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gleichzeitig aus dem ehemaligen Gegner Preußens
der mächtige Bundesgenosse geschaffen, mit dem
vereint wir heute den furchtbaren Kampf gegen
halb Europa bestehen. Auf den Schlachtfeldern
von Frankreich vollzog sich dann im Kugelregen
die Einigung der deutschen Stämme zu einem
machtvollen großen Deutschen Reiche unter dem
greisen Heerführer, der als Kaiser Wilhelm I.
sich in Versailles die deutsche Kaiserkrone auf
das ehrwürdige Haupt setzte. In siebzehn
Friedensjahren hat er dann der Welt gezeigt,
daß er nicht bloß ein Mann des Schwertes,
sondern ein Herrscher war, der die Segnungen
des Friedens über alles stellte. Die beispiellose
Entwickelung des Handels und Verkehrs, der
Industrie und Volkswohlfahrt, das Aufblühen
von Künsten und Wissenschaft, die Zunahme
des Volkswohlstandes — geben Zeugnis von
dem segensvollen Walten des ersten Deutschen
Kaisers.
Das Jahr 1888, da die ehrwürdige Ge¬
stalt des Begründers des Deutschen Reiches zu
seinen Vätern versammelt wurde, und die Last
der Regierung auf seinen todkranken Sohn
überging, ist eins der trauervollsten in der Ge¬
schichte der Hohenzollern gewesen. Die tragische
Gestalt seines Sohnes, des edlen Kaisers
Friedrich III., dem deutschen Volke als
„Unser Fritz" eine seiner liebsten Gestalten, hat
nur wenige Wochen, (vom 9. März bis 15.
Juni 1888) den deutschen Thron geziert. Eine
unheilbare Krankheit raffte die Siegsriedsgestalt
des Helden von Königgrätz, Weißenfiurg und
Wörth in der Fülle seiner Manneskraft dahin.
Was er gewollt und erstrebt, das hat er in
den langen Jahren seiner Kronprinzenzeit durch
seine Teilnahme an allen künstlerischen, wissen¬
schaftlichen und gewerblichen Bestrebungen so
oft durch die Tat bewiesen. Er begründete das
Kunstgewerbemuseum, die Nationalgalerie und
zahlreiche andere künstlerische Institutionen.
Das Aufblühen des Fortbildungsschulwesens in
Berlin, die Begründung zahlreicher mit seiner
gleichgesinnten Gemahlin unternommener Wohl¬
fahrtsanstalten in Berlin (Kinder- und Säug¬
lingsheime, Vereine zur Förderung des Ge¬
werbefleißes, Ferienkolonien usw.) — das alles
sind Taten, die mit seinem Namen unvergäng¬
lich verknüpft sind.
Und nun sind wir bei dem jüngsten Sproß
in der langen Reihe der Hohenzollern ange¬
langt, dem jetzt regierenden Kaiser Wilhelm II.
In ihm besitzt das deutsche Volk einen Fürsten
von fesselnder Eigenart der Erscheinung, von
scharf ausgeprägten Charaktereigenschaften,
deren hervorstechendste seine ungewöhnliche
Willenskraft ist. Mit diesen Charaktereigen¬
schaften, die glücklich gepaart sind mit großen
Geistes- und Verstandesgaben, hat sich Kaiser
Wilhem II. während seiner ganzen Regierungs¬
zeit als ein außerordentlich erfolgreicher
Herrscher bewährt, als eine machtvolle Persön¬
lichkeit, deren Stimme im Rate der Völker
nicht ungehört verhallt, mit dessen Meinung
die gesamte politische Welt zu rechnen hat.
Durch sein ritterliches, offenes, wahrhaftes
Wesen, seine nimmermüde Arbeit im Dienste
des Vaterlandes und des Volkes, seine von
warmherziger Liebe für die Bedrückten zeugen¬
den Arbeiten der Fürsorgegesetze, hat er alle
Kreise seines Volkes, auch solche, die sich an¬
fänglich nicht in das Denken und Empfinden
des Monarchen hineinzufinden vermochten, in
den Bann seiner eigenartigen Persönlichkeit
hineingezogen.
Daß er diese in seiner Person verkörperte
Machtfülle nicht zu selbstischen Zwecke benutzt,
nicht zu kriegerischem Ruhme, sondern zu fried¬
lichen Eroberungen, zur Festigung der Segnungen
des Friedens, das ist das Eigenartige, das
Große an diesem Charakter gewesen, dessenLauter-
keit nicht nur sein Volk und seine auswärtigen
Bewunderer, ja — bis zum Ausbruch dieses
Krieges — selbst seine jetzigen Feinde nicht An¬
stand genommen hatten, offen anzuerkennen.
Sie taten es halb freiwillig, halb gezwungen
von dem Eindruck seiner starken Persönlichkeit,
die sie heimlich fürchteten und haßten, weil ge¬
rade unter seiner tatkräftigen Regierung
Deutschland angefangen hatte, sich zu dehnen
und zu recken nach allen Seiten und so auf
dem besten Wege war, die Weltherrschaftspläne
Englands und seiner Bundesgenossen bedenklich
einzuengen. Erst nach dem Ausbruch und
während des Verlaufs dieses Krieges, ganz
besonders aber nach den jüngsten Veröffent¬
lichungen der in den belgischen Staatsarchiven
vorgefundenen Papiere des Baron Greindl, hat
sich der ganze Abgrund von Niedertracht, Lüge
und Heuchelei erschlossen, womit man dieEhrlichkeit
und Aufrichtigkeit des deutschen Reichsober¬
hauptes gelohnt hat. Man hat es dem starken,
selbstbewußten Manne nie vergessen, daß er,
um sein Deutschland mächtig, angesehen und
gefürchtet in der Welt zu machen, ein starkes,
schlagbereites Heer und eine Flotte geschaffen,
die erst während dieses Krieges bewiesen hat,
daß sie der Schrecken ihrer Feinde ist.