Full text: 43.1915 (0043)

Am 8. ITtai tstiq durfte die edle, in allen Kreisen 
hochgeschätzte Frau ihren 75. Geburtstag begehen, deren 
Namen man immer in erster Reihe nennen wird, wo 
man der Werke christlicher Nächstenliebe und sozialer 
Fürsorge gedenkt: Freifrau Ida von Stumm» 
Halb erg. Alle Kreise von den Spitzen der 
politischen und militärischen Behörden an bis zu dem 
schlichten Hüttenarbeiter herab beteiligten sich an der 
Feier dieses denkwürdigen Tages, und so zeigte es sich 
bei dieser Gelegenheit, daß ihr edles wirken aus dem 
Gebiet der Wohltätigkeit nicht nur in allen Kreisen 
volle Anerkennung gefunden, sondern auch eine reiche 
Frucht der Dankbarkeit ge¬ 
tragen hat. 
Freifrau Ida von 
Stumm-Halberg ist anr 
8. Mai \ 839 Zu Asbacher. 
Hütte als Tochter des 
Kommerzienrates Rudolf 
Böcking geboren. Der 
Hunsrück ist also ihre Hei¬ 
mat, und hier hat sie in 
einem Llternhause, in dem 
nicht bloß der Geist ernster 
Schaffensfreudigkeit gepstegt 
wurde, das auch von sonni¬ 
gem Humor erfüllt war, eine 
glückliche Jugendzeit in 
ihrem Geschwisterkreis ver¬ 
lebt. In die breitere Öffent¬ 
lichkeit trat sie hervor, nach¬ 
dem sie sich am Mai ^860 
mit Tarl Ferdinand 
Stumm vermählt hatte, 
dem Wanne, den man den 
Schöpfer der Eisen- 
großindustrie im süd - 
westlichen Deutschland 
nennen kann, der nicht bloß 
für die engere rheinische 
Heimat eine große Be¬ 
deutung gehabt hat, der auch 
zu jenen hervorragenden 
Männern gehörte, die ihrein 
Wirkungskreise das Gepräge 
ihres Wesens, ihres Tharak- 
ters zu geben verstehen. In jungen Jahren schon trat 
ihr Gatte ins parlamentarische Leben, er war bereits 
in den norddeutschen Reichstag gewählt worden, und hier 
ist er nicht bloß als ein wann von klarern, nüchternen: 
Urteil, von starkem willen und warmem Herzen, sondern 
auch bald ein einflußreicher Parteiführer geworden. Seine 
Person, sein Name wurde ein Programm, und die 
Spuren seiner parlamentarischen und außerparlamen¬ 
tarischen Wirksamkeit sind unauslöschlich in die Geschichte 
der ersten Jahrzehnte des neuen deutschen Reiches ein¬ 
gegraben. Der Fürst Bismarck hat an ihm eine 
starke Stütze gehabt bei den wegen, die er auf wirt¬ 
schaftlichem und sozialem Gebiete gegangen ist. Hier¬ 
durch wurde nun auch seine jugendliche Gattin in die 
Kreise des Hofes, der Regierung und des Parlaments 
gezogen, wo ihr Gatte viele freunde befaß, und jähr¬ 
lich verlebte sie mit ihn: mehrere Monate in der 
Reichshauptstadt, selbst auf's höchste interessiert für die 
politischen und sozialen Kämpfe, in denen ihr Gemahl 
stand. Lange ehe man im deutschen Reichstag die 
Sozialgesetzgebung in Angriff nahm, hatte dieser 
schon auf seinen industriellen Werken die Fürsorge 
für seine Arbeiterschaft in die Hand genommen, 
und hierin fand er nun bei seiner Gattin eine ver¬ 
ständnisvolle Gehilfin, zunächst in Neunkirchen, das 
seit ihrer Vermählung ihre Heimat geworden war. 
Hier hat sie mit jenen Werken helfender, fürsorgender 
Barmherzigkeit begonnen, die ihrem späteren Leben 
das besondere Gepräge gegeben haben. Damals hatte das 
Neunkirchencr Hüttenwerk 
bei weitem nicht die Aus¬ 
dehnung wie heute. So sind 
auch die dortigen Wohl¬ 
tätig ke i ts anstalte n und 
Wohlfahrtseinrichtun¬ 
gen erst nach und nach ent¬ 
standen und mehr und mehr 
gewachsen. Die Hütten- 
schule wurde ein Mittel¬ 
punkt sozialer Fürsorge, der 
Armen- und Kranken¬ 
pflege in den Familien der 
Hüttenleute, der Pflege 
d e r I u g e n d, von den ganz 
Kleinen an bis zu den bereits 
schulentlassenen Mädchen, 
das Viktoriahospital 
wurde erbaut und mit den 
Jahren erweitert, und zuletzt, 
als Freiherr v. Stumm schon 
die Augen geschlossen hatte, 
das Karl-Ferdinand- 
Haus zur Versorgung der 
Witwen und Waisen von 
Hüttenarbeitern errichtet. 
Die Seele aber von all diesen 
Anstalten, die sich um alles 
kümmerte, und wo Neuerun¬ 
gen sich als notwendig er¬ 
wiesen, mit offener Hand 
förderte, war Freifrau von 
Stumm. 
Besondere Gelegenheit zu 
eifriger Arbeit in Werken helfender, pflegender Nächsten¬ 
liebe brachte das Kriegsjahr \870. Da war es von 
Wichtigkeit daß :n der Nähe der Grenze Hospitäler 
eingerichtet wurden, wo den Verwundeten die erste 
pflege zuteil wurde. Die jugendfrische Gattin des 
Neunkirchener Großindustriellen griff da mit energischer 
Hand zu und sammelte nicht bloß die Frauen um sich 
zur Herstellung von Verbandzeug, sondern sie richtete 
auch ein Lazarett für die Verwundeten in ihrem Hause 
ein. AIs Anerkennung für diese Tätigkeit im Dienste 
des Vaterlandes erhielt sie die Kriegsmedaille \870. 
Das Kriegsjahr stellte wieder die Wichtigkeit der vater¬ 
ländischen Frauen-Vereine vo:n Roten Kreuz in's helle 
Licht. Auch dieser Sache hat sich Freifrau votl Stumm 
mit warmem Herzen angenommen, und sie brachte den 
Neunkirchener Vaterländischen Frauen-Verein 
zu hoherBIüte, dessen Vorsitzende sie bis heute geblieben ist.
	        
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