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ten, nur fort von Hauſe! Die stillen Vorwürfe der
Mutter ſchienen ihm der Gipfel der Qual zu ſein.
„Er fängt ſeine Duckmäuſereien langſam wieder an,“
dachte Lutz und suchte fich ihm aufzudrängen, wurde
aber ſo energiſch abgewieſen, daß er es für am besten
hielt, den kaum gewonnenen. Freund ſich ſelbſt zu über-
aſsen.
Nach langer Wanderung kam Hermann eines Tages
mit sinkender Nacht nach Hauſe. Verheißungsvoll stand
der Abendstern in mildem Glanze gerade über dem
elterlichen Dach. O wenn ihn nur der Mutter Auge
einmal wieder ſo friedlich anfunkeln möchte, wie jener
Stern! JIn ſeiner Seele ſtieg ein heißes Verlangen
nach Erlöſung, nach Ruhe auf. „Mutter, Mutter!“
ſchrie es in ihm, „daß Du mir doch helfen, daß Du
mir die Pein vom Herzen nehmen könnteſtl“nn.
Er stieß die Thüre auf. Es war kein Licht im
Wohnzimmer, wie ſonst um dieſe Stunde. Hatte die
Mutter vergeſſen, es anzuzünden? Er trat leiſen
Schrittes in den dunklen Raum. Weder am Fenſter
noch ſonst wo vermochten ſeine Augen die Geſuchte
zu erſpähen. Scnderbar winſelnd ſchmiegte sich der
Hund an ſeine Kniee, als wenn er ihm etwas zu klagen
hätte und beſonders froh wäre, wieder bei ſeinem
Herrn zu sein. i
Hermann ſetzte ein Streichhölzchen in Brand. Die
Lampe stand auf dem Tiſche bereit und daneben lag
ein loſe zuſammengefaltetes Stück Papier. Jehyt
hrouut des Licht, und neugierig nahm er das Blatt
zur Hand. ,
„Strafbefehl,“ stand oben darüber. „Hermann
August Schellenbuſch, Bergmann zu Grimborn, hat in