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April Mai 1953
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Schmutzige SeeCeu affeu&acten sich
uns nicht vielmehr auf unsere eigent
liche Aufgabe besinnen, der Wahrer
der wirtschaftlichen und sozialen Be
lange der Arbeitnehmerschaft zu sein,
Lassen wir in unseren Reihen doch
alles, was uns trennen muß. hüten wir
uns vor allen Dingen davor, zum Tum
melplatz politischer Strömungen zu
werden, auf dem eine positive Gewerk
schaftsarbeit zum Wohle aller Schaf
fenden nicht gedeihen kann.
Der 1. Mai als der Weltfeiertag der
Arbeit ist der Tag, an dem die Arbeit
nehmerschaft in den Kundgebungen
ihre geballte Kraft dokumentieren will
und vor aller Öffentlichkeit ihre ge
rechten Forderungen mit Nachdruck
erhebt.
Wir rufen zu den Kundgebungen der
Einheitsgewerkschaft am I. Mai 1953
alle schaffenden Menschen an der
Saar, gleich welcher politischen Rich
tung sie angehören, wir rufen sie alle,
die guten Willens sind, ihre Parteiin
teressen hinter den gemeinsamen In
teressen der Arbeitnehmerschaft zu
rücktreten zu lassen, da nur so der 1.
Mai 1953 das sein kann, was er sein
soll, die machtvolle Demonstration ei
ner einigen Arbeitnehmerschaft an dei
Saar
für Freiheit und Demokratie,
für Frieden und sozialen Fort
schritt in der ganzen Welt!
men steigern sich zu Formen, deren
Scheußlichkeit selbst den bisher gläu
bigen Kommunisten diexAugeu öffnen.
Voller Scham und Erschütterung erle
ben wir, daß im Namen des Kommu
nismus ein sowjetamtlicher Antisemi
tismus an die niedrigsten und übelsten
Instinkte im Menschen appelliert. Noch
heute schmachten die Völker in Ket
ten, und Kriegsgefangene und Ver
schleppte verkommen noch immer un
ter unmenschlichen Arbeitsbedingun
gen in den Kriegsindustrien der Sow
jetunion.
Der Weizen der Diktatoren kann nur
wachsen, w o Unwissenheit und das Ge
fühl der Unruhe und Unsicherheit die
Menschen ständig in Spannung halten.
Abgesehen von den strategischen Kal
kulationen des jederzeit angriffsberei
ten Kreml wird darum der Krieg in
Korea fortgesetzt, und nicht nur um
das Los der Kriegsgefangenen; nur da
rum wird in Oesterreich der sinnlose
Zustand der Besetzung aufrecht erhal
ten : und nur darum wird in Berlin die
Atmosphäre einer belagerten Festung
erzeugt.
Kamof allen Diktatoien
Und so, wie wir der Schändung des
1. Mai im Sowjetbereich unser empör
tes Nein entgegenstellen, so wendet
sich unser Wollen und Kämpfen gegen
die Diktaturen der Rechten. Unser Be-
wußtsein bäumt sich dagegen auf, daß
es Franco-Spanien gestattet sein soll,
in Organen der Vereinten Nationen
mitzuwirken und in der UNESCO seine
Ku! urschänre • ne'en die besten Köpfe
der Welt auf den Gebieten von Kunst,
Wissenschaft und Bildung setzen zu
dürfen. Franco-Spanien, Peron-Argen-
tinien und ihre Gleichgesinnten blei
ben unsere Gegner, auch wenn ihre
glatten Manieren und ihre vermeintli
che und doch so zweifelhafte Nützlich
keit ihnen Fürsprecher und Helfers
helfer in der freien Welt gegeben hat.
Unser Kampfruf erhebt sich gegen die
Versuche neo-faschistiseher Kreise,
unter der Tarnkappe bürgerlicher
Konsolidierung ähre üblen Geschäfte
zu treiben, bei denen oft die Querver
bindungen zur Sowjet-Diktatur nur
oberflächlich verhüllt werden können.
Pflichten der Demokratien
Die freie Gewerkschaftsbewegung
der \\ eit sieht mit tiefer Besorgnis,
daß hier und da die Organisationsfrei
heit behindert, der soziale Fortschritt
gehemmt und der wirtschaftlichen De
mokratie von den Anbetern traditions
gebundener Wirtschaftsformen die
Durch einen unserer Verbandsfuuktio-
näre erhalten wir eine aus 6 Seiten
bestellende Zeitung in Kleinformat. Die
Ueberschrift lautet: „Freie Saarpresse“
(Die deutsche Zeitung an der Saar, Jahr
gang 1 Nr. 2, gedruckt in Straßburg,
März 1953.
Wir haben grundsätzlich nichts dage
gen, wenn in Deutschland Stimmen laut
werden, die eine andere Regelung der
Saarfrage wünschen. Wir haben als Ge
werkschaften noch zu keiner Stunde ge
stritten darüber, daß die Saar deutsch
ist und würden auch gar keine Aktion
dagegen unternehmen, wenn die Saar
eines Tages an die Bundesrepublik an-
gegliedert würde. Erstens einmal, weil
es uns als Gewerkschaften nicht zu
steht, uns in rein politische Angelegen
heiten einzumischen und zweitens, weil
wir durch die Verschiedenheit unserer
Mitglieder auch garuicht in der Lage
sind, zu solchen Fragen Stellung zu neh
men. Wir haben bisher, wenn man uns
darum gefragt hat, ganz offen erklärt,
daß der wirtschaftliche Anschluß der
Saar an Frankreich für die Saar wirt
schaftliche Vorteile mit sich bringt. Wir
waren auch in der Vergangenheit so mu
tig und haben unsere Meinung zu dem
wirtschaftlichen Anschluß bei passen
den Gelegenheiten zum Ausdruck ge-
biaclit. Es ist verständlich, daß wir als
die Vertreter der Arbeitnehmerschaft die
sen Anschluß vom Gesichtspunkte des
größten Schwierigkeiten bereitet wer
den. In manchen Teilen der demokra
tischen Welt werden elementare
menschliche Rechte und Freiheiten an
gegriffen. Südafrika, Tunesien, Ma
rokko und Südrhodesien sind schreien
de Beispiele rücksichtsloser Unter
drückung des natürlichen Strebens der
V ölker nach Gleichheit und Selbstbe
stimmung. Hier sehen wir mit aller
Deutlichkeit, daß der Kampf unserer
Tage nidit auf politische Rechte, stra
tegische Positionen, Märkte und alte
Herrschaftsformen beschränkt ist, son
dern daß es vor allem um die Seele der
Völker geht, die für die Demokratie zu
gewinnen, Lebensaufgabe unseres hi
storischen Zeitabschnittes ist. Wir un
terstützen das berechtigte Verlangen
abhängiger Gebiete nach politischer
Unabhängigkeit. Statt totalitären Kräf
ten den Mißbrauch dieses Verlangens
zu erlauben, muß den kühnen Erneue
rungsplänen fortschrittlicher Kräfte
die Möglichkeit der Entwicklung gege
ben werden. Wir appellieren an die
demokratischen Länder, sich der Auf
gabe der Verteidigung der Rechte der
Völker gegen alle Angriffe gewachsen
zu zeigen.
Vorwärts mit dem I6FG!
Umgeben von den Gefahren einer
unruhigen Welt ist die freie Gewerk
schaftsbewegung — 1 verkörpert im In
ternationalen Bund Freier Gewerk
schaften und den mit ihr verbundenen
Berufsinternationalen — ihren Weg
des Aufbaus und Fortschritts gegangen.
Nicht nur in den klassischen Län
dern der Gewerkschaftsbewegung, son
dern auch in den unterentwickelten
Gebieten der Welt sammelt sich die
Arbeiterschaft um den IBFG, erkennt
immer mehr, daß Demokratie kein lee
rer Begriff, Freiheit keine Phrase, Ge
rechtigkeit das Grundelement mensch
licher Gemeinschaft und soziale und
wirtschaftliche Verbesserung des Le
bens, ständige Verbesserung des Le
bensstandards und Sicherung der Voll
beschäftigung erreichbare Güter sind.
In treuer Verbundenheit mit ihren
Freunden in Nordamerika und Europa,
in Australien und Neuseeland sind sie
die Bannerträger einer neuen Welt.
Gewerkschaftliche Bildungsstätten
bekämpfen die Unwissenheit und schu
len die Streiter für Freiheit und Recht;
junge gewerkschaftliche Organisation
nen entstehen und wachsen. Die Zuge
hörigkeit zur Weltfamilie der freien
Gewerkschaften gibt den bisher Stum
men und auf Hilfe von außen Warten
den das Gefühl der aktiven Teilnahme
am Geschehen unserer Zeit. Je slärker
saarländischen Arbeitnehmers aus schon
und auch unsere Forderungen und
Wünsche darauf eihstellen. Darum ha
ben wir auch nie einen Hehl daraus ge
macht, daß wir die Aenderung der 1950
zwischen Frankreich und der Saar abge
schlossenen Konventionen fordern, weil
wir wußten, daß dieselben für die Exi
stenz der saarländischen Arbeitnehmer
schaft ungünstige Auswirkungen haben.
Im übrigen haben wir immer die Mei
nung vertreten, daß an der Saar ge
sunde demokratische Verhältnisse ge
schaffen werden sollen, daß Arbeitsrecht
und Sozialgesetzgebung fortschrittlich
sein müssen, kurzum alle Forderungen
und Wünsche resultierten aus den Inter
essen der gesamten Arbeitnehmerschaft
an der Saar. Nun ist man dabei, die
damals sehr einseitig abgeschlossenen
Konventionen zu ändern. Wie weit un
sere Forderungen dabei in Erfüllung ge
llen, wissen wir zur Stunde noch nicht.
Sollten dieselben von unseren allgemei
nen Forderungen abgehen, dann hätten
die Vertreter der -Einheitsgewerkschaft
sicherlich auch den Mut, dieselben zu
kritisieren und Aenderungen zu fordern.
Die Einheitsgewerkschaft hat bis heute
zweifellos durch ihre Tätigkeit auf so
zialpolitischem und wirtschaftlichem Ge
biet für die Arbeitnehmer, die sie zu
vertreten hat, beachtliches geleistet und
sie wird ungeachtet der politischen Kon
stellation der Saar die bisherige Tätig
keit fortführen und das wird sie tun
trotz dem Gekläffe der „Auch-Ge
werkschaftler“, Nationalisten und der
sonstigen ewig Gestrigen. Wir haben bis
heute jedem Saarländer seine Meinung
gelassen und verstehen auch, daß in
einem Grenzland wie die Saar, ver
schiedene Meinungen anzutreffen sind.
Wir verachten oder verdächtigen nie
mand wegen seiner Meinung, es sei denn,
daß eine Person diese Meinung allzu oft
wechselt oder besser gesagt, den Mantel
nach dem Wind hängt, wie wir das
leider erleben müssen bei so vielen un
serer Zeitgenossen, die alle diejenigen,
die nicht ihrer Meinung sind, verachten,
beschimpfen, denunzieren usw. Wir ha
ben bis heute gezeigt, daß wir über den
Dingen stehen. Wie steht es aber mit
denen, die z. B. die Urheber der soge
nannten freien Saarpresse sind. Hier
wird ohne näheres Eingehen auf iw
Verhältnisse und ohne Kenntnis der Sach
lage einfach über verschiedene Gewerk
schaftsfunktionäre in der schäbigsten
Weise losgezogen. Man spricht in die
sem Blättchen von Funktionären, die kein
Ehrgefühl hätten, die Büttel der franzö
sischen Kapitalisten seien, die bewußt
die Arbeitnehmer an die Franzosen aus-
lieferten, verrieten usw., ohne dabei die
wirkliche Lage der Saar zu unterst! -
Vom Arbeitsministerium in den USA wurde
eine vergleichende Studie über Industriearbei
terlöhne und Nahrungsinittelpreise in einer lleä-
USA
Frankreich
Brot
6
9
Rindfleisch
31
126
Schweinefleisch
32
91
Butter
30
135
Kartoffeln
2
3
Zucker
4
21
wir sind, um so größer die Gewähr,
daß die demokratischen Völker in ih
rem Vorwärtsschreiten die Stimmen
der ungezählten Millionen der arbei
tenden Menschen nicht überhören
können.
An diesem 1. Mai ergeht erneut der
Ruf des Internationalen Bundes Freier
Gewerkschaften an alle:
Schließt die Reihen im Kampf für
Freiheit und Gerechtigkeit, sozialen
Fortschritt, Brot und Frieden!
Vergeßt nie, daß unser Ziel erst dann
clien. Wir sind fest davon überzeugt, daß
diese S hrcibcriinge noch nie im Leben
eine ehrliche Arbeit aisge führt haben. Es
ist sehr leicht, wenn man in einem an
deren Lande sitzt. Gift über die Grenze-
zu spritzen. Man braucht ja letzten En
des bei illegalen Zeitungen nicht seinen
Namen zu nennen. Man wirft uns mich
in dem Blättchen \or. daß wir auf allen
Gebieten so rückständig seien. Es läßt
sich jedoch mit aller Ruhe sagen, daß
wir in unserer Sozialgesetzgebung heute
in Europa mit an der Spitze stehen,
das wird von der Sehutnannplanbehörde
in einem zusammehgefaßten Lagebericht
offen zum Ausdruck gebracht. Daß wir
noch viele Forderungen und Wünsche
haben, ist unbestritten, aber das ist nicht
nur so bei uns. das ist auch sonstwo.
Aon der Gewerkschaftsgeschiehte schei
nen diese Herrschaften sehr wenig zu
wissen, andernfalls wäre ihnen bekannt,
daß Löhne und Gehälter an der Saar
früher stets hinter denen im Rheinland
und an der Ruhr lagen was heute nicht
mehr zutrifft, und wenn man heute ver
geblich nach leitenden Personen für un
sere Bergbau- und Metall betriebe sucht
und diese an der Saar nicht fin
det, so sind daran nicht schuld die
paar verfluchten „Separatisten“, son
dern diejenigen, die das Gebiet an der
Saar immer wie ein Protektorat behan
delt haben, denn wer früher ein echter
Preuße oder Bayer sein wollte, mußte
in Berlin oder München wohnen.
Wir können viel verstehen, aber daß
man ausgerechnet jetzt, da alle ehrlichen
Menschen in Europa den Frieden wün
schen und versuchen dazu beizutragen,
daß eine Einigung Europas zustande
kommt, es immer noch Personen gibt,
die von der Völkerverhetzung leben. Sie
werden so lange zu hetzen versuchen,
bis die Völker sich wieder als Feinde
gegenüberstehen, um sich schließlich wie
der bekriegen, denn bei ihnen scheint
die alte Naziparole lebendig zu sein:
„Solange der Fuchs den Hasen frißt,
wird es Kriege geben.“ Es sind eben
arme Kreaturen, selbst wenn sie einen
akademischen Grad tragen, die zu nichts
besserem geboren sind, als zu Verleum
dung und zur Hetze gegen andere Men
schen. Auf der einen Seite ein schönes
Gerede von brüderlicher Zusammengehö
rigkeit, auf der anderen Seite Hetze ge
gen alle die, die eine andere Idee haben.'
Erfreulicherweise finden jedoch diese
Hetzapostel an der Saar nicht allzu viel
Gehör. Für sie gilt in erster Linie ein
netter Spruch des deutschen Dichters
Heinrich Heine:
„Ich kenne die Weise,
ich kenne den Text,
ich kenne auch die Herren Ver
fasser,
ich weiß, sie trinken hintenherum
den Wein
und predigen öffentlich Wasser.“
he von Ländern veröffentlicht. Die Studie, die
sich auf den Stand von Ende 1951 / Anfang 1952
bezieht, ergab folgenden
Deutschland
Italien
Rußland
12
13
14
128
132
87
124
220
115
162
270
3
5
9
21
37
110
erreicht ist, wenn auch die. die heute
schmachten und unterdrückt sind, in
unseren Reihen stehen!
Laßt uns alle an diesem Tage einge
denk sein unserer unauslöschlichen
Verpflichtung der brüderlichen Solida
rität!
Heißes Herz und kühler Verstand
seien unsere Wegbegleiter!
Es lebe die freie GewerkschaflsbC-
we r ung!
Es lebe der Internationale Bund
Freier Gewerkschaften!
Mai-Aufruf 1953 des IBFG
(Fortsetzung von Seite 1)
Reallöhne in USA, Euiooa und Rußland
Index der Kaufkraft eines Arbeiterstundenlohnes ohne Fam.-Zulagen
ohne Familienzulagen
mit Familienzulagen
(1 Arbeiter mit 2 Kindern)
Vereinigte Staaten
100
100
Norwegen
71
73
Großbritannien
65
67
Dänemark
62
70
Schweiz
48
56
Westdeutschland
42
(werden keine gewährt)
Frankreich
36
51
Oesterreich-
30
36
Italien
26
31
Sowjetrußland
18
(werden erst vom 4. Kind
Arbcitsminuten, die erforderlich sind für
■ ein Pfund Lebensmittel