Die Stellung der Gewerkschaften im öffentlichen Leben
Der Leiter der Ausländsabteilung im DGB
Bundesvorstand, Kollege Ludwig Rosenberg,
machte zu dem Thema: „Gewerkschaften,
Staat, politische Parteien“ grundsätzliche Aus
führungen. Spontaner Beifall bewies die Not
wendigkeit seines Referats.
Mit dem Beginn dessen, was man „Das
Deutsche Wunder“ nennt, nahm auch das alte
„Deutsche Unglück der Uneinigkeit“ wieder
seinen Anfang. Wir haben die Zeit nicht
vergessen, in denen man sich von seiten der
Politiker und Staatsmänner geradezu über
schlug in Lobreden auf den deutschen Ar
beiter, Angestellten und Beamten, in denen
man seine Gewerkschaften lobte, daß es bei
nahe peinlich wurde. Wollte man heute füh
rende Politiker an ihre damaligen Reden und
Versprechungen erinnern — sie würden sich
selbst nicht wiedererkennen. Die unsinnigsten
Verleumdungen werden aufgestellt über uns,
und allzu viele glauben, was böswillig be
hauptet wird.
Es wäre leicht, über alle diese albernen
Reden hinwegzugehen. Aber die bittere Er
fahrung in unserem Volk lehrt uns, daß man
das nicht darf, daß man in Deutschland selbst
die dümmsten Lügen zu glauben pflegt und
daß die Demokratie keineswegs so gesichert
ist, daß man dem demokratischen Urteils
vermögen des Volkes blind vertrauen könnte.
Deshalb erscheint es notwendig, wieder ein
mal klar und eindeutig zu sagen, wie und wo
die Millionen Arbeiter, Angestellte und Be
amten und ihre Gewerkschaften zum Staat
und zu den politischen Parteien stehen. Die
deutschen Gewerkschaften stehen unerschütter
lich zur Demokratie. Sie bejahen die demo
kratische Staatsforrn aus innerster Ueberzeu-
gung und sind gegen jede Form der Diktatur,
ganz gleich unter welcher Flagge, ganz gleich
unter welcher Firma. Die Gewerkschaften
kämpfen für die persönliche Freiheit und
Menschenwürde. Lohn und Gehalt sind nur
Mittel dieses Kampfes — nicht Endziel. Des
halb ist uns Demokratie auch mehr als nur
Verv altungsfornn Die moderne Demokratie ist
Die Krankenversicherung im Saarland
(Fortsetzung von Seite 5)
ziehen, daß der gesamte Eisenbahnbetrieb
überhaupt nichts taugt, ebensowenig trifft
dies im übertragenen Sinne für die soziale
Krankenversicherung zu. Nur auf der Basis
des Vertrauensverhältnisses ist eine ersprieß
liche Zusammenarbeit möglich. Der Kranken
versicherungsträger, verkörpert durch seine Be
diensteten, wird es stets als seine vornehmste
Aufgabe betrachten, dem Wolile seiner Ver
sicherten zu dienen. Das besagt aber nun
nicht, daß bedenkenlos jedem Wunsche und
jeder Forderung des einzelnen Versicherten
zu entsprechen ist. Immer gilt es, das Ge
samtinteresse aller Versicherten zu wahren.
Wenn sich ein Versicherter in seinen Rech
ten benachteiligt fühlt oder sonstwie glaubt,
Grund zur Beschwerde zu haben, so dürfte
es immer zweckmäßig sein, sich der jeweils
Vorgesetzten Dienststellen zu bedienen, die,
sofern es ihnen möglich ist, für Abhilfe sor
gen werden. Allzu billig ist es jedoch, in
einfacher Schwarz-vveiß-Zeichnung mit einer
einseitigen Darstellung des Sachverhaltes in
die Öffentlichkeit zu treten. Denn es ist wie
mit allen Dingen im Leben: Zu jedem Tun
und Handeln, das geeignet ist, den Wider
spruch des Anderen hervorzurufen, gehören
deren Zweil (wird fortgesetzt)
nur lebensfähig, wenn die Mehrheit des Vol
kes sie bejaht, wenn alle Schichten des Volkes
wirtschaftlich und sozial integriert worden
sind, wenn dieser Staat — ihr Staat, die Wirt
schaft — ihre Wirtschaft, diese Gesellschaft
— ihre Gesellschaft ist.
Mit Wirtschaftsanschauungen des 19. Jahr
hunderts wird man die Probleme des 20. Jahr
hunderts nicht lösen; darüber täuschen auch
Erfolge nicht hinweg, die ohne ausländische
Hilfe undenkbar wären. Man kann den Ar
beitnehmern ihre rechtmäßige Stellung in
Wirtschaft und Gesellschaft nicht streitig ma
chen, eine Wirtschaft, die ohne ihre Arbeit
nicht bestände, eme Gesellschaft, die ohne
ihr verantwortliches Handeln im Chaos unter
gegangen wäre. Versucht man das, so muß
sich das bitter rächen. Aus allen diesen Ge
danken ergibt sich unser Verhältnis zum
Staat. Wir wollen, daß dieser Staat zur
Heimat der Werktätigen wird, ein wirklich
demokratischer Staat, ein Staat des Volkes.
Wenn wir davor warnen, daß sich die
Steigbügelhalter Hitlers wieder in der Ver
waltung von Staat und Wirtschaft breit ma
chen, dann sind wir undemokralisch! Sie und
die reaktionären Kräfte in Wirtschaft und
Politik sind es auch, die immer wieder ver
suchen, die große einheitliche Gewerkschafts
bewegung zu spalten. Sie wissen sehr wohl,
wie zuverlässig wir sind, als Verteidiger des
demokratischen Staates. Deshalb soi! unsere
Macht gebrochen werden! Staat und Wirt
schaft kann man unterwandern! Die Gewerk
schaften muß man spalten, denn man kann
sie nicht erobern.
Parteipolitisch sind wir neutral! Poli
tisch wollen und können wir nicht neutral
sein! Unsere Stellung zu den Parteien ist klar
u. eindeutig. Unabhängig von allen bestimmten
wir selbst Ziel und Weg. Die Parteien ent
scheiden ihre Stellung zu uns. Aber wir bean
spruchen dasselbe demokratische Hecht wie
die Bauern, die Industriellen, die Autofahrer
und aridere Gruppen im Volke! Was für die
einen die Verweigerungen der Ablieferung von
Lebensmitteln — ist für uns der Streik! Was
für die anderen die Auto-Sternfahrt nach Bonn
— ist für uns die Massendemonstration! \V as
dem einen recht ist, ist dem andern billig!
Die deutsche Gewerkschaftsbewegung hat
eine große historische Aufgabe: endlich in
Deutschland der demokratischen Idee zum
Leben und zum Erfolg zu verhelfen. Als
Deutschland in Trümmern lag, hat man uns
diese Aufgabe niemals bestritten. Heute glaubt
man, uns nicht mehr nötig zu haben, und es
mag Leute geben, die da glauben, dieser
junge Slaat könne ohne die Hilfe der Ar
beiter, Angestellten und Beamten und ohne die
aktive Mitarbeit ihrer großen Organisationen
blühen und gedeihen. Es scheint manchmal
so, als gälte es Leute, die es für förderlich
hielten, soziale Spannungen zu vermehren,
anstatt sie zu beseitigen. Sie wissen nicht,
oder sie wollen nicht wissen, daß die treuesten
Demokraten die Arbeitnehmer und ihre Ge
werkschaften sind, daß letzten Endes sie es
sein werden, die den Bestand des Staates und
dieser Staatsform sichern — daß sie aber nur
verteidigen, was ihnen wert erseheint, ver
teidigt zu werden. ÖTV - Presse - Juli 1954
Für den guten Kaffee nur die feine
Aima -MILCH
Internationale Gewerkschaftsarbeit
(Fortsetzung von Seite 2)
Sekretärs des IBFG einen besonderen
Höhepunkt. J. H. Oldenbroeck wies darauf
hin, daß der IBFG >war die jüngste, gleich
zeitig jedoch die repräsentativste gegenwärtige
Gewerkschaftsinternationale sei. Er fuhr fort,
daß „die Stärke der freien Gewerkschafts
bewegung in ihrer Fähigkeit liegt, auf der
Grundlage der freien Aussprache und der
demokratischen Entscheidung sich selbst zu
verjüngen und allen neu auf tretenden Lagen
gerecht zu werden.“ In Bezug auf die Be
ziehungen zwischen den Gewerkschaften und
der IAO unterstrich er, daß sie nur dann
ersprießlich sein könnten, wenn die Gewerk
schaften frei seien, „denn die Natur selbst
der IAO erfordert, daß die Arbcitnehmer-
delegierten auf dieser Konferenz das Recht
haben, auf der Rednertribüne ihre eigenen
Regierungen zu kritisieren ohne fürchten zu
müssen, daß sie bei der Rückkehr in ihr Land
für Insubordination bestraft würden.“
Der Streit ginge nicht, hob Oldenbroek
hervor, um die Natur eines Wirtschafts
systems oder das Ausmaß öffentlichen Eigen
tums, solange diese nicht benutzt würden,
um die Arbeiter ihrer Freiheit und die Ge
werkschaften ihrer Unabhängigkeit zu be
rauben. Man kämpfe gegen die Verweige
rung der grundlegenden Menschenrechte. „Wir
glauben an Wahlen, nicht an Säuberungen lind
Liquidierungen, wir ziehen den Stimmzettel
der Kugel vor.“
Zum Schluß sprach der Generalsekretär
die Hoffnung ans, daß die IAO auch weiterhin
die Gewerkschaften bei der Aufrechterhaltung
der gewerkschaftlichen Freiheit unterstützen
werde und bei deren Einführung, so weit
sie noch nicht bestehe. Die Gewerkschafts
freiheit darf kein toter Buchstabe oder eine
hohle Phrase in der Satzung oder der Er
klärung von Philadelphia bleiben. „Man gebe
sieh keinem Irrtum hin“, schloß Oldenbroek,
„die Arbeitnehmer in vielen Ländern machen
ihr Urteil über die IAO davon abhängig,
wie weit diese in der Verteidigung der ge
werkschaftlichen Rechte fest bleibt.“
Das Problem der geistigen Arbeiter
Eine zweiwöchentliche Konferenz für An
gestellte und geistig Schaffende der IAO, die
von Vertretern der Regierungen, der Arbeit
geber und der Arbeitnehmer aus 20 Ländern
besucht war, nahm eine Reihe von Reso
lutionen zur Bekämpfung der Arbeitslosig
keit der geistigen Berufe an.
Die Konferenz erklärte, daß das Lehr
personal einen besonderen Beitrag in der
Heranbildung der Menschheit zu leisten habe
und deswegen die Arbeitsbedingungen ihm
einen Lebensstandard sichern sollten, der mit
der Würde und der Verantwortlichkeit seines
Berufes und dessen sozialer Wichtigkeit über-
einstimmte. Die Lehrer sollten frei in der
Ausübung ihrer bürgerlichen Rechte sein und
keiner Diskriminierung unterliegen, das Recht
haben, bernflichen oder gewerkschaftlichen
Organisationen beizutreten und volle akade
mische Freiheit bei der Erledigung ihrer be
ruflichen Aufgaben. Die Resolution über Maß
nahmen gegen die Arbeitslosigkeit der geisti
gen Arbeiter gab detaillierte Richtlinien fiir
die Stellen in den verschiedenen Ländern,
deren Tätigkeitsbereich den Arbeitsmarkt für
Angestellte und geistige Arbeiter beeinflußt.
Aus „Mitteilungsblatt des IBFG*