Full text: 43.1915 (0043)

Fremdherrschaft — die Saarlande waren 
seit 1793 bei Frankreich gewesen — hatte 
die Liebe zum gemeinsamen Vaterlande nicht 
erstickt. Die neuen Waffentaten der Verbün¬ 
deten erfüllten die Bewohner links des Rheins 
mit großer Freude und mit neuen Hoffnungen 
auf die baldige Wiedervereinigung mit dem 
Mutterlande. Und als der Sieg Blüchers bei 
La Rochiere in Saarbrücken bekannt wurde, 
flammten aller Orten die Freudenfeuer aus. 
Justus von Grüner tat alles, um diesen 
patriotischen Sinn zu pflegen. Er entließ kurzer 
Hand den französisch ge¬ 
sinnten Oberbürgermeister 
Sebastian Bach aus seinem 
Amte und setzte an fei e 
Stelle einen Mann, der 
um Saarbrücken und die 
Wiedergewinnung der 
Saarlande für Deutsch¬ 
land in der Folge sich die 
allergrößten Verdienste er¬ 
ringen sollte, den Stadt - 
rat und Kaufmann, 
späteren Oberbergrat 
Heinrich Bücking. Un¬ 
ablässig war Grüner tätig. 
Ein patriotischer Verein 
trat zusammen, der eifrig 
gegen alles Welschtum ar¬ 
beitete; ein Landesoberaus¬ 
schuß wurde gebildet, dessen 
Präsident Böcking selbst 
wurde. Überall fand dieser 
aufopferungsvolle Marin 
das größte Verständnis- 
für seine Pläne. 
Inzwischen hatten die 
Verbündeten ihren Sieges¬ 
zug auf Paris fortgesetzt und waren arn 
31. März 1814 in die französische Hauptstadt 
eingezogen. Überall in Deutschland, vor allem 
auch in den Saarbrücker Landen, jubelte rnan 
über dies Ereignis. Bald aber drang eine 
Kunde hierher, die mail zuerst nicht glauben 
wollte, die aber immer sicherer auftrat: die 
Saarbrücker Lande sollten bei Frankreich 
bleiben. Obgleich Justus von Grüner am 
17. April eine Bekanntmachung erließ, worin 
er die Bewohner der Saarlande mit der Ver¬ 
sicherung zu beruhigen suchte, daß es der Wille 
der verbündeten Monarchen sei, daß alle 
Deutschen mit Deutschland vereinigt bleiben 
sollten, so behielt doch wieder die hohe Diplo¬ 
Obrrdrrgrat Heinrich Bücking 
matie die Oberhand, und die Federn verdarben, 
was das Schwert gewonnen. Das Unglaub¬ 
liche geschah: Dem ersten Pariser Frieden zufolge 
(30. Mai 1814) sollte die neue Grenze 
Frankreichs und Deutschlands über den 
„Bildstock" gehen, das hieß mit anderen 
Worten, daß die Mehrzahl der Kohlen¬ 
gruben bei Frankreich verblieb. „In dem 
Saardepartement", so hieß es in dem be¬ 
treffenden Friedensartikel, „bleiben bei Frank¬ 
reich die Kantone Saarbrücken und Arnual und 
ein Teil des Kantons Lebach, welcher südlich 
von einer Linie liegt, die 
längs denDörfernHerchen- 
bach, Überhofen, Hilschbach 
und Holz (diese Orte aus 
dem französischen Gebiet 
ausschließend) fortläuft, 
bis zu dem Punkte, wo 
bei Quierschied, welches 
Frankreich verbleibt, die 
Scheidungslinie zwischen 
den Kantonen Arnual und 
Ottweiler (am Bildstock) 
die zwischen den Kantonen 
St. Arnual und Lebach sich 
hinziehende erreicht. Von 
da an, wo jene Linie auf¬ 
hört, folgt die Grenze der 
Scheidungslinie des Kan¬ 
tons St. Arnual und des 
Kantons Blieskastel." 
Ein Schrei der Ent¬ 
rüstung ging durch die 
ganzen Saarlande. Man 
hielt es geradezu für treu¬ 
los, die treugesinnten 
deutschen Lande so 
ohne weiteres an 
Frankreich zurückzugeben. Je genauer man 
zu wissen glaubte, daß dies vor allen Di, gen 
das Werk des verschlagenen Ministers Talleyrand 
war, von dem es feststand, daß er an den 
zahlreichen Salinen mit zwei Millionen Francs 
beteiligt war, umsoweniger konnte das patriotische 
Gefühl des Volkes es sich erklären, daß die 
verbündeten Regierungen dieses geschehen lassen 
und die treu gesinnten deutschen Lande so schnell 
fallen lassen konnten. 
In ganz Deutschland hatte man 
inniges Mitgefühl mit den Bewohnern 
der Saarlande. Der Name Saarbrücken 
war damals in aller Munde. Joseph Görres, 
damals Deutschlands schwungvollster und
	        
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