
kämpfenden Armeen zu decke» und die Grenzen dieses
Landes vor neuen Einbruchsversuchen der Russen zu
schützen. Die schweren Kämpfe bei Prasnysz imd
Mlawa wurden durch diesen Bericht in das rechte
Licht gerückt. Gerade diese Kämpfe waren es, welche
dem Feinde vortäuschten, Hindenburg selber hätte
hier mit starken Kräften eingegriffen. Das hatte zur
Folge, daß die Russen alle ihre verfügbaren Kräfte
hierher warfen, wodurch allerdings die Aufgabe der
Armee v. Gallwitz sehr erschwert wurde, Hinden¬
burg an anderer Stelle des Kriegstheaters aber um
so freier walten konnte. Öhm galt es, die Ölarew-
linie zu bezivingen. Am tö. Juli mußte der russische
Generalstab selber melden, daß der Feind den Ölatem
überschritten habe. Das war vielversprechend.
In der Tat Hindenburg hatte wieder
ganz in der stille eine Offensive großen Stils ein¬
geleitet. Öln allen Stellen hatte der Angriff zugleich
eingesetzt. Zwischen Bug und Weichsel entwickel¬
ten sich unter Führung Mackensens ant 16. Juli
auf der ganzen Front Kämpfe großeit Umfangs.
Auch w e st l i ch der oberen Weichsel bei der Armee
des Generalobersten v. Woyrsch wurde die Offen¬
sive von neuem aufgenommen. In der Gegend
südivestlich von Krasstostaw durchbrachen deutsche
Kräfte die feindlichen Linien. Gleichzeitig, nach
einem gewaltigen einheitlichen Plane, wurde die
große Offensive im Norden, Osten und Südosten
imternomureu. ÖNillionen von Truppen, deir ver¬
schiedensten Führern angehörig, leitete nur ein ein¬
ziger, alles verbindender, alles verknüpfender Gedanke.
„Genial, grandios!" so nannte ein italienisches Blatt
die Gegenoffensive der Deutschen im Osten. Es
zweifelte zwar am Erfolge nach wenigen Tagen
aber war es darüber belehrt, daß Hindenburg kein
Cadorna und Mackensen kein Porro war. Und wenn
man dort unten, so schreibt der Berichterstatter der
„Leipziger Neuesten Öl ach richten", ivo die Zitronen
blühen und das Maultier, wie es scheint, noch immer
im Nebel seinen Weg sucht, die letzte Hoffnung auf
„die Wiederholung der Ereignisse im Feldzug
Napoleons", auf einen neuen Brand von Moskau
und die Schrecken des Hungers und der Kälte stellt,
so scheint die Verzweiflung in Italien ebensolche
Dracheneier auszubriiten, wie die Lüge in Frankreich,
wo das Volk soeben noch hörte, daß wir in einer
furchtbaren Schlacht bei Lublin furchtbar besiegt