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Allerlei. Alt und neu, Hcher; und Ernſft.
König und Schildwache. Unter den Nachlaßpapieren
des kürzlich in Neisse verstorbenen ehemaligen Garde-Huſaren
K . . . finden wir das nachstehende über einen Zug aus dem
Leben des Königs Friedrich Wilhelm IV. getreulich aufge-
zeichnet. Um die Mitte der fünfziger Jahre standen in einer
Juninacht der Erzähler und ein anderer Garde-Huſar, ein
Brandenburger, als Schildwachen vor der im Park von
Sansſouci belegenen Sommer-Residenz des damaligen Königs,
dem Schlößchen Charlottenhof, an deſſen Fenstern kein Licht
mehr ſichtbar war. Der Brandenburger erzählte weinend
ſeinem Kameraden, daß er am vorhergegangenen Morgen
von Hauſe die Nachricht erhalten, ſeine Mutter liege auf
dem Sterbebette und verlange ſehnſüchtig, ihn noch einmal
zu ſehen. Er habe ſofort ſeinen Rittmeiſter um Urlaub ge-
beten, aber die Antwort erhalten, daß nach einem vor kurzem
vom Könige erlaſſenen Befehle wegen des bevorſtehenden
Manövers jetzt kein Urlaub erteilt werden ſolle. Der Ritt-
meister habe ihn zwar zum Regiments-Kommandeur geleitet
und sein Geſuch befürwortet; aber auch hier ſei auf den-
ſelben königlichen Befehl als abſoluten Hinderungsgrund
hingewieſen worden. Plötlich hörten die beiden Huſaren die
von einem Fenster des Schlößchens her ertönenden Worte :
„Aber ein Soldat unter dem Gewehr weint ?“ „Ja, Majestät“,
antwortete der Brandenburger, welcher ſofort die Stimme
ſeines obersten Kriegsherrn erkannt hatte, „ich muß wohl
weinen !“ Als der Huſar auf Befragen des Königs das
oben mitgeteilte berichtet, ſagte der Monarch: „Geh' ſofort
zu meinem Kabinettsrat Jlaire, laſſ' ihn wecken und über-
bringe ihm meinen Befehl, Dir sogleich 15 Thaler Reiſegeld
auszuzahlen, damit Du Deine sterbende Mutter noch einmal
ſehen könnteſt.“ Treuherzig entgegnete der Huſar dem Mo-
narchen, den das lebhafte Hritgefühl über die militäriſchen
Geſeße hatte hinwegſehen laſſen : „Aber, Majestät, ich kann
doch nicht von Poſten gehen?“ „Recht, mein Sohn“, er-