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leistete mehrere Jahre hindurch namhaste Zuschüsse,
sah sich aber doch schließlich genötigt, die Fabrik in
eine weniger teure und einträglichere Steingutsabrik
zu verwandeln. So wurde die bisher gewerblich so
stille Grafschaft Saarbrücken ein wahrer Industriestaat.
Freilich war die Entwicklung zu schnell gegangen, und
manches erwies sich in der Folge als nicht lebensfähig,
aber es blieb doch noch reichliche Frucht. Kein Ge¬
ringerer als Göthe hat die Verdienste Wilhelm Heinrichs
anerkannt.
Als der junge
Dichter im
Sommer 1770
von Stra߬
burg aus zum
Besuche des
Präsidenten
von Günde-
rode, eines ge¬
borenen
Frankfurters,
in Saar¬
brücken ein¬
traf. erschien
ihm die kleine
Residenz wie
ein lichter
Punkt in dem
felsig-wal¬
digen Lande?)
Er besuchte die
Sensenschmie¬
de und den
Drahtzug, das
Alaunwerk
und die Harz¬
hütte bei Dud-
weiler, die
Steinkohlen-
grttben und
den „brennen¬
den Berg", die
Friedrichs¬
thaler Glas¬
hütte und das
Neunkirchen er
Werk, wo „die
funkenwersen-
den Essen ihr
lustigesFeuer-
werk ihm ent¬
gegen¬
spielten"
Dieser Saar¬
brücker Be¬
such ist für
Göthes wei¬
tere Entwick¬
lung sehr be¬
deutungsvoll
gewesen. Der Dichter bekennt selbst, hier in Saarbrücken
zuerst zu den ökonomischen und technischen Betrachtungen
angeregt worden zu sein, die ihn fortan sehr beschäftigten.
Verdienste Wilhelm Heinrichs um das Kleinge-
w e r b e und die geistige Bildung seiner Unkertanen
ausführlich darzustellen, würde zu weit führen. Es
gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen Lebens, auf das
9 Göthe. Wahrheit und Dichtung, 10. Buch.
Grabdenkmal des Fürsten Wilhelm Heinrich in der Schloßkirche zu Saarbrücken
er nicht in heilsamer und fördernder Weise einzunurkem
suchte. Davon zeugen an 400 Verordnungen und Re¬
gierungserlaffe. zum Teil von bedeutendem Umfang,
die unter ihm ergangen sind. Gegen Trunksucht, Spiel,.
Bettelei und Unzucht wurde streng eingeschritten und
die Prozeßsucht bekämpft. „Schelme" wurden in einen
Karren gespannt und mußten die Straßen reinigen
Selbst einem fürstlichen Rat soll dieses Schicksal nicht
erspart geblieben sein. "Auf religiösem Gebiete übte
der Fürstweit-
gehende Dul¬
dung. Nicht
nur Luthera¬
ner, sondern
auch Refor-
mierle und
Katholiken
wurden mit
freigebiger
tand beilhren
irchenbauten
unterstützt.
Wenn im
übrigen das
Leben der
Untertanen
damals in enge
Fesseln ge¬
schlagen war,
die uns heute
unerträglich
scheinen wür¬
den, so lag
dies im Cha¬
rakter der Zeit
des „aufge¬
klärten Abso¬
lutismus".
Der Fürst war
jedenfalls auf¬
richtig bestrebt,
das Woh
seiner Unter¬
tanen zu för¬
dern. »Aus
fürstlicher und
landesväter-
lichcr Sorg¬
falt für die
Wohlfahrt
unserer ge¬
treuen undvon
Gott uns an¬
vertrauten
Untertanen"
erließ er seine
Verord¬
nungen. „Die¬
weil wir unser
'Augenmerk
ohne ermüdet auf daS wahre Beste des Public und
unserer getreuen Untertanen gerichtet", heißt es an
einer anderen Stelle. Vor einer Reise nach Paris
trug er seinen Räten auf, falls er zum Besten oder
Nutzen seiner Untertanen etwas vergessen hätte, so
sollten sie sich an seinen Platz stellen und alles hervor¬
suchen, was zur Aufnahme seines Landes förderlich
und nützlich sein könnte. Wenn die Untertanen durch.