Saarbrücken
7. ]ahrgang
Juni 1952
Nummer 7
ORGAN DER UMSCMAStHAFTEN DER ARBEITER ANGESTELLTEN ONO BERUHEN
GeroerfcfdioflsfeinDe obgebli^t
Entgegnung des 1. Vorsitzenden der Einheitsgewerkschaft auf
den Artikel in der SVZ «Paul Kutsch im Wandet der Zeiten".
nmiHmitmimmiinimmiimmmmmiimmfliimimmiHiiiitiiiimiiiiiiiimiHimHHmmmmiimiimiimiinimimniiimiHiMiiiiiHiiiiiiHiHHiiimiiiimiiimiiiiiniiimiiiiiiiiiiumii
Aus dem Inhalt:
KJIcbtlge Entfrbliefrung zur Eobnfrage unö zum larifoertragsrerbt
Der freie Iflarbmlttag im Einzelbanbel
Eine ßlarftellung
Düs Öen öetbänben
Saarländer erleben Öen Bunbes=iRngefteH{entag
Deutliche fibfubt öurcb f öcber
KJer rolll Cbriftllcbe Beroechfcbaftenl
iiwiinintniininiiifflmimimHiiffliBiBHBiiHiiiimmiiiiiimHiiitiiiiiiimiiimiiiiHimniiitinBiiiiiiimiimnniiniiuiiiiuiHmiiiiimiimiHiitmmiiüiinniinmnmimiiiiimiiimiiiiii
Stackes Vectcauen für die Verbandsführung
Paul Kutsch mit 80% zum 1. Vorsitzenden des I.V. Bergbau gewählt.
Klare Richtlinien - Mit Glück auf I in Einheit in die Zukunft I
Die SVZ glaubt durch den Artikel „Paul
Kutsch im Wandel der Zeiten“ in ihrer Num
mer vom 5. 6. 1952 in meiner Person eine
Volksbewegung treffen zu können, die eine
Aenderung des derzeitigen Zustandes an der Saar
herbeizuführen wünscht, um den wirtschaftli
chen Ausverkauf des Saarlandes zu verhindern.
Daß das Organ der Regierung hierbei zweifellos
auch so nebenbei beabsichtigt, Spaltung in die
Reihen der Einheitsgewerkschaft zu tragen, sei
nur am Rande vermerkt.
So sehr es vielleicht zur Stärkung meines
Selbstbewußtseins beitragen könnte, daß man
meiner Person so übergroße Bedeutung zuzu
messen scheint, die eine Polemik auf der be
stimmt doch „kostbaren“ Titelseite der SVZ
rechtfertigen könnte, so gebieten mir doch Er
kenntnis und Verantwortungsbewußtsein, die
SVZ darauf aufmerksam zu machen, daß das
Bestreben der überwiegenden Mehrheit des Saar
volkes, klare und gesunde Verhältnisse an der
Saar zu schaffen, durchaus nicht mit meiner
Person steht und fällt,
Die Illusionisten, die in mir den großen Füh
rer einer Rückgliederungsbewegung sehen, be
stehen doch wohl nur in der etwas nebelhaften
— um nicht zu sagen boshaften — Vorstellung
der SVZ, da weder ich selbst noch die Men
schen, von deren Vertrauen meine Stellung in
der Einheitsgewerkschaft getragen wird, daran
denken, eine nationalistische Bewegung zu ent
fachen, sondern lediglich mit heißen Herzen
bemüht sind, das Saarvolk aus einer Situation
zu befreien, die ihm wirklich nicht — zumin
dest auf die Dauer — zum Vorteil gereichen
kann.
Wurde nicht durch die Regierungspartei
selbst, aber auch durch die Opposition, die
seinerzeit in Paris abgeschlossenen Konventio
nen mit ratifizieren half, die Revision der Kon
ventionen gefordert, und damit auch natürlich,
wenn man 4 etn auch nicht so offen Ausdruck
verlieh, die Aenderung des derzeitigen Zustan
des an der Saar?
Leider verbietet mir der Gegenstand meiner
Erklärung, die sich ja mit der Polemik der
SVZ zu befassen hat, auf diese Dinge näher ein
zugehen. Andererseits dürfte es ja auch ein ver
gebliches Bemühen sein, auf der Gegenseite
auch nur das geringste Verständnis wecken zu
wollen, da man ja die mittlerweile viel ge
schmähte Opposition gar nicht verstehen will.
Oder darf man uns etwa nicht verstehen, weil
man sich in der Vergangenheit in irgendeiner
Richtung zu sehr gebunden hat und einen die
Fessel dieser Vergangenheit nicht mehr losläßt?
Ich persönlich fühle mich jedenfalls weder
für die Vergangenheit noch in der Gegenwart
an irgend eine Stelle gebunden, es sei denn an
den Willen meiner Organisation, von der ich
auf dem letzten Landeskongreß zum 1. Vor
sitzenden gewählt wurde, einer Verpflichtung,
der ich mich gerne und ohne in Gewissenskon
flikt zu geraten, unterwerfe.
Zur Sache selbst: Die SVZ kann ihre Freude
nicht verhehlen, auf einem Dokument aus dem
Jahre 1946 auch meine Unterschrift entdeckt
zu haben, woraus sie folgert, daß ich 1946 ganz
eindeutig für den wirtschaftlichen Anschluß des
Saarlandes an Frankreich eingetreten sei.
Folgendes ist richtig: Meine Unterschrift
steht unverkennbar unter der Entschließung
des Verwaltungsbezirkes Heusweiler, in der die
Militärregierung gebeten wurde, „alles zu tun,
um den Willen der Saarbevölkerung, das Saar
gebiet soll wirtschaftlich an Frankreich an ge
schlossen werden, Wirklichkeit werden zu
lassen“.
Vorerst als richtig unterstellt, daß diese Ent
schließung dem freien Willen des Gemeinde
rates von Kutzhof und damit auch, da ich ja
an exponierter Stelle die Entschließung unter
schrieben habe, meinem Wililen entsprungen sei,
so ist es doch mehr als abwegig, aus einer
berechtigten inneren Wandlung, der aus voll
ster Ueberzeugung in aller Oeffentlichkeit Aus
druck verliehen wird, einen Vorwurf konstruie
ren zu wollen. Von mir persönlich wurde je
denfalls bisher noch gegen niemanden ein Vor
wurf erhoberi, weil er zu einer Zeit, als das
Saarvolk unter schwerster Not um die pri
mitivsten Lebensbedürfnisse zu leiden hatte,
für den wirtschaftlichen Anschluß der Saar an
Frankreich eingetreten war, zumal im Osten
ein deutsches Staatswesen, von dem man sonst
Hilfe erwarten konnte, überhaupt nicht exi
stierte. Allerdings bin ich zu einer spateren,'
Zeit, als man die Dinge ans einer ganz anderen
Perspektive überblicken konnte, mit aller Ent
schiedenheit gegen eine Politik vorgegangen,
die wider besseres Wissen dem Saarland ein
seitige Bindungen nach dem Westen auferlegen
wollte, Bindungen, und ich stehe nicht an, das
m aller Oeffentlichkeit zu erklären, die nie
mals im Interesse des Saarvolkes liegen kön
nen, was ja die Vergangenheit — ich brauche
nur den Abschluß der Konventionen >zu er
wähnen — hinreichend bewiesen hat. Ich be
tone nochmals, ich kann in einer Wandlung,
die aus den Erkenntnissen des an sich schon
wandelbaren politischen Lebens resultiert, in
keiner Weise eine Tat erblicken, der man auch
nur in etwa Ehrenrührigkeit nachsagen könnte.
Darüber hinaus ist es mir nicht schwer zu
beweisen, daß die mit großem Pomp auf ge
machte Entschließung auf Wunsch der Militär
regierung abgegeben wurde, was ans demnach
stehend aufgeführten Schreiben hervorgeht.
Abschrift!
Hans Lambrich
Heusweiler, den 7. Juni 1952
Hauptstr. 18
Herrn Paul Kutsch,
Präsident der Einheitsgewerkschaft
in Kutzhof.
Sehr geehrter Herr Kutscht
In der Zeit, als das MRS im Saarland seine
Tätigkeit entfaltete, wurde ich von dem da
mals beim Amt Heusweiler beschäftigten Amts
oberinspektor, jetzt Polizeirat Becker, be
stimmt, als Vorsitzender des MRS-Komitees im
Amtsbezirk Heusweiler zu fungieren. Aus die
ser Tätigkeit ist mir bekannt, und ich kann
es vor Gericht eidlich aussagen, daß Sie, Herr
Kutsch, zu keiner Zeit Mitglied des MRS wa
ren, das auch als selbstverständlich einschließt,
daß Sie niemals den Antrag auf Aufnahme ins
MRS gestellt haben. Alle anderen Kombina
tionen, die aus Ihrem damaligen Dienstver
hältnis beim Amt Heusweiler zur Zeit des
Herrn Becker getroffen werden können, ge
hen fehl.
(Fortsetzung Seite 2)
Die Generalversammlung des I.-V. Bergbau,
die am 13. und 14. Juni in der Festhalle in
Sulzbach abgehalten wurde, war nicht nur eine
Angelegenheit des Industrieverbandes. Entspre
chend der Bedeutung dieses Verbandes, der
größten Berufsvereinigung des Saargebietes,
fanden seine Tagungen zwar schon immer al
lerorts starke Aufmerksamkeit, aber die Vor
gänge der letzten Wochen hatten das Interesse
der breitesten Oeffentlichkeit in geradezu höch
stem Maße erregt. Von allen Seiten kamen
während des Verbandstages und besonders am
Schluß die gespannten Fragen nach dem Ver
lauf und Ergebnis.
Politische Kreise auf der Gegenseite hatten
unfreiwillig das Ihre dazu getan, um das all
gemeine Interesse verstärkt auf diesen Kon
greß zu lenken. Jene Kreise hatten Tage und
Wochen vor dem Verbandstag eine Art Kessel
treiben gegen den 1. Vorsitzenden der Ein
heitsgewerkschaft, den Kollegen Paul Kutsch,
und damit gegen die Einheitsgewerkschaft selbst
und gegen den Industrie verband Bergbau in
Szene zu setzen versucht. (Was hierzu zu be
merken ist, siehe an anderer Stelle dieser Aus
gabe.) Aber gerade das Gegenteil von dem,
was jene bezweckten, wurde erreicht. Paul
Kutsch, der jetzt auf dem Verbandstag
des I.-V. Bergbau neben seinem Amt als 1.
Vorsitzender der EG diesmals auch als erster
Vorsitzender des Industrieverbandes kandidierte,
wurde mit der starken Mehrheit von 255 bei
317 abgegebenen Stimmen, also mit 80 o/o,
zum 1. Vorsitzenden des I.-V. Bergbau gewählt.
Lebhafte Beifallskundgebungen waren Ausdruck
der wahren Stimmung, als das Ergebnis be
kannt wurde. Es war dies eine deutliche Ant
wort an die Hetzer und Spalter und zugleich
ein untrügliches Bekenntnis zur Einheit.
Der Bergarbeiter hat seinen Willen in Sulz
bach bekundet. Wer will ihn ihm streitig
machen? Wenn manche glaubten, sich der Ma
terie bemächtigen zu können, um zu zerreißen
und zu spalten, so werden sie eines anderen
belehrt sein.
Man wollte einen „Fall Kutsch“ konstruie
ren, und was ist nun? Den Gewerkschaftsfein
den wurde von den Delegierten, die zwar scharf
kritisch, gher in selbstgewollter Disziplin und
bemerkenswerter Aufgeschlossenheit, erfrischen
der Freimütigkeit und Klarheit ihre Aufgaben
erfüllten, ein harter Schlag versetzt. Sollten
die Quertreiber und Spalter wiederkommen und
neue Steine in den Weg wälzen, eine neue Ab
fuhr ist ihnen gewiß, ohne daß man allzu viel
Zeit dabei verlieren wird, denn jetzt geht es
an die praktische Arbeit. Die Entschließungen
wurden nicht angenommen, um unerfüllt in
Aktenschränken zu verschwinden. Mit neuer
Kraft und starkem Vertrauen, mit dem Kampf
ruf: Glück aufl geht es in die Zukunft.
*
An den beiden Kongreßtagen leisteten Dele
gierte und Geschäftsführung eine immense Ar
beit. Zwei Jahre sind seit der letzten 2, Ver
bandstagung des I.-V. Bergbau vergangen, —
Ueber 300 Delegierte waren jetzt zur 3. Gene
ralversammlung erschienen. Sie vertraten über
40000 Mitglieder, darunter 3106 Grenzgänger.
Mann gewinnt einen ungefähren Eindruck, wenn
man die fast zwei Dutzend Anträge und Ent
schließungen betrachtet und einen Blick auf die
Diskussion wirft. In erster Linie ist das Ma
nifest, das nebenstehend abgedruckt ist und
das nicht nur die Bergarbeiter, sondern alle
Werktätigen der Saar angeht, zu nennen. Der
Kern der verschiedenen Entschließungen ist
folgender:
Forderung einer 71/2Stündigen Schichtzeit für
Untertage, Protest gegen die Kürzung der Er
gebnisprämie durch belastende Anrechnung der
Streikschichten, Gewährung einer Ferienbei-
hilfe und die Jugend im Bergbau.
Von den zahlreichen Anträgen, die ange
nommen wurden, seien erwähnt: zwei Anträge
auf Auszahlung des Wohnungsgeldes. Die An
träge von fünf Ortsgruppen auf Streichung der
Arbeitskammerbeiträge und Rückziehung der
Kandidaten des I.V. Bergbau bei der Arbeits
kammer wurden dem Arbeitskammer-Ausschuß
der EG überwiesen. Zwei Anträge auf sofor
tige 15prozentige Lohnerhöhung, Auszahlung
von 15 000 Franken Teuerungszulage, Aner
kennung des vollen Tarifvertragsrechtes und
Einführung einer Lohn- und Rentenskala wur
den dem Hauptvorstand überwiesen, ebenso ein
Protestantrag gegen die angekündigte Stillegung
der Grube Hirschbach. Anträge zum Betriebs-
rätegetz, zur Grubenkonvention, zur Silikose-
bekämpfung und zum Wamdtkohlenabbau wur
den einstimmig angenommen.
Am ersten Tag kam es gleich zu einem er
freulichen Bekenntnis der Solidarität gegenüber
den Beamten u. Angestellten im Bergbau, die mit
2189 Mitgliedern als besondere Fachgruppe in
der Einheitsgewerkschaft organisiert sind. Mit
überwältigender Mehrheit wurde beschlossen,
Delegierte dieser Fachgruppe zur Generalver
sammlung sofort zuzulassen. Ferner wurde ei-
3. Verbands-Generalversammlung des I.V. Bergbau:
MANIFEST
BROl — durch wirtschaftliche Sicherheit und soziale Gerechtigkeit für jedermann!
FREIHEIT — durch politische Demokratie und Demokratisierung der Wirtschaft!
FRIEDEN — durch Sicherung der Fre iheit, Menschenwürde u. Gerechtigkeit für alle!
Werktätige an der Saar!
Ihr, die Ihr tätig seid in den Bergwerken und in den Hüttenwerken, fa den Fabriken
und auf den Büros — an alle, die da Arbeiten, ergeht unser Ruf:
Änderung des derzeitigen Zustandes an der Saar
Kämpft mit uns für oinen Zustand, m dem die Menschen frei und ohne Furcht sind,
einen Zustand, in dem das Saarvolk in Fried en leben kann.
Das sind unsere Ziele — dafür kämpfen wir:
BROT:
In dem industriell hoch entwickelten Saar gebiet sind alle Voraussetzungen vorhanden,
einen Zustand zu schaffen, wo der Lebenssta ndard ständig weiter gehoben und das Saar
volk sich eines reicheren und besseren Lebens erfreuen kann.
Deshalb fordern wir
Kündigung der Konventionen
die es nicht zulassen, daß trotz des saarländischen Fleißes und bester wirtschaftlicher Lei
stungen der Lebensstandard sich erhöht.
In Anbetracht, daß die Saarwirtschaft mit dem Saarbergbau steht und fällt, erneuern
wir unsern Ruf:
Hände weg vom Warndtl
Das Warndtkohlenfeld ist die Zuflucht des Saarbergbaues und beeinflußt die künftige
Entwicklung der Saarwirtschaft, d. h. Sein oder Nichtsein von Arbeit und Brot.
Demokratie in Politik und Wirtschaft sind unteilbar. Daher fordern wir volle Mit
bestimmung in der Wirtschaft und in den Ver waltungen.
FREIHEIT*
Schafft mit uns einen Zustand an der Saar, in dem das Saarvolk frei von jedem Druck
leben kann.
Beseitigt die Machtkonzentration an der Saar mit Ihrer Ausbeutung und dem totalen
Ausverkauf.
Wir glauben nicht an jene falsche Lehre, die da sagt, daß die Schaffenden an der Saar
Ihre politische, geistige und kulturelle Freiheit opfern müssen, um wirtschaftliche Sicherheit
zu verwirklichen.
Der I.V. Bergbau und mit ihm alle Industrieverbände der Einheitsgewerkschaft werden
alle Bemühungen unterstützen, die gegen die „Dcmokratur“ an der Saar gerichtet sind.
FRIEDEN*
Nur wirtschaftliche Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und politische Freiheit bieten Ge
währ für einen dauernden und gerechten Frieden. Eine Aenderung des derzeitigen Zustan
des an der Saar hilft mit zur Stärkung der Kräfte des Friedens.
Werktätige an der Saar l
Vereint werden wir die Ausbeutung überwinden und einen Zustand des Wohlstandes
und der Sicherheit Schaffen.
Vereint werden wir Tyrannei und Cnt erdrückung ausmerzen und einen Zustand der
Freiheit herheiführen.
Vereint werden wir Kriegshetzer besie gen und mithelfen, ertne Welt des Friedens und
der Gerechtigkeit aufzubauen.