(Fortsetzung von Seite 6)
Schuhmachermeisters ein Kabinett gemietet";
; Ueber diese „herzensgute alte au" und ihre
Familienverhältnisse berichtet er:
„Unsere Quartiergeberin wohnte zusammen
I mit drei halberwachsenen Kindern im Zimmer
nebenan. Ihr Mann und eine erwachsene
Tochter waren einige Jahre zuvor an Tuber-
ikulose gestorben. Ein verheirateter Sohn litt
! gleichfalls an Tuberkulose und Marb an die
ser Krankheit, noch während ich bei sel
tner Mutter wohnte ... Ständig wurde sie
ivon der Angst gefoltert, däß auch die drei
i dahingerafft würden. Ihre Befürchtungen wa-
i ren leider gerechtfertigt. Sie hat alle ihre
Kinder überlebt" (64/65).
Eine ganze Familie von sechs Köpfen aus-
[ gerottet von der Tuberkulose, damals die
: Wiener Krankheit (morbus vienensis) ge-
| nannt, das war Wien im Jahre des öOjähri-
'gen Jubiläums der Thronbesteigung Seiner
Majestät des Kaisers von Oesterreich, Königs
von Böhmen usw. und apostolischen Königs
von Ungarn Franz Josef des Ersten. Eine
der Ursachen des Wütens der Tuberkulose
beschreibt Johann Böhm also:
„Die meisten Arbeiter und kleinen Ange-
f stellten, die mit ihren Familien eine aus Zim-
: mer und Küche, wenn es hoch ging, aus
’ Zimmer, Kabinett und Küche bestehende Woh
nung innehatten, haben sie mit Untermietern
! oder mit Bettgehern geteilt. Sie mußten das
Lun, weil sie allein aus ihrem Arbeitsverdienst
^-4» Zins nicht bezahlen konnten. Eine aus
: ...mmer und Gangküche bestehende Wohnung
(dal) heif)f eine Küche ohne Fenster ins Freie;
j deren Tür direkt auf den Gang öffnete) ko-
fsfefe in der Regel 12 bis 15 Gufder pro
I Monat, eine so Iche aus Zimmer, Kabinett
; und Küche 14 bis 18 Gulden, vereinzelt
- wohl auch 20 Gulden pro Monat. Bei einem
'Durchschnittseinkommen von 10 bis 12Gul-
jden pro Woche betrug der ’onatszins also
i mehr als einen Wochenlohn. Um ihn auf-
[ bringen zu können, muhten Untermieter und
Beftgeher mithelfen. Es war keine Selten-
f heit, daf) Familien von fünf oder mehr Per
sonen in einem einzigen Zimmer schliefen
• und in der Gangküche auf einem Notbeft
noch ein oder zwei Bettgeher" (66).
Das war Wien ohne Mieterschutz. Erst im
ersten Weltkrieg legten die Minister ihrem
kaiserlichen Herrn jene Notverordnung zur
Sanktion vor, die den Mieterschutz begrün
dete, der aber erst nach dem Kriege, in der
: Ersten Republik, seine sinnvolle Ergänzung
im sozialen Wohnbau erhielt.
Es ist im Rahmen dieses Referats nicht
:möglich, den reichen Inhalt dieses Buches
zuschöpfen. Man muh es lesen. Vor al-
die jungen Arbeiter mühte man dazu
.bringen, es zu lesen. Für sie ist dieses Buch
geschrieben, um ihnen zu zeigen, wie es
einst war, wozu der Kapitalismus fähig ist,
• wenn ihm nicht eine zum Kampf entschlossene
Arbeiterschaft Schranken auferlegt. Und da
mit sie würdigen lernen, was ie Generation
der Alfen,'auf die sie mit leisem Hochmu!
I herabsehen, geleistet hat, um ihnen eine bes
sere Welt zu bereiten, die de als etwaj
I Se^stverständüches hinnehmen.
p ür sie ist dieser Absatz geschrieben:
,,Es gab zu jener Zeit nicht selten auch
drückende Arbeitslosigkeit, doch gab es keine
Arbeitslosenunterstützung. Die Krankenkassen
: haben lediglich für kurze Zeit (in der Regel
waren es 20 Wochen) den erkrankten, ar
beitsunfähigen Arbeitern ein sehr geringes
j Krankengeld bezahlt und dazu eine ärztliche
| Behandlung, die auch den primitivsten An
forderungen nicht entsprechen konnte, ge-
j währt. Invaliden- und Altersversorgung gab
,es vor dem ersten Krieg nur für einen Teil
der Angestellten; alte und arbeitsunfähig ge
wordene Arbeiter waren einzig und allein
1 auf die Unterstützung ihrer arbeitsfähigen An-
I S e hörigen angewiesen. Hatten sie so’che rVchf,
• so blieb ihnen keine anders Möglichkeit,
als beffeln zu gehen.
Die gesetzliche Arbeitszeit war mit elf Stun
den festgesetzt, auch an Samstagen. Zu
schläge für Ueberstunden gab es selbstver
ständlich nicht, ebensowenig bezahlen Ur
laub, von dem ein Arbeiter nicht einmal zu
träumen gewagt hat" (68).
Lasen wir da kürzlich in einer Zeitung
das Buch Johann Böhms als ein Zeugnis da
für angeführt, daf) die Arbeiterbewegung von
heute sich von ihrer eigenen Vergangenheit
losgelöst habe.
Einige der Proben, die wir zitiert haben;
zeigen, dal) Johann Böhm nichts von dem
aufgegeben und abgeschworen hat, wofür
seine Generation gekämpft und geblufef hat
Hier noch zwei weitere:
„Die so weitgehende Verbesserung dereinst
bestehenden Zustände ist einzig und allein
auf die Wirksamkeit der Gewerkschaften und
der Sozialdemokratischen Partei zurückzufüh
ren. ln jahrelanger, harter, opferreicher und
schwerer Arbeit haben Partei und Gewerk
schaften die halb verlumpte Arbeiterschaft
dieser Stadt und unseres ganzen Landes aus
der ihr damals eigenen Lethargie aufgerüf
felt, ihren Widerstand wachgerufen und die
Arbeiter erst zu Menschen gemacht, ihnen
menschenwürdige Lohn- und Arbeitsbedingun
gen geschaffen, sie aus dem aflerschlimm-
sfen Wohnungselend herausgeführt und
schließlich zu wenigstens politisch gleichbe
rechtigten Bürgern dieses Staates gemacht"
(67/68).
Ermdssigung der
Gegen Jahresende wurde vom saarl. Land
tag das Abänderungsgesetz zum Einkommen-
__ sfeuergesefz verabschiedet. U. a. bringt dieses
Gesetz auch Ermäßigungen des Einkommen-
steuertarifes. So wurde bei der Sfatfelsteuer
(die Einkommensteuer wird bekanntlich in
Teilbeträgen nach festen Hunderfsätzen und
nach gestaffelten Hundertsäfzen berechnet) in
der Steuerklasse I der Freibefrag von 180.000
ffrs. Jahreseinkommen auf 220.000.— ffrs. er
höht. Die 2. Stufe (10 Proz. Belastung) wurde
von früher 180.000.— ffrs. bis 370.000.— ffrs.
auf 220.000.— ffrs. bis 420.000 ffrs. geändert.
Die 3. Stufe läuff demnach an mit einem Jah
reseinkommen von über 420.000.— ffrs. Die
übrigen Sfufen sind gleich geblieben, so daß
die Neufassung des Einkommensteuergesetzes
zu einer Steuerermäßigung für die Bezieher
kleinerer Einkommen führt.
Bei der Veranlagung werden Renten aus
der Angestelltenversicherung, Invalidenver
sicherung und Knappschaftsversicherung vom
A) KERAMISCHE INDUSTRIE
Da nun die Finna Villeroy & Boch end
gültig eine Verhandlung und damit eine Er
höhung der Löhne abgelehnt hat, hat der
I.-V. der Fabrikarbeiter alle Betriebsobmänner
der V&B-Werke am 7. 1. 54 zu einer Stellung
nahme eingeladen.
Es wurde einstimmig beschlossen, den
Staatl. Schlichtungs und Schiedsausschuß an
zurufen.
Den kfm. und techn. Angestellten teilen wir
mit, daß ein Tarifvertrag für die kfm.- und
techn. Angestellten ausgearbeitet und der
Firma V&B eingereicht wurde.
Mit diesem Vertrag soll erreicht werden:
a) eine klare Festlegung aller Tätigkeitsmerk
male und somit eine der Tätigkeit ent
sprechende Einstufung, sodaß jeder Ange
stellte anhand dieses Vertrages sofort fest
stellen kann, ob er richtig eingestuft und
nach welcher Gehaltsstufe er zu bezahlen
ist.
7,Freilich,' die wirtschaftlich«» OleicnberechS
figung ist noch ausständig; um sie geht zur
Zeit der Kampf. Unverkennbar ist aber, daß
wir uns auch ihr Schritt *ür Schrift nähern.
Am Ende dieser Entwicklung steht die so
zialistische Gesellschaftsordnung, die eines
Tages das kapitalistische Zeitalter abfösen
wird." (252).
Achtung!!
Sparer der französischen Bausparkassen
Wie schon in der Tagespresse veröffent
licht, werden saarl. Bausparer, die einen Ver
trag mit franz. Gesellschaften haben aufge
fordert, bis spätestens zum 20. 1. 1954 dem
Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Er
nährung und Landwirtschaft — Referat W 3,
Saarbrücken, Am Bahnhof, schriftlich fol
gende Angaben zu machen:
1. Name und Anschrift des Bausparers
2. Name der franz. Bausparkasse
3. Wann und in welcher Höhe ist der Bau
sparvertrag abgeschlossen worden?
4. Wünscht der Bausparer Erfüllung des Ver
trages oder will er vom Vertrag zurück
treten?
5. Wieviel Ist auf den Sparvertrag eingezahlt?
6. Ist die Bausparsumme bereits zugeteilt und
ausgezahlt?
7. Ist der Vertrag gekündigt?
Wir ersuchen die Interessenten dringend,
den Termin nicht zu versäumen!
20. Januar 1954!
Einkommensteuer
Einkommen abgezogen, wenn der Ge
samtbetrag der Einkünfte den Befrag von
300 000.— ffrs. im Jahre nicht übersteigt.'
D. h. mit anderen Worten, daß Renten steuer
frei bleiben, wenn sie den Jahresbetrag von
300 000.— ffrs. nicht erreichen und sonstige
Einkünfte nicht bezogen wurden.
Durch die Neuregelung der Haus
haltsbesteuerung wurden gewisse Här
ten ausgeräumt. So kommen Ehegatten erst
dann zur Veranlagung, wenn ab dem Verart-
lagungszeifraum 1952 der Gesamtbetrag ih er
Einkünfte im Jahre 900.000.— ffrs. überstiegen
hat (monafl. 75.000.— f, .). Zur Vermeidung
von Harfen bei der Zusammenveranlagung
wird die für die beiden Ehegatten berechnete
Steuer um 15 Proz. der Einkünfte der Ehefrau
aus nichtselbständiger Arbeit gekürzt, jedoch
höchstens um 15.000.— ffrs. für den Veran
lagungszeitraum 1952 um 22.000.— ffrs. für
den Veranlagungszeitraum ab 1953.
Sobald das Abänderungsgesefz offiziell vor
liegt, werden wir es eingehend besprechen.'
b) eine Erhöhung «1er derzeitigen Gehälter.
Wir werden diesen Entwurf in unserer
nächsten Nr. der „Arbeit“ veröffentlichen
Bei dieser Gelegenheit bitten wir alle Kol
leginnen und Kollegen die Mitgliedsbeiträge
rechtzeitig abzuführen und damit den Kassie
rern das schwere Amt etwas erleichtern.
B) CHEMISCHE INDUSTRIE
Auch hier versuchte der I.-V. der Fabrik
arbeiter zu Lohnverhandlungen mit dem Ar
beitgeberverband der Chemischen Industrie
zu kommen, um die derzeitig gültigen Löhne
und Gehälter zu verbessern.
Der Arbeitgeberverband hat eine Lohn-
und Gehaltserhöhung kategorisch abgelehnt.
Aus diesem Grunde hat die Tarifkommis
sion des Verbandes einstimmig beschlossen,
ebenfalls den Staatl. Schlichtungs- u. Schieds
ausschuß lüErzurufen.
I.-V. der Fabrikarbeiter
Willi Kuhnen
Der I.V. der Fabrikarbeiter meldet:
9