Full text: 44.1916 (0044)

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gleichzeitig aus dem ehemaligen Gegner Preußens 
der mächtige Bundesgenosse geschaffen, mit dem 
vereint wir heute den furchtbaren Kampf gegen 
halb Europa bestehen. Auf den Schlachtfeldern 
von Frankreich vollzog sich dann im Kugelregen 
die Einigung der deutschen Stämme zu einem 
machtvollen großen Deutschen Reiche unter dem 
greisen Heerführer, der als Kaiser Wilhelm I. 
sich in Versailles die deutsche Kaiserkrone auf 
das ehrwürdige Haupt setzte. In siebzehn 
Friedensjahren hat er dann der Welt gezeigt, 
daß er nicht bloß ein Mann des Schwertes, 
sondern ein Herrscher war, der die Segnungen 
des Friedens über alles stellte. Die beispiellose 
Entwickelung des Handels und Verkehrs, der 
Industrie und Volkswohlfahrt, das Aufblühen 
von Künsten und Wissenschaft, die Zunahme 
des Volkswohlstandes — geben Zeugnis von 
dem segensvollen Walten des ersten Deutschen 
Kaisers. 
Das Jahr 1888, da die ehrwürdige Ge¬ 
stalt des Begründers des Deutschen Reiches zu 
seinen Vätern versammelt wurde, und die Last 
der Regierung auf seinen todkranken Sohn 
überging, ist eins der trauervollsten in der Ge¬ 
schichte der Hohenzollern gewesen. Die tragische 
Gestalt seines Sohnes, des edlen Kaisers 
Friedrich III., dem deutschen Volke als 
„Unser Fritz" eine seiner liebsten Gestalten, hat 
nur wenige Wochen, (vom 9. März bis 15. 
Juni 1888) den deutschen Thron geziert. Eine 
unheilbare Krankheit raffte die Siegsriedsgestalt 
des Helden von Königgrätz, Weißenfiurg und 
Wörth in der Fülle seiner Manneskraft dahin. 
Was er gewollt und erstrebt, das hat er in 
den langen Jahren seiner Kronprinzenzeit durch 
seine Teilnahme an allen künstlerischen, wissen¬ 
schaftlichen und gewerblichen Bestrebungen so 
oft durch die Tat bewiesen. Er begründete das 
Kunstgewerbemuseum, die Nationalgalerie und 
zahlreiche andere künstlerische Institutionen. 
Das Aufblühen des Fortbildungsschulwesens in 
Berlin, die Begründung zahlreicher mit seiner 
gleichgesinnten Gemahlin unternommener Wohl¬ 
fahrtsanstalten in Berlin (Kinder- und Säug¬ 
lingsheime, Vereine zur Förderung des Ge¬ 
werbefleißes, Ferienkolonien usw.) — das alles 
sind Taten, die mit seinem Namen unvergäng¬ 
lich verknüpft sind. 
Und nun sind wir bei dem jüngsten Sproß 
in der langen Reihe der Hohenzollern ange¬ 
langt, dem jetzt regierenden Kaiser Wilhelm II. 
In ihm besitzt das deutsche Volk einen Fürsten 
von fesselnder Eigenart der Erscheinung, von 
scharf ausgeprägten Charaktereigenschaften, 
deren hervorstechendste seine ungewöhnliche 
Willenskraft ist. Mit diesen Charaktereigen¬ 
schaften, die glücklich gepaart sind mit großen 
Geistes- und Verstandesgaben, hat sich Kaiser 
Wilhem II. während seiner ganzen Regierungs¬ 
zeit als ein außerordentlich erfolgreicher 
Herrscher bewährt, als eine machtvolle Persön¬ 
lichkeit, deren Stimme im Rate der Völker 
nicht ungehört verhallt, mit dessen Meinung 
die gesamte politische Welt zu rechnen hat. 
Durch sein ritterliches, offenes, wahrhaftes 
Wesen, seine nimmermüde Arbeit im Dienste 
des Vaterlandes und des Volkes, seine von 
warmherziger Liebe für die Bedrückten zeugen¬ 
den Arbeiten der Fürsorgegesetze, hat er alle 
Kreise seines Volkes, auch solche, die sich an¬ 
fänglich nicht in das Denken und Empfinden 
des Monarchen hineinzufinden vermochten, in 
den Bann seiner eigenartigen Persönlichkeit 
hineingezogen. 
Daß er diese in seiner Person verkörperte 
Machtfülle nicht zu selbstischen Zwecke benutzt, 
nicht zu kriegerischem Ruhme, sondern zu fried¬ 
lichen Eroberungen, zur Festigung der Segnungen 
des Friedens, das ist das Eigenartige, das 
Große an diesem Charakter gewesen, dessenLauter- 
keit nicht nur sein Volk und seine auswärtigen 
Bewunderer, ja — bis zum Ausbruch dieses 
Krieges — selbst seine jetzigen Feinde nicht An¬ 
stand genommen hatten, offen anzuerkennen. 
Sie taten es halb freiwillig, halb gezwungen 
von dem Eindruck seiner starken Persönlichkeit, 
die sie heimlich fürchteten und haßten, weil ge¬ 
rade unter seiner tatkräftigen Regierung 
Deutschland angefangen hatte, sich zu dehnen 
und zu recken nach allen Seiten und so auf 
dem besten Wege war, die Weltherrschaftspläne 
Englands und seiner Bundesgenossen bedenklich 
einzuengen. Erst nach dem Ausbruch und 
während des Verlaufs dieses Krieges, ganz 
besonders aber nach den jüngsten Veröffent¬ 
lichungen der in den belgischen Staatsarchiven 
vorgefundenen Papiere des Baron Greindl, hat 
sich der ganze Abgrund von Niedertracht, Lüge 
und Heuchelei erschlossen, womit man dieEhrlichkeit 
und Aufrichtigkeit des deutschen Reichsober¬ 
hauptes gelohnt hat. Man hat es dem starken, 
selbstbewußten Manne nie vergessen, daß er, 
um sein Deutschland mächtig, angesehen und 
gefürchtet in der Welt zu machen, ein starkes, 
schlagbereites Heer und eine Flotte geschaffen, 
die erst während dieses Krieges bewiesen hat, 
daß sie der Schrecken ihrer Feinde ist.
	        
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