Full text: 44.1916 (0044)

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mußten auch dem größten Zweifler das Gemeinsame, 
Planvolle aller dieser Operationen zeigen, die wie 
ein Uhrwerk ineinander griffen und die Bewunderung 
des Auslandes, ja unbewußt auch die der Feinde 
erregten. 
Geben wir in großen Zügen eine Übersicht über 
dieses große Räderwerk des deutsch-öster¬ 
reichischen Vormarsches. Wir fangen im 
äußersten Südosten an, weil der ganze große ge¬ 
waltige Vorstoß hier einsetzte und sich gleich der 
wachsenden Gewalt einer Lawine nach Norden und 
Nordwesten fortsetzte. Hier in der Süd ostecke des 
galizischeu Landes, in der Bukowina bis 
über die bessarabische Grenze hinaus, war 
das Kampfgebiet des österreichischen. Generals 
P f l a tt z e r - B a l t i n. Nördlich daran schloß sich 
das Wirkungsgebiet des Generals v. L i n s i n g e n, 
der durch seine kühnen Dnjester-Übergällge 
namentlich die bei Lemberg angreifenden deutsch- 
österreichischen Truppen so stark entlastet hatte. 
Weiter itach Nordwesten folgten dann in langer, 
stolzer Reihe die ruhmgekronten Artneen, deren 
Führernamen in der Kriegsgeschichte immerdar mit 
Bewunderung genannt werden: die Armee des 
Generals B o e h in - Ermoll i, des Erzherzogs 
Joseph Ferdinand, dann die Armee des Feld¬ 
herrn, dessen Name nächst deni des unvergleichlichen 
Hindeil bürg von deutschen und österreichischen 
Lippen am meisten mit Liebe und Bewunderung, 
vom feindlichen Auslande mit größtem Respekt ge¬ 
nannt nnirde: des Generalobersten v. M a ck e n s e u. 
Weiter nach Ölorden die des Generals v. W o y r s ch, 
dann die des Eroberers von Warschau, des Prinzen 
Leopold von Bayern. Die nördlich Warschati 
operierenden Armeen v. G a l l iv i tz, v. 2 ch o l z, 
v. Eichhorn unt> die nördlich auf Ktirland vor¬ 
gehende des Generals v. Be low sie gehörten 
sämtlich der großen Arnreegruppe des Generalfeld 
marschalls v. Hindenburg' an, dessen gewaltigem 
Feldherrngenie und scharfem Verstand der gigantische 
Plan, des gewaltigsten, den je ein Menschenhirn er¬ 
dacht, entsprungen ivar. 
In welch wunderbarer Weise alle diese Heeres 
und Armeegruppen ineinandergriffeti, nne eine die 
andere stützte das eingehend zu schildern würde 
so verlockend auch die Aufgabe ist, deut Zweck 
dieser Kriegsskizze nicht entsprechen und Veit dem 
Verfasser zur Verfügung gestellten Raum bei weitent 
überschreiten. Es genügt zu sagen, daß dieses In¬ 
einandergreifen und Zusammenreifen stets zu den 
interessantesten Kapiteln der Kriegsgeschichte gehören 
wird. Spätere Geschlechter werden noch davon 
singen und sagen. 
Im Juli hatte die Arrnee des Generals v. Lin 
sing e u den nächsten Flnßabschnitt nach dem 
Dnjester, die Gnita-Lipa, überschritten, während 
Nt a ck e n s e n, zwischen B u g tind W e i ch s e l vor 
dringend, den weiteren Weg sich ins Herz der Feinde 
bahnte. Die Gesamtbeute während des Iunimonats 
betrug schoit damals 521 Offiziere, IM 000 Mann, 
00 Geschütze, 364 Maschinengewehre, zahlreiches 
Feldmaterial. Und diese Beute war noch täglich im 
Wachsen. 
Mit der Räumung des Brückenkopfes von 
K r y l o w ait der galizisch-russischen Grenze wendet 
sich die Richtung der Käinpfe schließlich nach Ölorden 
und spielt energisch hinüber auf das Gebiet voit 
Südpolen, nördlich vom Sanwiukel, auf beiden 
Seiten der Weichsel. Ter Heeresbericht vonl 6. Juli 
besagte deutlich, ivohin die weitere Richtung der 
Känipfe ging. Die Armee des Erzherzogs Joseph 
Ferdinand hatte die russische Kampffront'beiderseits 
Krasnik in mehrtägigen Kämpfen durchbrochen und 
die Russen unter großen Verlusten in nördlicher 
Richtung zurückgeworfen. 8000 Mann waren dabei 
gefangen mordest. 
Ö) litte Juli beginnt der de titsche Vormarsch 
nach Norden und Nor dosten ein energischeres 
Gesicht zu zeigen. Man blickte wieder mit Spannung 
und Erwartung auf Hindenburg. Die oberste Heeres 
leitung hielt es damals selbst für angezeigt, in licht 
vollen, oft dramatisch bewegten Darstellungen eine 
Übersicht über die Kämpfe der letzten Monate uitD 
Wochen bei der Hindenburg-Armee zu geben, soweit 
sie besonders die Lage südlich Masuren betraf. Hier 
ivar die besondere Aufmerksamkeit auf die wichtige 
Aufgabe gelenkt, die General der Ar rill er re 
v. G a l l iv i tz zu bewältigen hatte, und die vorwiegend 
darin bestand, die rechte Flanke der in Öllasuren 
kämpfenden Armeen zu decke» und die Grenzen dieses 
Landes vor neuen Einbruchsversuchen der Russen zu 
schützen. Die schweren Kämpfe bei Prasnysz imd 
Mlawa wurden durch diesen Bericht in das rechte 
Licht gerückt. Gerade diese Kämpfe waren es, welche 
dem Feinde vortäuschten, Hindenburg selber hätte 
hier mit starken Kräften eingegriffen. Das hatte zur 
Folge, daß die Russen alle ihre verfügbaren Kräfte 
hierher warfen, wodurch allerdings die Aufgabe der 
Armee v. Gallwitz sehr erschwert wurde, Hinden¬ 
burg an anderer Stelle des Kriegstheaters aber um 
so freier walten konnte. Öhm galt es, die Ölarew- 
linie zu bezivingen. Am tö. Juli mußte der russische 
Generalstab selber melden, daß der Feind den Ölatem 
überschritten habe. Das war vielversprechend. 
In der Tat Hindenburg hatte wieder 
ganz in der stille eine Offensive großen Stils ein¬ 
geleitet. Öln allen Stellen hatte der Angriff zugleich 
eingesetzt. Zwischen Bug und Weichsel entwickel¬ 
ten sich unter Führung Mackensens ant 16. Juli 
auf der ganzen Front Kämpfe großeit Umfangs. 
Auch w e st l i ch der oberen Weichsel bei der Armee 
des Generalobersten v. Woyrsch wurde die Offen¬ 
sive von neuem aufgenommen. In der Gegend 
südivestlich von Krasstostaw durchbrachen deutsche 
Kräfte die feindlichen Linien. Gleichzeitig, nach 
einem gewaltigen einheitlichen Plane, wurde die 
große Offensive im Norden, Osten und Südosten 
imternomureu. ÖNillionen von Truppen, deir ver¬ 
schiedensten Führern angehörig, leitete nur ein ein¬ 
ziger, alles verbindender, alles verknüpfender Gedanke. 
„Genial, grandios!" so nannte ein italienisches Blatt 
die Gegenoffensive der Deutschen im Osten. Es 
zweifelte zwar am Erfolge nach wenigen Tagen 
aber war es darüber belehrt, daß Hindenburg kein 
Cadorna und Mackensen kein Porro war. Und wenn 
man dort unten, so schreibt der Berichterstatter der 
„Leipziger Neuesten Öl ach richten", ivo die Zitronen 
blühen und das Maultier, wie es scheint, noch immer 
im Nebel seinen Weg sucht, die letzte Hoffnung auf 
„die Wiederholung der Ereignisse im Feldzug 
Napoleons", auf einen neuen Brand von Moskau 
und die Schrecken des Hungers und der Kälte stellt, 
so scheint die Verzweiflung in Italien ebensolche 
Dracheneier auszubriiten, wie die Lüge in Frankreich, 
wo das Volk soeben noch hörte, daß wir in einer 
furchtbaren Schlacht bei Lublin furchtbar besiegt
	        
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