Full text: 8.1954 (0009)

BRGflN ÖLT EIKHCfTSGEUIERHGtHflFT DER ARBEITER. ANGESTELLTEN UND BERUHEN 
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Saarbrücken / Februar 1954 
Nummer 2 
Silberstreifen am Horizont? 
Betriebsrätegesetz im Sozialpolitischen Ausschuss 
Seit 18. Januar 1954 wird das Betriebs 
rätegesetz bzw, das Betriebsverfassungsgesetz 
fewie man es neuerdings zu benennen beliebt, 
"wieder im sozialpolitischen Ausschuß bera 
ten. Seit Jahren wird seine Verabschiedung 
nicht nur von der Einheitsgewerkschaft gefor 
dert, auch die Christlichen Gewerkschaften 
ließen oft ihre Stimmen vernehmen, daß man 
der Arbeitnehmerschaft an der Saar eine wei 
tere Verschleppung des Gesetzes nicht mehr 
zumuten könne. 
Wir haben in der „Arbeit" die Diskussio 
nen um dieses enfant terrible des Landtages 
getreulich geschildert, wir haben auch unsern 
Lesern nicht vorenthalten, daß wir mit dem 
besten Willen nicht begreifen können, wie 
die gleichen Personen, die in der Öffentlich 
keit die Stirn haben, das Gesetz mit lauter 
Stimme zu fordern, hinter verschlossenen 
Türen mehr als zaghaft an die Materie heran- 
gehen, oder besser gesagt, offensichtlich zur 
Verschleppung Beihilfe leisten. 
Es dürfte wohl kaum ein Mensch ehrlichen 
Willens der von der Einheitsgewerkschaft 
am Ende des vergangenen Jahres gestarteten 
Kampagne um die Verabschiedung des Be- 
ij^triebsrategesetzes die vollste Berechtigung ver 
sagen, zumal die Komödie, die um das Gesetz 
aufgeführt wurde, nicht verborgen bleiben 
konnte. Trotzdem glaubte man, die Anwürfe 
der Einheitsgewerkschaft zurückweisen zu 
müssen, Anwürfe, die doch nur zu berechtigt 
sind, nachdem man das Betriebsrätegesetz 
vier Jahre hindurch — wir finden keinen tref 
fenderen Ausdruck — eben verschleppt hatte. 
Jetzt, nachdem man sich in aller Öffent 
lichkeit -reichlich unangenehm angegriffen 
fühlte, erklärte man. Dank eifriger Bemühun 
gen, nicht zuletzt der Christlichen Gewerk 
schaften, stände der Verabschiedung des in- 
kriminierten Gegenstandes nichts mehr im 
Wege. Wie gesagt, am 18. Januar 1954 er 
schien das Betriebsverfassungsgesetz, nach 
dem es allzulange irgendwo geschlummert 
hatte, erstmalig wieder auf der Tagesordnung 
des sozialpolitischen Ausschusses. 
Zeigt sich hier der ungeduldig gewordenen 
Arbeitnehmerschaft ein sanfter Silberstreifen 
am Horizont, oder wird er sich — wie schon 
so oft — als Fata Morgana erweisen, die, so 
hofft man, den festen Willen der Arbeitneh 
mer, die Verabschiedung des Gesetzes zu er 
zwingen, in die Irre führen soll? 
Sagen wir es unumwunden, wir sind skep 
tisch, mehr als skeptisch; denn, was wir von 
den Verhandlungen Im Sozialpolitischen Aus 
schuß in Erfahrung bringen konnten, trägt 
nicht zu unserer gläubigen Erwartung bei. 
Selbst derr Entwurf, der im kleinen Aus 
schuß als Kompromiß unter schweren Wehen 
geboren worden war, an dem also auch die 
Abgeordneten aus den Reihen der Christlichen 
Gewerkschaft die Vaterschaft kaum ableug 
nen können, wurde verschämt in den Hinter 
grund geschoben und mußte einem neuen 
Entwurf der CVP Platz machen. Also selbst 
die Kompromißlösung, die in keiner Weise 
den Erwartungen der Einheitsgewerkschaft 
entsprach, scheint nun gewissen Kreisen noch 
zu weitgehend zu sein, und wir sind nun ge 
spannt, was man zuguterletzt der Arbeitneh 
merschaft überhaupt noch anbieten will. 
Schon in der dritten Woche entnehmen di© 
Schlagzeilen auf den ersten Seiten der Tages 
presse ihren Inhalt den Verhandlungen der 
vier Außenminister von Amerika, England, 
Frankreich und Rußland in Berlin. Zweifelhaft 
erscheint es nur, ob auch daj Interesse das 
gleiche geblieben ist, mit dem die ersten aus 
Berlin kommenden Berichte gelesen wurdeq, 
nachdem die Konferenz der vier Außenminister 
am 25. Januar zum erstenmal zusammengetre 
ten war. Es hat sich auch herumgesprochen, 
daß einige außenpolitische Redakteure der 
Weltpresse von Berlin schon wieder abgereist 
sind und die weitere Berichterstattung ihren 
ständigen Vertretern in Berlin überlassen ha 
lben. Stimmen wurden außerdem hörbar, die 
davon sprachen, daß die Außenministerkonfe 
renz bereits in einer Sackgasse gelandet sei 
oder kurz vor ihrer feierlichen Beerdigung 
stehe. 
Was im einzelnen in Berlin geschehen ist, 
was verhandelt wurde, welche Vorschläge ge 
macht und akzeptiert, beziehungsweise abge 
lehnt wurden, soll hieT nicht ausgeführt wer 
den. Fest steht jedenfalls, daß zu Beginn auf 
dem Konferenztisch ein ungeheuer gewichti 
ges und kostbares Aktenstück lag, das weder 
von Politikern ausgearbeitet war noch den 
Stempel „Geheim“ trug. Geschrieben hatte 
es der so gern zitierte „kleine Mann von der 
Straße“. Und dieser nicht verklausulierte und 
mit keinem „Hintertürdien" versehene, dafür 
aber sehr kategorisch gemeinte Konferenzvor 
schlag, dessen Ursprung in den Straßen und 
an den Arbeitsplätzen von New-York, Liver- 
Es dürfte noch verfrüht sein, auf Einzel 
heiten der schwebenden Beratungen im So 
zialpolitischen Ausschuß einzugehen, zumal 
man sich über strittige Punkte dank de« 
Widerstandes der uns nahestehenden Abge 
ordneten noch keineswegs geeinigt hat, doch 
liegt offen auf der Hand, daß sich die Geister, 
noch bevor man an die Frage der Mitbe 
stimmung herangekommen ist, schon heftig 
scheiden. 
Eine Konferenz der gesamten. Vorstände 
der Einheitsgewerkschaft wird am Freitag, 
dem 12. 2. 54, den Bericht des Landesvor 
standes über die Beratungen des Betriebs 
rätegesetzes entgegennehmen und Beschlüsse 
fassen über die zu treffenden Maßnahmen 
der Einheitsgewerkschaft. 
pool, Marseille, Hamburg, Leipzig und Lenin 
grad liegt, enthielt im eigentlichen Sinne nur 
ein einziges Wort: Fried«. So war di© Kon 
ferenz zum Guten hin vorbelastet mit der 
Hoffnung der arbeitenden Menschen auf di« 
Erhaltung des Friedens. 
Unverantwortlich würde uns die Feststellung 
erscheinen, daß di© Außenminister dieses Ak 
tenstück bereits' einem Archiv zur Ablag« 
übergeben hätten. Trotzdem läßt sich nicht 
leugnen, daß es auf dem Konferenztisch unter 
(Fortsetzung auf Seite 2) 
Aus dem Juthait: 
Seite 
Vor einer Erhöhung der 
Arbeitslosenunterstützung 2 
Rentenerhöhung unbefriedigend ..... 3 
Steuerfreie Beträge auf der 
Lohnsteuerkarte .......... 4 
Blick in die Welt 1 
Volksfürsorge . s : 8-10 
Lohnregelung in Frankreich unbefriedigend 11 
Aus den Verbänden und Betrieben . . . 11 u. 12 
Arbeitsgerichtsbarkeit ........ 13 
Jazz oder ernste Musiki . . . > * i ■ 14 
Monologe oder Gespräche? 
der Versuch einer Zwischenbilanz von Berlin
	        
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