Full text: 1954 (0009)

Ein kläglicher Abgesang 
Oie Feinde der Gewerkschaltseinheit lassen die Kalze aus dem Sack 
Einige Verlautbarungen, die die Widersacher 
der Einheitsgewerkschaft kürzlich in verschie 
denen Wochenzeitungen veröffentlicht haben? 
lassen ziemlich unverhohlen den Aerger da 
rüber erkennen,' daß ihnen ihr Zerstörungswerk 
I nicht gelungen ist. Vyar bisher der Deutsche 
Gewerkschaftsbund ausschließlich das Ziel der 
destruktiven Angriffe dieser '.'reise, so gie-i 
ßen sie jetzt die Schalen ihres Zornes auch 
über diejenigen aus, die sie sich mehr oder 
I weniger als Bundesgenossen gedacht, deren 
Verantwortungsbewußtsein der Arbeitnehmer 
schaft gegenüber sie aber offenbar unter 
schätzt hatten. Als „Christen” sind sie maß 
los mißvergnügt, da'ß andere Christen — um 
dies im Gewerkschaftsstreit mißbrauchte Wort 
noch einmal zu verwenden — die christliche 
Tugend der Versöhnlichkeit und der Verstän 
digungsbereitschaft zu üben gewillt und ein 
zumindest nicht unchristliches Gebot prak 
tischer gewerkschaftlicher Vernunft anzuwen-t 
den bemüht sind. 
Inzwischen vergessen sie steh bei ihren 
Wutausbrüchen in einer Weise, daß sie — 
die Katze aus dem Sack lassend — ihre ge- 
^Jneimen Gedanken und Pläne preisgeben. Vor 
^/rjonaten und Wochen sprachen sie von der 
mangelnden parteipolitischen Neutralität der 
Gewerkschaften," redeten sie einer grund 
sätzlichen Kursänderung und innerorganisatori 
schen Reform das Wort. Heute zeigt es 
sich,’ daß ihnen die angebliche Verletzung 
der parteipolitischen Neutralität blosser Vor 
wand, die Spaltung der Gewerkschaften aber 
von vornherein alleiniges Ziel gewesen ist. 
Die 7,Ketteier Wacht” ließ an Eindeutigkeit 
nichts," alles aber an Ritterlichkeit zu wün 
schen übrig,’ als sie am 1. Dezember schrieb: 
7,Es waren Christen, die; ganz , gleich aus 
welchen Motiven,' uns die Waffen aus den 
Händen nahmen. Diese erschütternde Tatsache 
aber gibt Anlaß zu ernster Sorge. Ist das 
christliche Ideengut bei uns Menschen bereits 
soweit verschüttet,' daß sie es opfern um den 
Preis einer zweifelhaften Einheit?”* Weit un 
genierter noch drückte sich am 11: Dezember 
der „Rheinische Merkur'* aus: Sein Leitartikel 
war ein einziges Klagelied darüber; daß die 
Spaltung der Gewerkschaften „versungen und 
vertan” sei. Durch „die Uneinigkeit des christ* 
liehen Lagers” habe man sich des „wirk 
lichen Druckmittels'* für Verhandlungen be- 
^geben, nämlich: „des Austrittsultimatums.'i 
^Auch das ist unmißverständlich genug. 
Aber es ist beileibe noch nicht alles. Das 
Blatt schrieb auch: „Ist schon die Unein 
sichtigkeif gewisser Politiker erstaunlich, die 
das Entstehen einer kräftigen und selbständi 
gen christlichen Gewerkschaftsbewegung kurz 
fristigen; taktischen Rücksichten opfern wol 
len und die nicht begreifen, daß eine christ 
liche Volkspartei auf die Dauer ohne den 
Wurzelgrund einer starken christlichen Arbei 
terbewegung nicht existieren kann, so ist es 
erst recht kaum glaublich, wie so viele Chri 
sten prinzipienschwach, ja prinzioienblind 
genug sein können, um den weltanschaulichen 
Charakter des Gewerkschaftskampfes zu ver-: 
kennen.” Hier wird frank und frei erklärt/ 
cie Gewerkschaften müßten gespalten wer 
den, damit „e'ine christliche Volkspartei'' den 
Wurzelgrund einer starken christlichen Ar 
beiterbewegung erhalte. Die Ausflucht einer 
Verletzung der parteipolitischen Neutralität 
und des Mangels religiöser Toleranz wird jetzt 
über Bord geworfen und ungeschminkt ge 
sagt: die Gewerkscliaffseinheit müßte beden 
kenlos den Interessen „einer christlichen 
Volkspartei” geopfert werden. Das ist des 
Pudels Kern, das war der Sinn der letzt- 
jährigen Angriffe bestimmter politischer Grup 
pen gegen den Deutschen Gewerkschafts 
bund. Dia Parteipolitik; die man dem DGB 
unterschob? betreibt man selbst. 
Nicht übersehen werden sollte aber die 
Bemerkung vom ^weltanschaulichen Charakter 
des Gewerkschaftskampfes”. Was in aller 
Welt sind die Gewerkschaften anderes als 
Organisationen zur Vertretung wirtschaftlicher 
Interessen der Arbeitnehmer? Mit Welt 
anschauung haben sie nichts zu tun. Diese 
Tatsache bildet ja gerade die Voraussetzung 
dafür; daß Einheitsgewerkschaften erfolgreich 
gebildet werden konnten. Weil dies so ist 
und weil es auch die Arbeitnehmer begriffen 
haben; mußten bisher und werden auch in 
Zukunft die Spaltungsversuche gewisser Kreise 
zum Scheitern verurteilt sein. 
Doch auch damit ist es noch nicht genug." 
Die Gegner der Einheitsgewerkschaft scheuen 
sich nicht; im 7,Rheinischen Merkur'* selbst 
zum Mittel bösartiger Beschuldigung und Ver 
dächtigung zu greifen. Sie erklären: 7,Wenn 
im DGB alles beim alten bleibt, und nach 
dem Hornberger Schießen muß damit ge 
rechnet werden, dann wird in gar nicht fer 
ner Zukunft eine neue Abwanderunqswelle 
der Arbeiterschaft von der Kirche eintreten.” 
Damit ist nicht weniger behauptet, als daß 
der Deutsche Gewerkschaftsbund kirchen 
feindliche Tendenzen verfolge. Es muß 
schlecht um die Sache der Leute bestellt 
sein, die sich solcher bewußt unredlichen 
Mittel bedienen. Wann jemals hat der DGB 
die Gewerkschaftsmitglieder zur Abwanderung 
von der Kirche; zur religiösen Abstinenz auf 
gefordert; oder auch sonstwie in Glaubens 
dingen auf sie Einfluß zu nehmen versucht? 
Als der achtbare Josef Görres vor rund 140 
Jahren seinen ebenso achtbaren ersten „Rhei 
nischen Merkur”* gründete, dauerte es nicht 
lange; daß man ihn zum Demagogen stem 
pelte; der vor seinen Verfolgern im Elsaß 
Ab und zu soll man ruhig zum Friseur 
gehen. 
Einmal verlangt es der äußere Habitus eines 
Mitteleuropäers; daß der mehr oder weniger 
üppige Haarwuchs durch kunstgerechten 
Schnitt von seinen Auswüchsen befreit wird; 
dann aber kann man dort so manches er 
fahren. Ob erfreuliches oder unerfreuliches? 
jedenfalls trägt es ganz erheblich zur Be 
lehrung bei. 
Wenn der satte Bürger seinen Körper in 
dem bequemen Polstersessel versinken läßt 
und das äußere Ansehen unter den geschickt 
ten Händen des Figaro zusehends gewinnt? 
dann öffnet sich das Herz des also Behandele 
ten und seine Zunge offenbart dem staunend 
den Zuhörer; was besagtes Herz bedrückt: 
Nicht nur? daß die Fußballspieler am letzten 
Sonntag alle falsch gespielt haben und des-: 
halb der fachmännische Totofip zum Teufel 
ging? nein? selbst ,;Berufsgeheimnisse” werden 
frei verkündet. 
Man erfährt, daß die bösen Gewerkschaf 
ten ihre Nase einfach in alle Dinge hinein- 
sfecken," nicht etwa; um die Interessen der 
Arbeitnehmer zu vertreten; sondern nur, um 
die Daseinsberechtigung der Gewerkschafts- 
sekrefäre zu beweisen. 
Ueberhaupt die Arbeitnehmerl Arbeiten wol 
len sie überhaupt nichts mehr, verlangen 
ungerechtfertigte Löhne, statt dem Brötchen- 
auf französischem Boden Zuflucht nehmet 
mußte. Weit entfernt; in die Fußstapfen des 
Meisters zu treten, wandelt der heutige 
'„Rheinische Merkur”, auf den Pfaden seiner 
Gegner und er wird dabei mehr und mehr 
zum Blatt übler Demagogie: 
Wahrlich, es ist kein männlicher Abgesang? 
mit dem die Feinde der Gewerkschaftseinheit 
in diesen Tagen von ihrem Zerstörungswerk 
vorerst Abschied nehmen. Indessen: ihre 
;,Uhl” ist der auf den Erhalt der Gewerk 
schaffseinheit nachdrücklichst bedachten Ar 
beitnehmerschaft ;,Nachtigall 1 ' und Segen; 
und nicht nur der Arbeitnehmerschaft; wie 
manche Einsichtige inzwischen erkannt haben 
dürften. Den Grund ihres mehr als verdienten 
Mißerfolges haben die Feinde der Gewerk- 
schaffseinheit allein bei sich selbst zu suchen; 
denn ihre Absicht war schlecht und die 
Mittel; mit denen sie ihre Pläne glaubten 
verwirklichen zu können; waren und sind es 
nicht minder. 
(Informationsdienst des DGB 110/53 vorq 
16. Dezember 1953). 
* : 
Jakob Kaiser 
sprach vor dem Bundesausschuss des DGB 
Am Freitag; dem 11. Dezember 1953; sprach 
Bundesminister Jakob Kaiser im Hans-Böckler-/ 
Haus in Düsseldorf vor dem Bundesausschuß 
des Deutschen Gewerkschaffsbundes über ak4 
fuelle Gewerkschaftsfragen. An der Diskussion 
beteiligten sich neben dem Bundesvorsitzen-: 
den Walter Freitag eine große Anzahl ded 
Vorsitzenden der einzelnen Gewerkschaften/ 
In dem ausgiebigen und freimütigen Ge*i 
dankenaustausch kam allerseits ein uneinge4 
schränktes Bekenntnis zur EinheifsqewerM 
schaff zum Ausdruck. Meinungsverscnieden4 
heifen wurden kollegial und in Verständnis^ 
voller Aussprache erörtert. Ein Vorschlag de* 
Ministers Kaiser fand Annahme; nach dem 
der Bundesausschuß des DGB in einiger Zeit 
zu einer weiteren Aussprache eingeladen wer^ 
den soll: - J 
geber dankbar zu sein," daß er sich über^ 
haupt ihrer Arbeitskraft bedient. 
Dia Jugend ist auch nicht mehr so wl«[ 
früher. Die Lehrlinge erhalten dicke Bezüge? 
wollen nur noch Freizeit haben und — man 
stelle sich vor —' verlangen sogar das; wai 
ihnen gesetzlich zustehtl 
Daß an den verkaufsfreien Sonntagen ju4 
gendliche Arbeitnehmer nicht beschäftigt weH 
den durften; war natürlich auch wieder null 
so eine verrückte Marotte des Arbeitsminisferi^ 
ums? und die Gewerkschaften haben sich 
für die Beschränkung der verkaufsfreien 
Sonntage nur eingesetzt," um sich draußen 
wichtig zu machen. 
Entrüstet klingt es unter dem sahnigen 
Seifenschaum heraus? daß man es sogar g«4 
wagt hat, ein Strafmandat zu verhängen? 
weil man an den verkaufsfreien Sonntagen 
entgegen dem bestehenden Verbot Jugendd 
liehe beschäftigt hat. 
Der Blumenhändler aus der Bahnhofstraß« 
sagt es garnicht durch die Blume; daß ihn 
dies alles aber letzten Endes nicht erschüt-* 
fern kann; Verbot oder nicht, der Jugend-/ 
liehe wird beschäftigt! und; muß man be-j 
zahlen, berappt es eben der Kunde. 
Auch ein Dienst am Kunden! 
Ich gehe jetzt öfter zum Friseur: Einmal? 
weil mein Aeußeres es erfordert, dann abeil 
auch; weil ich wirklich wißbegierig bin. Vie*- 
leicht erfahre ich dort noch mehr. Dick: 
9 
Friseur-Gespräche
	        
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