Full text: 8.1953 (0008)

SAARBRO 
Saarbrücken 
8 |ahrgang 
| •. i'Ll:-.- 
Jan./Fehr. 1958 
Nummer 3/B 
ORGAN OER EINHEITSGEIHEBHSLHEIETEN OER ARBEITER, ANGESTELLTEN UND BEAfTlTEN 
RUF AN AULE? 
Die täglichen Verluste in den Reihen der Arbeitnehmer reden eine 
deutliche Sprache: 
die Toten der Arbeit 
die Betriebsverletzten 
die Berufserkrankten 
die in der Existenz Bedrohten 
Helft alle mit im schweren Kampf um das Recht! 
Grosser Gewerkschaftsertolg 
Arbeitszeit im westdeutschen Kohlenbergbau bei gleichem Lohn herabgesetzt 
Mit Jahresbeginn ist die Gewerkschaft 
in eine neue Phase getreten, in eine ent 
scheidende Phase. Große, wichtige Auf 
gaben harren der Erfüllung. Voller Er 
wartung blicken die schaffenden Men 
schen auf die Lohn- und Preisfrage, auf 
das Betriebsrätegesetz, auf das Kündi- 
ungsschutzgesetz, die Altersversorgung, 
ie Frage der Konventionen, die Warndt 
frage und andere Fragen mehr. 
Diejenigen, die Gewerkschaftsmitglie 
der sind, haben ein Recht darauf, Kritik 
zu üben. Sie sind es, die mithelfen, die 
Dinge voranzutreiben. Aber warum las 
sen so manche Errungenschaften auf sich 
warten? Die gewerkschaftliche Kraft ist 
noch nicht stark genug. In diesem Jahre 
gilt es, uns stärker zu machen! 
Wir richten daher an alle Mitglieder 
den Appell: Jeder werbe wenigstens ein 
neues Mitglied! Wendet auch Ihr Euch 
an die Unorganisierten. Gebt ihnen eine 
richtige Antwort, wenn sie fragen: Wo 
sind denn Eure Errungenschaften, denn 
wir kaufen keine Katz im Sack? Hier 
bei kann den Kleingläubigen und Zau 
dernden gegenüber garnicht oft genug 
betont werden, was in jahrzehntelangem 
gewerkschaftlichen Kampf erreicht wor 
den ist. 
Sagt selbst: Wie wäre die Lage 
ohne gewerkschaftlichen Kampf? 
Früher selbstherrliche Untcrnehmer- 
diJctate, heute eine gesetzliche Rege 
lung der Arbeitszeit; 
früher keine oder völlig unzureichende 
Tarif abkommen, heute geregelte 
Lohn- und Tarif abkommen dej .ein 
zelnen Gruppen; 
früher Maßregelungsbiirns der Unter 
nehmer, heute gesetzliche Arbeits 
ämter; 
früher ohne Urlaub, heute bezahlter 
Urlaub nach Beschäftigungsdauer ge 
regelt; 
früher Arbeitslosigkeit und Kurzar- 
beitohne geregelten BeihilfeansprucK, 
heute gesetzlich geregelte Ansprüche; 
früher Schutzlosigkeit in den Betrie 
ben, heute die Einrichtung der Be 
triebsräte; 
früher völlig mangelhafte Einrichtun 
gen bei Krankheit, Unfällen und 
Alter, heute fortschreitende Verbes 
serungen in den Sozialversicherun 
gen verschiedener Art. 
Was ist noch anzufügen als gewerk 
schaftliche Initiative bzw. Mithilfe? 
Schaffung der Arbeitskammer mit ei 
ner Unmenge von Aufgaben, sozialer 
Wohnungsbau, Rechtsschutz auf der 
Ranzen Linie und vieles, vieles mehr. 
Ferner ist aufmerksam zu machen 
auf die vielen gewerkschaftlichen Ini 
tiativen und Unterstützungen in wich 
tigen grundsätzlichen Entscheidungen 
auf der Ebene des allgemeinen Kamp 
fes für Rieht. Freiheit und Frieden 
zur Wahrung der Demokratie, für Kon 
sumentenschutz, Mieterschutz in Er 
nährungsfragen, in Kulturfragen (siehe 
die Theatergemeinden der Gewerk 
schaften) kurz in allem, was den Fort 
schritt und die Existenz der Arbeiter 
und ihrer Familien betrifft. 
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen'! 
Dieses klare Wort kann man den Ge 
werkschaften gegenüber mit ruhi 
gem .Gewissen hcrausstellen. Der Kampf 
ist nicht zu Ende. Doch ein einheitli 
cher Wille führt zu neuen Erfolgen. Das 
ist gewiß 1 
Im Verbandsorgan des I. V. Metall 
wurde kürzlich ein Wunschzettel an den 
neuen Landtag veröffentlicht. Der 
Wunschzettel gilt im wesentlichen für 
alle Schaffenden. Folgendes wird fest 
gestellt: 
Von allen Gesetzen erscheint uns das 
Belriebsrätegesetz das wichtigste. Wir 
hoffen, daß dieses in Bälde verabschie- 
fM wird. Nachdem in Deutschland das 
Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet 
j w ® nsc ^ ien au ch wir an der Saar, 
«aß das saarländische Betriebsräfegesetz 
ght M*m Gesetz wesentlich angepaßt wird. 
Des weiteren steht noch ein Gesetz 
über Aenderungen in der Sozialversiche* 
rung des Saarlandes zur Tagesordnung. 
Dieses soll eine Verbesserung des Grund 
betrages in der Invaliden- und Angestell- 
lenversicherung von 4000 auf 6000 Frs. 
bringen; ferner den Steigerungsbetrag 
von 1,2 o/o auf 1,5 o/o erhöhen und da 
rüber hinaus auch die Arbeitsentgelte für 
frühere Beitragszeiten neu festsetzen. 
Wenn dieses Gesetz verwirklicht werden 
würde, so wie es von uns eingebraebt 
wurde, wäre die Not unserer Sozialrent 
ner wesentlich gelindert. 
Ferner ist noch zu erwähnen ein Ge» 
setz über Verbesserung der Steigerungs 
beträge für Kriegsteilnehmer, d. h. für 
die Zeiten, in denen die Arbeitnehmer 
zum Militär- oder Arbeitsdienst eingezo 
gen waren. Bisher waren die Monatsein 
kommen für die in Frage Kommenden 
leider zu niedrig gesetzt, und da es eine 
große Anzahl Arbeitnehmer gibt, die in 
ihrem Leben 6, 8 und 10 Jahre Mili 
tärdienstzeit haben, ist auch dieses Ge 
setz sehr wichtig. 
Des weiteren ist die Beseitigung der 
Höchstbeträge des versichcrungspflichti- 
gen Einkommens nicht mehr den Ver 
hältnissen angepaßt. Daher soll die 
Höchstgrenze fallen oder zumindest er 
heblich erhöht werden. Die jetzt bei 
39 000.— Frs. liegende Höchstgrenze er 
faßt nur noch einen Teil der Arbeitneh 
mer. Alle, die in ihrem Monatseinkom 
men über 39 000.— Frs. monatlich lie 
genden Arbeitnehmer sind unterver 
sichert. Dies trifft insbesondere unsere 
mittleren und höheren Angestellten der 
PrivatDiese, man kann schon 
sagen,' unbillige Härte muß beseitigt 
werden. 
Dann ist das Kündigungsschutzgesetz 
sehr wichtig. Hierdurch sollen insbeson 
dere die älteren Arbeitnehmer geschützt 
und jeder Entlassungswillkür Schranken 
gesetzt werden. Man will dadurch errei 
chen, daß die kurzfristigen Kündigungen 
ausgeschaltet werden, weil dieselben in 
der heutigen Zeit den Arbeitnehmern zu 
schwere Schicksalsschläge auferlegen 
könnten. Wohl haben wir durch den 
jetzt geltenden Kündigungsschutz schon 
manche Mängel beseitigt ,aber die bis 
herige Erfahrung in Bezug auf Kündi 
gung verpflichtet uns, hier grundsätzlich 
neue Wege zu gehen. 
Das Gesetz zur Wiederherstellung der 
Selbstverwaltung der Landesversiche 
rungsanstalt für das Saarland ist eben 
falls sehr wichtig, aber leider in sei 
nem Entwurf noch nicht so ausgebaut, 
wie wir als Gewerkschaft das wünschen.' 
Das einzige bisher durch den Saarlän 
dischen Landtag verabschiedete Gesetz 
über Selbstverwaltung der Sozialversiche 
rung ist das Saarknappschaftsgesetz. Dort 
hat man die Organe, die zum reibungs 
losen Ablauf notwendig sind, geschaffen. 
Dasselbe wünschen wir auch in den ver 
schiedenen Zweigen der LVA. Die Kran 
kenkassen müssen ihre Ausschüsse und 
Vorstände wieder bekommen; ebenso die 
Saarhüttenknappschaft, die früher 
Knanpschaftsälteste, Ausschuß und Vor 
stand als Organ hatten. Dasselbe muß 
gellen für die Familienkasse und die 
Invaliden- und Angestclltenv er Sicherung. 
Wer objektiv urteilt, der kann nicht 
anders als im eigenen Interesse — und 
auch Frau und Kind ist er cs schuldig 
— der gewerkschaftlichen Organisation 
beizutreten. Auf jedem andern Gebiet 
wird es begriffen, daß ein Verein be 
steht, um gewisse Ziele zu erreichen. 
Und hier auf dem ureigensten Gebiet, 
gegenüber der Gewerkschaftsorganisa 
tion darf es jetzt kein Zögern mehr 
geben. 
Lassen wir es uns doch zur Lehre 
dienen: Solange es keine starken Ge 
werkschaften gab, herrschte ein sozia 
ler Tiefstand von katastrophalem Aus 
maß. Das ist begreiflich. Wenn man et 
was fordert, muß eine Kraft, ein Macht 
faktor, dahinterstehen, sonst kümmert 
sich kein Mensch darum. Und die Er 
folgsaussichten wachsen mit der Stärke 
der Gewerkschaft. 
Wenn die Gewerkschaft Forderungen 
stellt, so weiß sic genau, was sie wilL 
Die Nachricht von der Festsetzung der Ar 
beitszeitverkürzung im westdeutschen Kohlen 
bergbau ab 1. April ds. Js. hat tu der gesamten 
Arbeitnehmerschaft einen freudigen Widerhall 
gefunden, begreiflicherweise in erster Linie bei 
den Bergarbeitern. Die Verkürzung der Arbeits 
zeit auf 7</i Stunden täglich bzw. auf 45 Stun 
den in der Woche bei gleichem Lohn wie bis 
her bei acht Stunden konnte erst nach einem 
dramatischen Kampf zwischen der Gewerkschaft 
und dem Unternehmerverband errungen werden. 
Vorangegangen war eine Urabstimmung unter 
den Bergarbeitern, wobei 450 000 Bergarbeiter 
bei einem Scheitern der Verhandlungen sich für 
einen Streik ausgesprochen hatten. Im letzten 
Augenblick wurden Verhandlungen der betei 
ligten Sozialpartner mit Regierungsvertretern 
u. a. mit dem Bundeskanzler Adenauer in Bonn 
durchgeführt. Ein Kompromiß konnte für die 
Bergarbeiter nicht in Frage kommen, da ihre 
Forderung maßvoll war und sie genug Geduld 
bewiesen hatten, deim die Forderung ward: 
seit 1951 erhoben. 
Sie fordert nicht nur, sondern weiß auch 
um die Verantwortung, die sich für das 
Gesamte daraus ergibt. 
Noch in diesen Tagen konnte man 
feststellen, daß sich ein Verband der 
freien Berufe gebildet hat. Also wir 
sehen, alles organisiert sich. Das ist der 
Lauf der Zeit, idie gebieterische Forde 
rung unseres an immer neuen Problemen 
zu reichen Zeitalters. Ein Abseitsstehen 
ist einfach unverzeihlich.’ 
Worum geht es jetzt und in näch 
ster Zeit? Das ist eingangs nur angedeu 
tet. Jetzt heißt es, methodisch und ener 
gisch an die Arbeit zu gehen. Die ein 
zelnen Verbände haben neben der 
Unterstützung der großen Forderungen 
auf der Gesamtebene besonders ihre 
jeweiligen eigenen Forderungen zu stel 
len, die vor allem in Tarifabkommen ihre 
Auswirkung finden; 
Die Lösungen sind nicht einfach. Aber die 
Aufgaben sind zu lösen, die Erfolge sind, 
so wie in der Vergangenheit — wie oben 
erwähnt — auch in Zukunft zu ver 
zeichnen, wenn wir uns in Massen zu 
sammenfinden. 
Man spricht soviel von Vollbeschäfti 
gung. Die diesbezüglichen Behauptungen 
sind doch nur mit einer gewissen Re 
serve zu betrachten. Ganz abgesehen da 
von, daß viele Beschäftigungen keine 
Dauerbeschäftigungen sind, haben viele 
Schaffenden keine ihren Fähigkeiten ent 
sprechende Position: 
Wir können es begreifen: daß 
hier im Lande von Kohlen und Eisen 
mit engmaschigem Verkehrsnetz Kapital-? 
Zu dem großen Erfolg beglückwünschen alle 
Schaffenden, Arbeiter wie Angestellte, ,hr* 
Kameraden. 
Die Reaktion auf der Gegenseite ist bezeich 
nend. Man beaehtc die Darstellung, die das 
Ereignis, das eine neue Entwicklung anbabtien 
und gewisse Strukturwandlungcn zu verzeichn 'n 
haben wird, in Presse und Rundfunk gefunden 
hat. Wieder wurde ein wichtiger Meilenstein 
zurückgelegt, wobei es nicht darum ging, ein 
fach eine verkürzte Arbeitszeit zu erringen, 
nur um weniger zu arbeiten, sondern darum, 
teilzuhaben am technischen Fortschritt, an 
Verbesserungen durch Rationalisierungen und 
um der überaus schweren Arbeit Rechnung zu 
tragen. 
An der Saar Ist die Forderung auf Arbeits 
zeitverkürzung gleichfalls erhoben worden. Das 
Ereignis in der Bundesrepublik kann nur An 
trieb zu einer beschleunigten Regelung auch an 
der Saar sein. 
anlagen sich lohnen, auch solche von 
draußen. Diese wirtschaftliche Entwick 
lung kann aber noch weit besser wer 
den. Die Voraussetzungen sind gegeben; 
Die Arbeitnehmerschaft muß wissen, 
daß, will sie an einer guten Weiterent 
wicklung ihren gerechten Anteil haben,’ 
kämpfen muß. Es wurden aber nicht 
nur Forderungen cinzureichen, sondern 
es hat bei den gewerkschaftlichen For 
derungen bisher an genau abgewogenen 
und erfüllbaren Vorschlägen nie gefehlt: 
Wir begrüßen einiges an den verschie 
denen Programmen, die von Parteien 
besonders angesichts der letzten Saar 
wahlen aufgestellt wurden und worin wir 
zum Teil gewerkschaftliche Forderun 
gen berücksichtigt finden. Aber leider 
müssen wir uns hierbei auch an so 
manche leere Versprechungen erinnern. 
Man soll bedenken, daß auch der dickste 
Geduldsfaden eines Tages reißen kann* 
und die heutige Umwelt ist ein lehr 
reiches Beispiel dafür, wohin es dann 
führt. Wir haben Erfahrung und mußt 
ten schon manche Methoden kennenleri 
nen, mit denen die Arbeitnehmerinterf 
essen auf die lange Bank geschoben w r or|, 
den sind. Aber man wurde auch schoA 
damit fertig, und die Gewerkschaften ha 
ben auch ihre Gegenmethoden, um sich 
Geltung zu verschaffen, wenn es nicht 
anders geht. Angesichts der Teuerung, 
dem oft mangelnden Verständnis fürj 
grundsätzliche Arbeitnelunerforderuneetij 
s— hier sei noch einmal das Betriebs - 
rätegesetz besonders erwähnt — sammelt 
sich in der Arbeitnehmerschaf! i nnier 
mehr Explosionsstoff a& ■
	        
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