Full text: 1954 (0009)

Die staatliche Sozialrentnerhilfe 
Eine Information des Arbeitsministeriums 
In letzter Zeit sind verschiedentlich in der 
Öffentlichkeit auseinandergehende Meinungen 
über die Bestimmungen des Sozialrentner 
hilfegesetzes laut geworden. Dieser Grund 
gibt dem Ministerium für Arbeit und Wohl 
fahrt Anlaß, in den folgenden Ausführungen 
die Öffentlichkeit und insbesondere den in 
teressierten Personenkreis über den Sinn und 
Zweck dieses Gesetzes zu informieren. Mit 
Wirkung vom 1. 1. 1954 trat das vom Land 
tag am 7. 11. 1952 beschlossene Gesetz über 
die Gewährung ei^er monatlichen Sozialrent- 
ncrhilfe in der Fassung des 2. Änderungs 
gesetzes vom 10. 7. 1953 in Kraft. Durch die 
ses Gesetz wurden die Bestimmungen des Ge 
setzes über die Gewährung von widerruflichen 
Staatszuschlägen vom 13. 7. 1950 außer Kraft 
gesetzt. 
Zu Beginn der Ausführungen soll der 
Grundgedanke der zum Erlaß des SHG führte 
hcrausgestellt werden, Sowohl bei dem wider 
ruflichen Staatszuschhg als auch bei der So- 
zialrentuerhilfe lag der Gedanke zugrunde, 
die wirtschaftliche Lage des Rentners und 
seiner Familie mit Unterstützung staatl. Mit 
tel zu verbessern. Dabei war zunächst von 
der Tatsache auszugehen, daß der Staat zu 
die etn Zweck angesichts seiner sonstigen Auf 
gaben nur begrenzte Mittel zur Verfügung 
stellen kann. Es war daher zuerst die Frage 
zu beantworten, wie die zur Verfügung ste 
henden Mittel am besten zu verwenden sind, 
damit das Ziel, die allgemeine Lebenshaltung 
der Mindestrentner zu heben, verwirklicht 
werden konnte. Es ergaben sich nun zwei 
Möglichkeiten. Entweder man erhöhte alle 
Mindestrenten ohne Rücksicht auf die wirt 
schaftliche Lage des Rentners. Das hätte zur 
Folge gehabt, daß die Verwendung der vorhan 
denen Mittel in einem verhältnismäßig ein 
fachen Verfahren ermöglicht wird. Auch 
konnte diese Lösung bei oberflächlicher Be 
trachtung den Anschein einer rechtlichen Be 
gründung für sich in Anspruch nehmen. Ge 
nau betrachtet aber verstößt sie gegen den 
Grundsatz, daß Beitragsieistungen des Ver 
sicherten und Renteiihöhe für alle Rentner in 
einem bestimmten, etwa gleichem Verhältnis 
zueinander stehen sollen, während gerade hier 
der Rentner mit den geringsten Beitragslei 
stungen gegenüber den anderen Rentnern be 
vorzugt würde. Vor allem aber hätte diese 
Lösung bei der Frage der vorhandenen Mittel 
ernsthafte Probleme gestellt. Die andere Lö 
sung war die,, daß die bedürftigen RentneT 
eine Beihilfe erhalten, während diese Beihilfe 
andererseits bei Mindestrentnern entfällt, 
die nicht als bedürftig anerkannt werden kön 
nen. Diese Lösung bedingt zwar eine genaue 
Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse 
des Antragstellers. 
Sie ermöglicht aber durch die Beschränkung 
auf die bedürftigsten Fälle die zweckmäßigste 
Verwendung der staatlichen Mittel, weil da 
durch für alle Fälle ein möglichst hohes Min 
desteinkommen gewährleistet werden kann. 
An einem krassen Beispiel soll die 2. Lösung 
gegenüber deT bis Ende 1953 geltende Re 
gelung dargestellt werden. Eine Rcntners- 
witwe mit einer Mindestrente von 4 800,— 
Frs. erhielt einen widerruflichen Staatszu 
schlag von 3200,— Frs. Hierbei war es gleich 
gültig, ob sie alleinstehend war und vielleicht 
5 000,— Frs. Miete zu zahlen hatte oder ob 
10 
sie mit ihren Kindern zusammenlebte und das 
Familieneinkommen vielleicht mehr als 80 000 
Frs. betrug. Wird dagegen die Hilfe auf be 
dürftig« Fälle beschränkt, so entfällt sie im 
vorherigen Beispiel, während nun die allein 
stehende Witwe eine wesentlich höhere Bei 
hilfe erhält, durch die sie in die Lage versetzt 
wird, auch die hohen Mietkosten zu bestrei 
ten. Dieses Beispiel zeigt klar, daß der Ge 
setzgeber sich nur für den zweiten Weg ent 
scheiden konnte, wollte er nicht noch durch die 
oben aufgezeigte Negierung des Rentenprin 
zips das Gefüge der Rentenversicherung über 
haupt erschüttern. Zweifellos ist es Aufgabe 
der Gemeinschaft, jedem Bedürftigen ein Exi 
stenzminimum zu sichern. Dieser Grundsatz 
ist schon in der Fürsorgegesetzgebung ver 
ankert. Es braucht daher nicht besonders her- 
vorgehoben zu werden, daß, wenn der Gesetz 
geber beabsichtigt, die Fürsorge für Sozial 
rentner durch ejne besondere staatliche Hilfe 
abzulösen, dies nur auf dem Wege geschehen 
kann, der in jedem Falle dem Sozialrentner 
mindestens das gleiche Existenzminimum wie 
in der öffentlichen Fürsorge garantiert. 
Das Gesetz über die Gewährung von wider 
ruflichen Staatszuschlägen hat dieses Ziel 
zwar verfolgt. Durch die Einführung von Ein 
komm enshöchstgrenzen und die Beschränkung 
auf einen festen Mietzuschlag von 1 200,— 
Frs. blieben die gesetzlichen Leistungen je 
doch in vielen Fällen hinter den Leistungen der 
öffentlichen Fürsorge zurück, so daß die Für 
sorge zusätzlich eingreifen mußte. Es erschien 
auch nicht gerechtfertigt, daß der Staatszu 
schlag auch in den Fällen gezahlt wurde, in 
dem keine Bedürftigkeit vorlag. Zu diesen 
Mängel materieller Art ergeben sich auch in 
organisatorischer Hinsicht mancherlei Schwie 
rigkeiten, da die Festsetzung des Staatszu- 
schiages zentral durch die Versicherungsträger 
erfolgte und dadurch eine rasche Erledigung 
der Anträge bis zur Festsetzung des Staats- 
Zuschlages erschwert wurde. So war es keine 
Seltenheit, daß der Rentner oft noch monate 
lang die Fürsorge in Anspruch nehmen mußte. 
Ebenso wurde durch die alte Regelung die An 
passung der Leistungen bei Änderung der 
wirtschaftlichen Verhältnisse des Rentners 
erschwert. Darüber hinaus entstanden dem 
Staat durch Überzahlungen oft uneinbringliche 
Ausfälle. 
Diese nachteiligen Auswirkungen des- Ge 
setzes über die Gewährung widerruflicher 
Staatszuschläge gaben Anlaß, nach eineT be 
friedigenderen gesetzlichen Lösung zu suchen. 
Sowohl in materieller als auch in organisato 
rischer Hinsicht sollte vor allem sichergestellt 
werden, daß jeder Sozialrentner, der bemüht 
war, durch eigene Vorsorge seinen Lebens 
abend zu sichern, dessen Einkommen aber 
unter dem Fürsorgerichtsatz zurückblieb, eine 
entsprechende Staatsbeihilfe erhalten sollte 
und daß die zu gewährende Mietbeihilfe tat 
sächlich dem Mietaufwand entsprechend be 
messen werden sollte. 
Gleichzeitig sollte damit erreicht werden, 
daß jeder Sozialrentner eine angemessene 
Mehrleistung gegenüber dem Empfänger der 
allgemeinen Fürsorge erhalten sollte, wie er 
sie früher schon in der gehobenen Fürsorge 
erhalten hatte. Schließlich sollten die organi 
satorischen Schwierigkeiten durch die Übertra 
gung der Verwaltungsaufgaben auf örtliche 
Instanzen, wie z. B. Gemeinden, behoben wer 
den und damit eine beschleunigte Anpassung 
der Leistungen bei Veränderung der Verhält 
nisse erreicht und eine schnellere Bearbeitung 
der Anträge ermöglicht werden. 
Das Sozialrentnerhilfegesetz vom 7. 11. 
1952 in der Fassung des 2. Änderungsgesetzes 
vom 10. 7. 1953 hat diese Grundsätze ver 
wirklicht. Z. Zt. gewährleistet dieses Gesetz 
ein Einkommen, das 10°/o über dem Fürsorge- 
richtsatz der Stadt Saarbrücken liegt, zuzüg 
lich einer Mietbeihilfe im Rahmen der not 
wendigen Mietaufwendungen. Wie schon er 
wähnt* wird der Unterschiedsbetrag zwischen 
Rente und erhöhtem Fürsorgerichtsatz zuzüg 
lich Mictaufwendung aus staatlichen Mitteln 
gezahlt, und ist somit nicht als eine Rcnten- 
leistung anzusehen. Die Renten werden von 
dem Versicherungsträger festgesetzt, dem auch 
die Auszahlung der Renten zur Last fällt. Der 
Unterschiedsbetrag wird durch die jeweiligen 
Gemeinden zur Auszahlung gebracht. Der da 
durch entstehende Kostenaufwand der 
Gemeinden wird durch staatliche Mittel, 
welche in Form von Vorschüssen an die Ge 
meinden geleistet werden, aufgebracht. 
Es wird hier hervorgehoben, daß der Für 
sorgerichtsatz der Stadt Saarbrücken um rd. 
7 v. H. über den Richtsätzen für das übrige 
Saarland liegt. Das durch die Sozialrentner 
hilfe garantierte Einkommen liegt also um 10 
v. H. höher als der Fürsorgerichtsatz der Stadt 
Saarbrücken und etwa um 17 v, H. über den 
örtlichen Fürsorgerichtsätzen im übrigen Saar 
land. In der allgemeinen Fürsorge beträgt z. 
B. außerhalb der Stadt Saarbrücken der Richt 
satz für ein Ehepaar 10 000,— Frs.; der nun 
mehr für Sozialrentner maßgebliche, um 10° o 
erhöhte Richtsatz der Stadt Saarbrücken, be 
läuft sich demgegenüber für ein Ehepaar auf 
11 660,— Frs. Als Richtsätze für die Be 
messung des notwendigen Lebensbedarf sind 
im einzelnen festgesetzt: 
Für die Stadt Saarbrücken 
Für den Haushaltungsvorstand 6 600,— 
Für Haushaltsangehörige über 
16 Jahre 4 090 — 
Für Haushaltsangehörige unter 
16 Jahre 3 000,—- 
Für Alleinstehende mit oder 
ohne eigenen Haushalt 6 800,— 
Für Pflegekinder 4 500,— 
Das SozialrentnerhUfegesetz garantiert also 
dieses um 10 v. H. über dem Richtsatz der 
Stadt Saarbrücken erhöhte Einkommen für 
jeden Sozialrentner. Diese Garantie eines 
Mindesteinkommens für den bedürftigen So 
zialrentner muß als der eigentliche Grundge 
danke des Gesetzes klar hcrausgestellt wer 
den. Es war dagegen nicht der Zweck des Ge 
setzes — wie schon erwähnt — jede Sozial 
rente auf diesen Mindestbetrag zu erhöhen. 
Auch in sozialer Hinsicht erschien es gerech 
ter, in allen Fällen ein möglichst hohes Min 
desteinkommen zu garantieren, als auf Kosten 
dieses allgemeinen Mindesteinkommens die 
Staatsbeihilfe auch in den Fällen zu zahlen, 
in denen ein dringendes Bedürfnis nicht aner 
kannt werden kann. Die Auswirkung dieses 
Grundgedankens zeigt sich darin, daß das 
vorhandene Familieneinkommen in stärkerem 
Maße auf die Staatsbeihilfe angerechnet wird, 
als dies bei dem Widerruflichen Staatszu 
schlag der Fall war. Die Anrechnungsbest im-
	        
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