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€in halbes Jahrtausend Robenzollernberrfcbaft.
Zur 500-jäbrigen Jubelfeier
des brandenburg-preußischen Herrschergeschlechts
Von Hermann Müller-Bohn.
Seitdem der erste Hohenzoller vor 500 Jahren
fugendstark und mit eisernem Willen seinen Heer¬
schild klirrend vor die aus tausend Wunden
blutende Mark setzte, seitdem zum ersten Male
der Hohenzollernaar seine Schwingen zum Fluge
in die märkische Kiefernheide ausbreitete, um
dann sein kühnes Auge zu erheben auf alle die
Gauen und Lande, die, unter Slawenjoche
seufzend, förmlich darauf warteten, deutscher
Kultur und deutscher Sitte erschlossen zu werden,
seit diesem denkwürdigen Zeitpunkte datiert ein
neuer Abschnitt in der deutschen Geschichte. Wenn
wir daran denken, daß vor 500 Jahren die
Berufung der Hohenzollern in die Mark Branden¬
burg sich geradezu als Rettung des deutschen
Lebens aus höchster Not erwies, wenn wir dann
zurückblicken auf die lange Reihe edler und hoch-
sinniger Fürsten, die, aus den bescheidensten An¬
sängen schlichter Markgrafen, unter schweren
Kämpfen und eiserner Arbeit sich emporent¬
wickelt haben — über den Kurfürstenhut und
die Königskrone hinaus — bis zun: mächtigen
Schutzherrn des gesamten Deutschen Reiches,
dem machtvollen Träger der alten deutschen
Kaiserkrone, die jetzt in diesem furchtbaren Völker¬
ringen gegen eine Welt von Feinden sich siegreich
behauptet, dann — so müssen wir ehrfürchtig
bekennen — dann glauben wir nicht mehr an
einen „historischen Zufall"; wir müssen es dank¬
baren Herzens einsehen, das waltende Schicksal,
der weise Wille des allmächtigen Weltregierers
hat vor 5OO Jahren mit gutem Vorbedacht die
damals fast unbekannten alemannischen Grafen
in die nordische Urheimat der Germanen zurück¬
berufen, um ihnen eine Aufgabe zu stellen, wie
sie noch niemals während des Verlaufs der
Weltgeschichte einem Fürstengeschlecht gestellt
worden ist.
Wenn ein mächtiger Eichbaum so lange
Jahrhunderte in Sonnenschein und Wettersturm
sich bewährt hat, so hat er nicht nur seine Krone
gewaltig ausgedehnt, sondern tief auch seine
Wurzeln in den Boden gesenkt, fest verwachsen
mit ihm durch tausend Lebensfäden, daß kein
Orkan ihn entwurzeln kann. Die arme, verachtete
Mark Brandenburg war dieser Urboden gewesen,
uuf dem sich die welthistorischen Geschicke des
(Mit einer Kunstdruckbeilage.)
späteren halben Jahrtausend deutscher Geschichte
zumeist abspielte, aus dem die Kraft der
Kultur in wunderbarer Weise erwachsen sollte.
Und was für ein Boden war es vor 500
Jahren! „Des Heiligen Römischen Reiches
Streusandbüchse", so nanüte man spöttischerweise
im Mittelalter und auch noch in späteren Jahren
die Mark Brandenburg draußen im Reiche.
Sie war von allen deutschen Ländern am längsten
eine terra incognita (ein unbekanntes Land)
gewesen. Was die rvenigen Chronisten und
Reisenden, die die Mark in altersgrauer Vorzeit
besuchten, darüber zu sagen wußten, das drang
nicht weit hinaus. Man wußte im Reiche Jahr¬
hunderte nichts von dem Zauber ihrer ver¬
schlafenen Kiefernwälder, in deren wunderlich
geformten Wipfeln die Krähe horstet, durch
deren schwermütige Stille des Hähers schriller
Schrei ertönt; von dem eigenartigen Reiz ihrer
träumerischen Seen, in deren verschwiegenen,
schilfverwachsenen Buchten der Rohrsänger sein
seltsames Lied ertönen läßt und die Frösche ein
still verträumtes Leben dahindämmern. Sie war
mit ihren stillverschlossenen Reizen ihren schöneren
koketten Schwestern, den westlichen Nachbar¬
ländern gegenüber, ja immer das verachtete
Aschenbrödel des Reiches gewesen.
Die deutschen Kaiser, ihrer übergroßen Mehr¬
heit nach, hatten die Mark vernachlässigt; sie
jagten im sonnigen Süden der glänzenden Fata-
morgana der deutschen Kaiserkrone nach und
verzettelten darüber ihre Kräfte. Nur Kaiser,
die — wie Karl der Große, Heinrich I. und
Otto I. — geborene Kolonisatoren waren, mit
einer fast hellseherischen Begabung ihrer Zeit
um Jahrhunderte voraus, hatten die günstige
zentrale Lage des Landes zwischen Elbe und
Oder und seine Bedeutung als Kern des Deutschen
Reiches wohl erkannt. Unter ihnen war die
Mark auch immer ein gut Stück vorwärts
gekommen. Sie alle hatten sie als Stützpunkt
für ihre Germanisierungsversuche inmitten der
Heiden und Slawen und zur Ausbreitung des
Christentums benutzt. Die Bistümer Havelberg
und Brandenburg geben Kunde davon. Die
askanischen Markgrafen, allen voran Albrecht
der Bär, hatten die erste Kulturarbeit getan.