Tanna r 1954
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schrieben ist, nicht überschreiten. Er darf
auch einen weiteren Probearbeitsvertrag
kurz vor Ablauf da* in dieser Weise fest-
eelegten Dauer der Probezeit nicht verein
baren, wie ebenfalls das Landesarbeitsge
dicht Stuttgart in der angeführten Ent
scheidung hervorgeboben hat. Probear
beitsverträge mit gesetzlich oder tariflich
nicht zulässiger, zu langer Probezeit sind
nach der besagten Entscheidung weder
nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches
zur Gänze nichtig noch nach der Ausle
gungsregel des § 139 des Bürgerlichen Ge
setzbuches zu behandeln, weil in ihnen nur
eine einzelne Vertragsabrede ungültig ist,
im übrigen aber der Vertrag im ganzen
aufrechtzuerhalten ist.
Liegen weder gesetzliche Bestimmungen
noch besondere Regelungen in Tarifverträ
gen, Tarifordnungen oder Betriebsordnun
gen vor, so kann von beiden Teilen auch
eine längere Probezeit verabredet werden.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß
nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes der
Kündigungsschutz bei sechsmonatiger un
unterbrochener Tätigkeit im Betrieb ein-
setzt, wenn die sonstigen Voraussetzungen
egeben sind. Dies bedeutet, daß ein Pro-
earbeitsverhäitnis mit erleichterter Kün
digungsmöglichkeit nicht länger als sechs
Monate vereinbart werden kann, da Kündi
gungen nach dem Kündigungsschutzgesetz
nur unter Angabe von Gründen, die in die
sem Gesetz festgelegt sind, zulässig sind.
Es kann daher seit Inkrafttreten des Kündi
gungsschutzgesetzes als weitere Regel auf-
gestellt werden, daß Probearbeitsverhalt-
nisse, wenn sonstige Rechtsnormen nicht
entgegenstehen, wegen des Kündijurgs-
schutzei int Kündigungsschützgesetz nicht
länger als sechs Monate dauern können;
ln der Re^el wird für Arbeiter eine Probe
zeit von ein bis zwei Wochen, für Fachar
beiter bis zu einem Monat in Frage kom
men: die Dauer des Probearbeitsverhältnis
ses der Angestellten wird zwischen einem
Monat bis zu drei Monaten und darüber
liegen.
Ist zwischen den Parteien über die Dauer
eines Probearbeitsverhältnisses keine Ab
rede getroffen worden, so gilt gemäß § 157
des Bürgerlichen Gesetzbuches für beide
Teile eine angemessene Probezeit. Die Fra
ge, welche Probezeit als angemessen in sol
chen Fällen anzusehen ist, richtet sich je
weils nach den Umständen des einzelnen
Falles; hierbei muß jedoch davon ausge
gangen werden, daß eine Probezeit nicht
unbegrenzt ausgedehnt werden kann.
RA. R. Zeitlmann.
, ßemfsausbildungs- und Jugendfcagen
Die Fragen der beruflichen Jugend
bildung sind für einen modernen Indu
striestaat, wie ihn das Saarland ver
körpert, von sehr erheblicher Bedeu
tung. Eine kluge und folgerichtige
Nachwuchsbildung und -förderung ist
für die wirtschaftliche Stetigkeit und
die soziale Ausgeglichenheit unseres
Landes unerläßlich. Jeder Eingeweih
te, ob Wirtschaftspraktiker, Berufspä
dagoge oder Wirtsehafts- und Sozial
politiker weiß um die nicht geringen
Nachkriegsschwierigkeiten, die sich ge
rade aus der Fragestellung „berufliche
Nachwuchsförderung — Nachwuchslen
kung — Nachwuchsbildung“ ergaben.
Die sehr deutliche Lücke, die der Krieg
gerade hier hinterlassen hatte, war
nicht leicht zu füllen. Und noch im-
mer bleibt eine große Aufgabe zu lo
sen, soll unser Land im großen wirt
schaftlichen Wettbewerb der westeuro
päischen Völker, die sich in der Mon
tanunion zusammeugeschlossen haben,
bestehen und sich angemessen weiter
entwickeln können. Nur ernste beruf
liche Weiterbildung, fachliche Schu
lung, genaue vorsorgliche Begabtens? s-
lese mit dem Ziel, gerade die bei uns
noch sehr entwicklungsbedürftige und
entwicklungsfähige, wgiterverarbeiten
de Industrie zu fördern und zu einem
bedeutsamen Exportfaktor und damit
zu einer wirtschaftlichen Stütze ersten
Ranges in unserem Lande zu machen,
kann auf die Dauer die großen, wirt-
schafts- und sozialpolitischen Proble
me des Saarlandes lösen. Hierzu bei
zutragen, ist neben dem näherliegen
den, sozialpolitischen Zweck der beruf
lichen Jugendförderung und Nach -
wuchspflege die weitergehende wirt
schaftspolitische Absicht, die der Ab
fassung dieses Kapitels des Jahresbe
richts 1952 der Arbeitskammer des
Saarlandes zugrunde lag.
Die gesetzlichen Grundlagen der
Lehr- und Anlernausbildung
Etwa 90 Prozent aller Arbeitnehmer
erhalten ihre berufliche Ausbildung im
Rahmen eines Lehr- oder Anlernver
hältnisses. Die gesetzlichen Bestim
mungen, die auf das Berufserziehungs-
verhiiltnis Anwendung finden, sind auf
eine Reihe von Gesetzen verteilt, und
weder die meisten Erziehungsberech
tigten, roch viel weniger aber d'e Lehr
linge, sind in der Lage, die mit dem
Abschluß des Ausbi’dungsvertrages sich
ergebenden Rechtsbeziehungen zu
übersehen.
Es sollen hier nicht die für das Ans
bildungsverhältnis einschlägigen Be
stimmungen des BGB., der GO. und
des HGB. einer kritischen Betrachtung
unterzogen werden. Grundsätzlich ist
jedoch die Notwendigkeit herauszustel
len, für die Lehr- und Anlernausbil-
dung eine einheitliche gesetzliche
Grundlage zu schaffen, wobei die seit
Erlaß der zur Zeit gültigen Gesetze
stattgefundene Entwicklung ihren Nie
derschlag finden und demzufolge die
Arbeitnehmerschaft mehr als bisher
Einfluß auf die Gestaltung der Aus
bildungsverhältnisse erhalten muß.
Keineswegs sollen die großen Ver
dienste verkannt werden, die sich die
berufsständischen Selbstverwaltungs
einrichtungen im Laufe der letzten
Jahrzehnte um die Ausbildung des
Nachwuchses erworben haben; man
kann aber nicht übersehen daß z. B.
Handwerkerinnungen jede Mitarbeit
von Arbeitnehmerseite als unerwünsch
te Einmischung ablehnen. Unter Beru
fung auf die in der GO. verbrieften
Rechte lehnen es die Innungen außer
dem ab, im theoretischen Teil der Ge
sellenprüfung die bei Industriefachar
beiterprüfungen bestens bewährte Mit
wirkung der Berufsschullehrer zu dul
den. Häufig hat diese Haltung zur Fol
ge, daß Lehrlinge weniger wegen man
gelhafter eigener Kenntnisse als viel
mehr ungeschickter Fragestellung des
Prüfers versagen. Diese Beispiele zei-
en, wie notwendig es ist, möglichst
ald ein einheitliches Recht, ein Be
rufsausbildungsgesetz zu schaffen, das
in der kaufmännischen und gewerbli
chen Berufsausbildung im Interesse der
jungen Menschen und der Wirtschaft
allen verantwortlichen und mit Recht
interessierten Stellen Einfluß ver
schafft und alle positiven Kräfte zur
Geltung kommen läßt.
Bernfsausbildungsausschuß
Das zur Vorbereitung eines solchen
Gesetzentwurfes berufene Gremium
wäre ein Berufsausbildungsausschuß,
der u. E. möglichs bald beim Wirt
schafts- oder Arbeitsministerium gel il-
det werden müßte. Die Bereitschaft,
im Berufsausbildungsausschuß mitzu
arbeiten, dürfte bei allen berufsständi
schen Vertretungen vorhanden sein.
Berufsbilder und fachliche Vor
schriften zur Regelung der Ausbildung
Eine weitere Aufgabe dieses Berufs-
ausbildungsaussehusses wäre die Aus
arbeitung der Berufsbilder für Indu
strie und Handel sowue der fachlichen
Vorschriften zur Regelung der Lehr
lingsausbildung im Handwerk und de-