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bläser jedoch, Franz Keil mit seinem sterblichen Namen,
stand wie vom Schreck gelähmt, tast durchbohrt von
den Blicken des Kapellmeisters. O, was hatte er da
angerichtet! Ter Eindruck der Rede, das ganze Fest
war gestört; die Ungnade der Vorgesetzten und vor
allem diejenige des Kapellmeisters war ihm sicher. Fahr
wohl, Probesolo, fahrt wohl, alle Hoffnungen und
Luftschlösser! Der Herr Berghauptmann redete weiter,
erst das brausende Hoch auf den obersten Bergherrn
brachte unsern Franz wieder zu sich.
Nach einiger Zeit, während welcher der wütende
Kapellmeister dem unvorsichtigen Franz einen Dämlak,
ein musikalisches Hornvieh und dergleichen Kosenamen
mehr an den Kopf geworfen hatte, wurde Franz zum
neuen Schreck vor den Berghauptmann befohlen.
„Na, mein Lieber," begann der Herr freundlich.
„So feige, wie Sie das heut durch Ihr Instrument
kund taten, sehen Sie eigentlich nicht aus. Sagen Sie
nial offen, Sie haben wohl auf meine Rede nicht ge¬
hört?" Mit der Liebenswürdigkeit des hohen Herrn
war auch Franzens Beklemmung geschwunden; und er
erzählte alles, wie es sich zugetragen und was er aus
dem Herzen hatte: von seinem sehnlichsten Wunsche,
von der Versuchung, während der Rede sein Solo zu
probieren usw. Bei diesem offenherzigen Berichte
lächelte der Berghauptmann ganz vergnüglich; und als
gar noch der Bergwerksdirektor bemerkte, daß Franz
sich vor seiner Militärzeit bei einem Grubenbrande
rühmlichst hervorgetan hätte, klopfte der hohe Herr dem
unfreiwilligen Attentäter auf die Schulter und sagte:
„Ihnen kann ich also den Zwischenfall nicht übelnehmen,
sondern dem ungebärdigen Helikon; aber zur Strafe
dafür — soll dieses Instrument in Ihre Gewalt ge¬
geben werden, damit Sie ihm ordentlich auf den Leib
rücken können."
Das war der Knalleffekt vom „Probesolo"; und
beim nächsten Bergfeste stolzierte unser Franz Keil
als wohlbestallter Helikonbläser in der Grubenkapelle
und blies den „Glückausmarsch" ebenso sicher wie die
andern.
König Wilhelm und der Pommersche Grenadier.
Seine Erlebnisse in der Schlacht bei Cham-
pigny am 2. Dezember 1870 erzählt ein biederer
Pommer folgendermaßen: Wir gingen, so sagt er,
am 2. Dezember 1870 gegen Champigny vor, ich kam
in einen kleinen Graben, und feuerte gelassen auf den
Feind. Da läßt der Oberst das Zeichen zum Zurück¬
gehen geben. Ich denke aber: „Erst verschießt du deine
Patronen, bann hast du noch immer Zeit znm Zurück¬
gehen!" Wie ich im besten Schießen bin, kommt ein
Adjutant angesprengt und schreit aus vollem Halse:
„Zurück!" „Ach, was," antworte ich, „ich will erst
noch die Hand voll Patronen da verschießen!" Als
ich nun die letzte Patrone im Laufe habe, waren die
Franzosen keine zwanzig Schritt mehr von mir ent¬
fernt. Jetzt springe ich auf und laufe immer hinter
meinem Regiment her. Die Kugeln sausen wie Hagel¬
wetter über meinem Kopf, aber treffen tut mich keine.
Als ich endlich eingetreten war, konimt der Oberst auf
mich herangeritten, lacht und sagt: „Kerl, sind denn
wirklich Deine Knochen noch heil?" „Zu Befehl, Herr
Oberst!" sage ich. Am nächsten Tage werde ich zu
Sr. Majestät besohlen. Man führt mich vor sein
Haus, und ich komme zuerst in einen Saal, wo eine
große Tafel gedeckt stand. Jetzt kommt der König auf
mich los, sieht mich freundlich an und sagt zu mir:
„Mein Sohn, wie war die Geschichte gestern nun mit
Deinen Patronen? Erzähle mir einmal ganz genau,
was Du darüber weißt!" Ich sagte: „Ew. Majestät,
zum Komplimentemachen war keine Zeit, und man
tonnte auch vor dem Geknalle sein eigenes Wort nicht
hören; da habe ich mich bloß umgedreht und gerufen:
Ach was, ich verschieße erst noch meine Patronen hier!
Das ist das Ganze gewesen, Ew. Majestät, weiter
habe ich nichts verbrochen!" Da lachte der König
übers ganze Gesicht und hat mich auf die Schulter
geklopft und gesagt: „Das hast Tu brav gemacht, mein
Sohn! Hast Du schon zu Mittag gegessen?" — „Nein,
Majestät, ich bin noch mundnüchtern." — „Und hast
wohl tüchtigen Hunger?" — „Zu Befehl", sage ich,
„aber der Durst ist auch nicht schlecht." Ta lachte
der König wieder und sagte, dann solle ich bei ihm
mitessen. Ich mußte mich an die Tafel setzen, und
ehe ich mich versehe, habe ich einen großen Teller
Erbssuppe vor mir. Na, denke ich, die ist nicht von
Berliner Erbswurst gemacht. Sie schmeckt mir heute
noch gut. Als ich fertig war, ruft der König über
den Tisch: „Möchtest wohl noch etwas Suppe haben,
mein Sohn?" — „Zu Befehl, Majestät, wenn noch
ein bißchbn da ist!" Da lachten die Herrschaften alle,
und ich bekam einen neuen Teller mit Suppe. Wie
ich im besten Essen bin, geht die Tür auf und ein
mächtiger Braten wird auf einen neben mir stehenden
Tisch gesetzt. Ein Herr tritt an die Schüssel und
säbelt Stück auf Stück von dem Braten herunter.
Bald darauf reicht mir so ein Kammerdiener eine
Schüssel hin, die der Herr am Nebentische eben wieder
bis an den Rand voll von dem großen Braten herunter¬
gesäbelt hatte. Ich nehme die Schüssel' in meine beiden
Hände und sehe sie vor mich hin. — Sieh, denke,ich,
der hat's mir bequem gemacht! Ich fange also^an,
tüchtig drauf los zu essen und nehme auch dem Feld¬
jäger so ein Schälchen mit Kartoffeln ab und stelle es
neben meine Schüssel. Da sehen mich alle am ganzen
Tische mit großen Augen an, der König aber lachte
und sagte: „Brav, mein Sohn, laß es Dir gut schmecken
und vergiß das Trinken nicht." Wie ich nun die
Schüssel rein abgeputzt habe, fragte der König wieder:
„Mein Sohn, möchtest wohl noch' ein Stückchen Braten
haben?" Ich lachte Se. Majestät an, und es fuhr
mir so heraus: „Zu Befehl, Ew. Majestät, wenn noch
ein bißchen da ist." Da platzte die ganze Gesellschaft
laut los vor Lachen, und unser lieber König lachte
auch, daß er sich die Seiten hielt und sagte: „Nein,
nein! Laß gut sein, mein Sohn, für heute ist es genug.
Ich bin mit Dir zufrieden, jetzt kommt ein anderes
Gericht znm Nachtisch." — Dabei winkte er einem
Herrn, der neben ihm saß. Der stand aus, kam au
mich zu und hing mir das Kreuz an die Brust. — So
habe ich mir mein Kreuz durch ehrliches Ein¬
hauen v er di ent.
Das ist das schönste Amt der Geister, Oie Natur hat der Frau gesagte „Sei schön. Des Menschen pirn faßt so
Daß jeder als ein kleiner Meister wenn Du kannst; weise, wenn Du willst; Unendlich viel, und ist doch manchmal auch
Für's große Allgemeine wirkt. aber sei gerecht, das ist durchaus nötig " So plötzlich voll von einer Kleinigkeit!