Full text: 44.1916 (0044)

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€in halbes Jahrtausend Robenzollernberrfcbaft. 
Zur 500-jäbrigen Jubelfeier 
des brandenburg-preußischen Herrschergeschlechts 
Von Hermann Müller-Bohn. 
Seitdem der erste Hohenzoller vor 500 Jahren 
fugendstark und mit eisernem Willen seinen Heer¬ 
schild klirrend vor die aus tausend Wunden 
blutende Mark setzte, seitdem zum ersten Male 
der Hohenzollernaar seine Schwingen zum Fluge 
in die märkische Kiefernheide ausbreitete, um 
dann sein kühnes Auge zu erheben auf alle die 
Gauen und Lande, die, unter Slawenjoche 
seufzend, förmlich darauf warteten, deutscher 
Kultur und deutscher Sitte erschlossen zu werden, 
seit diesem denkwürdigen Zeitpunkte datiert ein 
neuer Abschnitt in der deutschen Geschichte. Wenn 
wir daran denken, daß vor 500 Jahren die 
Berufung der Hohenzollern in die Mark Branden¬ 
burg sich geradezu als Rettung des deutschen 
Lebens aus höchster Not erwies, wenn wir dann 
zurückblicken auf die lange Reihe edler und hoch- 
sinniger Fürsten, die, aus den bescheidensten An¬ 
sängen schlichter Markgrafen, unter schweren 
Kämpfen und eiserner Arbeit sich emporent¬ 
wickelt haben — über den Kurfürstenhut und 
die Königskrone hinaus — bis zun: mächtigen 
Schutzherrn des gesamten Deutschen Reiches, 
dem machtvollen Träger der alten deutschen 
Kaiserkrone, die jetzt in diesem furchtbaren Völker¬ 
ringen gegen eine Welt von Feinden sich siegreich 
behauptet, dann — so müssen wir ehrfürchtig 
bekennen — dann glauben wir nicht mehr an 
einen „historischen Zufall"; wir müssen es dank¬ 
baren Herzens einsehen, das waltende Schicksal, 
der weise Wille des allmächtigen Weltregierers 
hat vor 5OO Jahren mit gutem Vorbedacht die 
damals fast unbekannten alemannischen Grafen 
in die nordische Urheimat der Germanen zurück¬ 
berufen, um ihnen eine Aufgabe zu stellen, wie 
sie noch niemals während des Verlaufs der 
Weltgeschichte einem Fürstengeschlecht gestellt 
worden ist. 
Wenn ein mächtiger Eichbaum so lange 
Jahrhunderte in Sonnenschein und Wettersturm 
sich bewährt hat, so hat er nicht nur seine Krone 
gewaltig ausgedehnt, sondern tief auch seine 
Wurzeln in den Boden gesenkt, fest verwachsen 
mit ihm durch tausend Lebensfäden, daß kein 
Orkan ihn entwurzeln kann. Die arme, verachtete 
Mark Brandenburg war dieser Urboden gewesen, 
uuf dem sich die welthistorischen Geschicke des 
(Mit einer Kunstdruckbeilage.) 
späteren halben Jahrtausend deutscher Geschichte 
zumeist abspielte, aus dem die Kraft der 
Kultur in wunderbarer Weise erwachsen sollte. 
Und was für ein Boden war es vor 500 
Jahren! „Des Heiligen Römischen Reiches 
Streusandbüchse", so nanüte man spöttischerweise 
im Mittelalter und auch noch in späteren Jahren 
die Mark Brandenburg draußen im Reiche. 
Sie war von allen deutschen Ländern am längsten 
eine terra incognita (ein unbekanntes Land) 
gewesen. Was die rvenigen Chronisten und 
Reisenden, die die Mark in altersgrauer Vorzeit 
besuchten, darüber zu sagen wußten, das drang 
nicht weit hinaus. Man wußte im Reiche Jahr¬ 
hunderte nichts von dem Zauber ihrer ver¬ 
schlafenen Kiefernwälder, in deren wunderlich 
geformten Wipfeln die Krähe horstet, durch 
deren schwermütige Stille des Hähers schriller 
Schrei ertönt; von dem eigenartigen Reiz ihrer 
träumerischen Seen, in deren verschwiegenen, 
schilfverwachsenen Buchten der Rohrsänger sein 
seltsames Lied ertönen läßt und die Frösche ein 
still verträumtes Leben dahindämmern. Sie war 
mit ihren stillverschlossenen Reizen ihren schöneren 
koketten Schwestern, den westlichen Nachbar¬ 
ländern gegenüber, ja immer das verachtete 
Aschenbrödel des Reiches gewesen. 
Die deutschen Kaiser, ihrer übergroßen Mehr¬ 
heit nach, hatten die Mark vernachlässigt; sie 
jagten im sonnigen Süden der glänzenden Fata- 
morgana der deutschen Kaiserkrone nach und 
verzettelten darüber ihre Kräfte. Nur Kaiser, 
die — wie Karl der Große, Heinrich I. und 
Otto I. — geborene Kolonisatoren waren, mit 
einer fast hellseherischen Begabung ihrer Zeit 
um Jahrhunderte voraus, hatten die günstige 
zentrale Lage des Landes zwischen Elbe und 
Oder und seine Bedeutung als Kern des Deutschen 
Reiches wohl erkannt. Unter ihnen war die 
Mark auch immer ein gut Stück vorwärts 
gekommen. Sie alle hatten sie als Stützpunkt 
für ihre Germanisierungsversuche inmitten der 
Heiden und Slawen und zur Ausbreitung des 
Christentums benutzt. Die Bistümer Havelberg 
und Brandenburg geben Kunde davon. Die 
askanischen Markgrafen, allen voran Albrecht 
der Bär, hatten die erste Kulturarbeit getan.
	        
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