2
/
Wirtschaftspolitik aus gesehen noch im
Hinblick auf die Organisation und Lei
tung des Einzelbetriebes irgendwelche
Schuld trägt. Oder heißt es nicht letzten
Endes Übernahme der Verantwortung,
wenn man auf Kosten der Arbeitneh
mer nicht nur um einzelne Grenzbe
triebe sondern um ganze Wirtschafts
gruppen einen wirtschaftlichen Schutz
zaun errichten will.
Wir sind nun nicht der Auffassung,
daß ganzen Wirtschaftszweigen oder
einzelnen Betrieben auf die Dauer durch
ein ausgesprochenes Lohndumping ge
holfen werden kann, stellt doch der
Lohn meist nicht einmal die größte
Komponente der Betriebskosten dar, es
wäre vielmehr in erster Linie Aufgabe
des Staates, sogenannte Grenzbetriebe,
an deren Erhaltung ein arbeitsmarkt
politisches Interesse besteht, natürlich
nur vorübergehend und mit entspre
chenden Auflagen, zu subventionieren,
so wie das in Frankreich auch geschieht.
Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob
von der „notleidenden Wirtschaft“ die
ser Weg bereits ernsthaft beschritten
worden ist, oder sucht man den Weg
des vermeintlich geringsten Widerstan
des in der Beschneidung gerade der
Einkommen der am geringsten bezahl
ten Arbeitnehmer? Einer derartigen
Tendenz ist natürlich ganz entschieden
zu begegnen.
Um zum Ausgangspunkt unserer Be
trachtungen zurückzukommen:
Wir haben uns als Arbeitnehmer nie
gescheut, in der Wirtschaft die Mitver
antwortung zu übernehmen, Vorausset
zung ist jedoch die Mitbestimmung und
dazu gehört auch, daß das Unternehmer
tum seine Karten auf den Tisch legt.
Der Kampfeswille trägt Früchte
Streiksieg in Bayern — Einigung über Löhne und Gehalter in der Metall-Industrie
in Nordrhein-Westfalen
Während am Wochenanfang zehntaasende bayerisdie Metallarbeiter in einer Urabstimmung
über einen Schiedsspruch zur Beilegung ihres Streikes entsdiieden, konnte die Gefahr eines
Streiks der 750 000 Beschäftigten in der Metallindustrie von Nordrhein-Westfalen gebannt
werden. Nach langwierigen Verhandlungen erzielte die IG Metall mit den Metallindustriellen
an Rhein und Ruhr eine Einigung. Dieser erfolgreiche Absdiluß der Lohnverhandlungen in
Nordrhein-Westfalen ist nicht zuletzt nur deswegen auf dem Verhandlungswege möglich ge
wesen, weil die Kampfentschlossenheit der Metallarbeiter in Nordbaden und Nordwürttem
berg vor einigen Wodien und das beharrliche Ausharren der streikenden bayerischen Metall
arbeiter in diesen Tagen den Metallindustriellen an Rhein und Ruhr eine sehr deutliche
Warnung gewesen sind. Daß es in Nordrhein-Westfalen nicht zu einer Stillegung der Hüt
ten- und Walzwerke, der zahlreichen Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe 3er Metallindustrie
zu kommen brauchte, ist damit auch ein Sieg der Solidarität und Opferbereitschaft jener
Metallarbeiter, die ihren Forderungen den gebührenden Nadidruck zu verleihen wußten
und beispielgebend wirkten.
ln Bayern ist der Streik erfolgreich beendet.
Beide Parteien unterwarfen sich dem Vorschlag
des Schiedsgerichts, den wir weiter unten wie
dergeben. Er bedeutet, wenn auch nicht die
Erfüllung aller Forderungen, einen vollen Er
folg des Streiks. Die Wiederaufnahme der Ar
beit wurde durch Rundfunk bekanntgegeben.
*
. In Nordrhein-Westfalen hat die IG Metall
*ich mit den Metallindustriellen auf folgender
Basis geeinigt:
Ab 1. September 1954 werden der Ecklohn
für den Metallfacharbeiter von bisher 1,48 D-
Mark um 8 Pfennig auf 1,56 DM sowie die
Tarifgehälter der Angestellten um 7 vH er
höht. Lehrlinge und Anlernlinge erhalten eine
Zulage, die zwischen 3 und 7 DM beträgt.
Darüber hinaus wurden noch Vereinbarun
gen getroffen, durch weiche die Auswirkung
der Erhöhung auf die Effektiwerdienste weit
gehend gewährleistet wird.
Am vergangenen Freitag hatte das Schieds
gericht in Bayern nach 19stiindiger Beratung
folgenden Schiedsspruch gefällt:
Der Ecklohn für den Facharbeiter wird um
10 Pfennig und für Akkordanten um 8 Pfen
nig erhöht. Angelernte und ungelernte Arbei
ter und Ar' jiterinnen erhalten in der Orts
klasse A eine Lohnerhöhung von 5 Pfennig.
Frauen sollen 80 vH des Lohnes der Männer
erhalten. Die Tarifgehälter der kaufmännischen
und technischen Angestellten sowie der Meister
werden um 5,6 und 7 vH, je nach der Gehalts
gruppe, erhöht. Die Vergütungen für Lehr-
linge und Anlernlinge erhöhen sich im 1. bis
3. Lehrjahr um 6 DM, im 4. Lehrjahr um
8 DM.
Für Betriebe, die aus zwingenden betriebs
wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Ge
haltserhöhungen nicht sofort in voller Aus
wirkung tragen können, soll eine Schiedsstelle
auf Antrag endgültig entscheiden.
Der geschäftsführende Hauptvorstand der
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport
und Verkehr hat gemeinsam mit den Bezirks-
leitem aus dem gesamten Bundesgebiet zur
Tarifsituation im öffentlichen Dienst Stellung
genommen. Er nahm davon Kenntnis, daß die
Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände
sowie die Tarifgemeinschaft deutscher Länder
ihre beschließenden Gremien zum 3. Septem
ber 1954 na di Stuttgart eingeladen haben.
Die Gewerkschaft ÖTV gib^ der bestimmten
Erwartung Ausdruck, daß unverziiglidi nach
diesen Beratungen neue Verhandlungen mit
den Tarifpartnera des öffentlichen Dienstes
stattfinden, um eine gütliche Lösung des Kon
fliktes herbeizuführen.
Einen breiten Raum nahmen bei den Bera
tungen die im Falle eines Streiks durchzufüh
renden Notstandsmaßnahmen ein.
Am 3. September treten die Hauptvorstände
der Gewerkschaft ÖTV, der Postgewerkschaft
und der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutsch
lands zu gemeinsamen Beratungen wegen der
noch immer unnachgiebigen Haltung der Bun
desregierung in Frankfurt/Main zusammen.
Welt der Arbeit
Verordnung
zur Änderung und Ergänzung der Verordnung
vom 9. März 1954 zur Neufestsetzung des
Mindestlohnes vom 21. August 1954
Der Minister für Arbeit und Wohlfahrt ver- *
ordnet auf Grund der Verfügung Nr. 47-62 vom
18. November 1947 über das Lohnrecht im Saar
land,
abgeändert und ergänzt durch die Verordnung
Nr. 48-22 vom 3. März 1948
was folgt:
Einziger Paragraph
Die Verordnung zur Neufestsetzung des Min
deststundenlohnes vom 9. März 1954 (ABI. S. 252)
wird nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschrif
ten geändert bzw. ergänzt.
§ 6 wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:
(1) Soweit auf Grund des § 3 der Verordnung
vom 28. Marz 1951 zur Aenderung der Verord
nung zur Festsetzung des Mindeststundenlohnes
(ABI. S. 453) am Tage des Inkrafttretens dieser
Verordnung Sondermindeststundenlöhne rechts
wirksam gezahlt werden konnten, gelten diese
bis zum 15. September 1954 mit der Maßgabe wei
ter, daß auf die genehmigten Lohnsätze ein Zu
schlag zu zahlen ist, der für die einzelnen Lohn
gruppen bezw. Arbeitszeiten folgende Höhe hat:
Uebriger Text unverändert.
Anstelle des § 7 tritt folgende Neufassung:
(1) Der Minister für Arbeit und Wohlfahrt kann
im Benehmen mit dem Minister für Wirtschaft,
Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft in Wah
rung der Grundsätze des § 4 des franzosich-saar-
ländischen Wirtschaftsvertrages im Verordnungs
wege mit verbindlicher Wirkung für die im Gel
tungsbereich der Verordnung genannten Personen
und Betriebe ab dem Zeitpunkt der Antragstel
lung befristete Abweichungen von den Mindest
sätzen der §§ 3 und 4 genehmigen.
(2) Voraussetzung zur Genehmigung nach Abs.
1 ist jeweils bei Antragstellung die Vorlage eines
neu abgeschlossenen Tarifvertrages.
(3) In den nach Abs. 2 vorzulegenden Tarif
verträgen dürfen die Mindestsätze der §§ 3 und 4
e) für Betriebe der Textil-, Schuh-, Leder-, Be-
kleidungs- und Wäscheindustrie unter Ein
schluß der entsprechenden handwerklichen
Gewerbezweige sowie für die papier- und
pappeverarbeitende Industrie den Mindest
satz der Lohnzone IV (99,50 Frs.),
b) für Betriebe der übrigen Wirtschaft den
Mindestsatz der Lohnzone III (102,05 Frs.)
nicht unterschritten werden.
(4) Für die Betriebe des Groß- und Einzelhan
dels können unter den Voraussetzungen der Abs.
1 und 2 folgende Abweichungen genehmigt wer
den:
a) eine von Abs. 3 abweichende Sonderrege
lung für die zur Zeit bestehenden besonde
ren Beschäftigungsveihältnisse (sogenannte
Einarbeitungsverhältnisse ohne kaufmänni
schen Lehrvertrag), die spätestens mit Wir
kung vom 28. Februar 1955 abläuft,
b) eine Sonderregelung unter Abweichung von
§ 2 mit der Maßgabe, daß Arbeitnehmer
von 18—19 Jahren 90 Prozent
von 19—20 Jahren 95 Prozent
des Mindeststundenlohnes erhalten können,
die mit Wirkung vom 28. Februar 1955 ab
läuft.
Ein weiterer Paragraph (9a) erhält folgenden
Wortlaut:
Soweit bisher für die Arbeitnehmer günstigere
Mindeststundenlöhne gezahlt wurden, hat es d -
mit sein Bewenden.
Saarbrücken, den 21. August 1954.
Regierung des Saarlandes
Der Minister für Arbeit und Wohlfahrt
Klein