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Glückauf! zum neuen Jahre 1905.
f^edesmal, wenn in bei Kylvesternacht auf
den Kirchtürmen der Weiser der Uhr
vorrückt, um die letzte Ktunde des. Wahres
anzuzeigen, und aus dem dunklen Kchoße der
Zeiten bei weihevollem Glockengeläute ein
neues Jahr emporsteigt, wird bei allem Jubel
und fröhlichem Becherklange, mit dem die
Menschen gemeinhin sich über den Ernst dieses
wichtigen Zeitabschnittes hinwegzutäuschen
pflegen, in unserem Znneren eine leise inahnende
Klimme vernehmbar, die uns zuruft: Balt
Einkehr in dich selbst! £afj an deinem Geiste
vorüberziehen, was die Vergangenheit dir bot,
sei dankbar gegen dieselbe, auch wenn P>rü-
sungen dir beschieden waren, und blicke ge¬
trost und voller Zuversicht tu die Zukunst I
Gott wird alles wohl machen!
Za, nicht anders darf es beim Zahres-
wechsel im Kerzen des Bergmanns bestellt sein,
als just immer zu der Zeit, da er früh
morgens einfährt in den tiefen Kchacht! Nimmer
wird der gottesfürchtige Knappe es tun ohne
ein stilles Gebet für sich und die Keinen. Denn
wenn auch alle Vorkehrungen für ihn ge¬
troffen worden sind, um nach menschlicher
Voraussicht ihn während der Kchicht vor Un¬
heil zu bewahren, — irgettd ein nicht er¬
wartetes unglückliches Ereignis kann ihtt doch
um Gesundheit und Leben bringen, und mit
Kicherheit vermag er nie zu behaupten, ob er
das Licht des Tages jemals wiedersehen wird.
Darum Glück aus!, ihr lieben Berg¬
leute, auch für das Neujahr Z9O5. Möge
euch und uns alle Gott auch fürderhin in
seinen Kchutz nehmen.
Za fürwahr, ebenso wie ein finsterer K tollen,
noch dazu ein frisch angehauener, ist der Be¬
ginn des neuen Zahres, in das wir alle mit
tausend neuen Hoffnungen und Platten ein¬
treten. Dunkel wie der tiefe Kchacht liegt es
vor uns, und wir wissen nicht, was die gött¬
liche Vorsehung uns in Zukunft beschieden hat.
Wohl utts, wetttt wir dann dem Mahnen der
geheimen Klimme Gehör schenken uttd am
Neujahrs tage voller Dattk für all das
Gute, was utts auch das vergangene Zahr
gebracht, mit frischem Mute uttd mit festem
Vorsatze, in jedem Halle, wie es auch kommen
möge, unsere Pflicht zu tun, in das tteue hittein¬
wandeln!
Kchwer uttd gewichtig sind allerdings die
Pflichten, die utts obliegen, aber könnten sie
ehrenvoller fein? Und dürfen insbesondere
wir Bergleute int Kaarrevier nicht glücklich
sein und stolz aus unseren Berus? Baben
gerade wir nicht allen Grund zur Zufriedenheit
mit unserem Ktande, mit unsern Lebensbe¬
dingungen ? Kind diese mit der Ausdehnung
des Bergbaues nicht von Zahr zu Zahr bessere
geworden, bessere, trotz der Unkettruse gewisser
Dunkelmänner und vaterlandsloser Gesellen,
die uns immer wieder glauben machen wollen,
daß wir Bergleute des Kaargebietes ein
Kklavenleben führen, daß wir Hungerlöhne
beziehen uttd geknechtet sind? Zenen Kchreiertt
und Hetzern ist das Handwerk gründlich gelegt