ORGAN DER ElNHEITSCEHIERHStHflETEN DER ARBEITER, ANGESTELLTEN UND REROTTEN
Jahrgang Saarbrücken, Dezember 1951 Nr. 13
Generalstreikbeschluß des Gewerkschaftsausschusses
Einstimmine Annahme - Schluß mit flei Verschleppungstaktik - Die Regierung hat die Verantwortung - Die Forderungen und die Warnungen
der Gewerkschaft mißachtet - Fester und klarer Kurs bis zur letzten Konsequenz
6.
Der Gewerkschaftsausschuß der Einheitsgewerkschaft der Arbeiter, Angestellten
und Beamten des Saarlandes hat ln einer erneuten Dringlichkeitssitzung am 18. De
zember 1951 einstimmig beschlossen, den in der Gewerkschaftsausschuß-Sitzung
vom 13. 12. 1951 gefaßten Beschluß, die Forderungen der Verbände des Oeffemt-
lichen Dienstes sowohl der Einheitsgewerkschaft als auch der Christlichen Gewerk
schaften zu unterstützen, bis zur letzten Konsequenz aufrecht zu erhalten. Alle Be
mühungen, zu einer Beseitigung der bestehenden Meinungsverschiedenheiten zu
kommen, sind durch die Unnachgiebige und brüske Haltung der Regierung geschei
tert. Die zum Ausdruck gekommene Mißachtung der Gewerkschaften seitens der
Regierung und die völlige Ablehnung ihrer berechtigten Forderungen hat den Ge
werkschaftsausschuß gezwungen, einst Immig den Beschluß zum Generalstreik
zu fassen.
Der Termin für den Beginn des Generalstreiks wird noch bekanntgegeben weiden.
Das Maß ist voll!
Die Verhandlungen sind gescheitert.
Man merkte immer deutlicher, die Regie
rung will eine Kraftprobe. Es ging zuletzt
nicht mehr um die Weihnachtszuwendung,
denn schon seit Tagen hieß es ja, Geld
mittel seien zur Verfügung.
Wie oft geschieht es, daß bei einem
Kampf im Laufe der Entwicklung sich neue
Gesichtspunkte ergeben, und die haben
sich auch hier herausgebildet, d. h. die
E
Gewerkschaften wurden herausgefordert.
Sie sind gezwungen, ihren Kampf jetzt auf
eine breite Basis zu stellen. Ein Auswei
chen ist nicht möglich und wird auch von
der Masse deir Gewerkschaftsmitglieder
nicht gewünscht.
Wenn jetzt neben dem öffentlichen Dienst
auch alle anderen Verbände in Aktion
treten, so wissen die Mitglieder, daß es
jetzt nicht mehr um eine Weihnachtszu
wendung geht, sondern um eine ganz gro
ße Entscheidung.
Der Kampf, der jetzt geführt und gewon
nen werden muß, wird das notwendige
Fundament für alle künftigen Auseinan
dersetzungen schaffen.
Auch die Unorganisierten werden in die
sem Kampf den organisierten Gewerk
schaftlern folgen. Ueberall ist die Auffas
sung festzustellen: Die Gewerkschaften
haben richtig gehandelt, und sie sollten
unbedingt ihren klaren Kurs beibehalten.
Eine Unterwerfung unter ein Regierungs
diktat wird von allen Seiten abgelehnt,
und darüber hinaus wird jetzt mit allem
Nachdruck die Gleichberechtigung ver
langt. Dann wird auch endlich die Garan
tie gegeben sein, daß den Gewerkschaften
in Zukunft solche Vorgänge erspart wer
den. Daß diese Kampfepoche in die Ad
vents- und Weihnachtszeit fallen muß, isx
nicht unsere Schuld!
Kollegen! Ein ganz großer Entschei
dungskampf steht bevor. Es heißt, alle
Kräfte zu mobilisieren für Freiheit und
Gleichberechtigung. Die . Stunde ist ge
kommen, das Maß ist voll!
iiHiiMMiiiiiiiiuiiiiMiiiMiiiiiimMimMMnimHiiiiiuimiiiimiiiwimimiiimiiiiiiHi
Friedensglocken ohne Frieden
Wieder rundet sich ein Jahr, und nur we
nige Tage trennen uns von der ersehnten
Stunde, die uns im Geläute der Kirchtürme
die alljährlich sich erneuernde Verheißung der
Christenheit kündet: „Frieden auf Erden und
den Menschen ein Wohlgefallen.“ Ihr Klang
ruft und mahnt die Christen und alle, die
guten Willens sind an die unabdingbare Pflicht,
der menschlichen Gemeinsamkeit den Frieden
zu bewahren. Ihre Mahnung aber trifft eine
Menschheit, die es bislang versäumt hat, die
den Frieden verheißende Weihnachtsverkün
dung zu erfüllen, weil sie die Lehre dessen,
der mit seinem Opfer den Friedensgedanken
in die Welt brachte, mißachtet und sich der
Kraft des bekennenden Mutes versagt, in
Wahrheit als Christen zu leben.
Mehr denn je ist die Welt von heute in Arg
wohn und Mißtrauen verstrickt. Ein nicht
endender kalter Krieg läßt die Menschen nicht
zur Ruhe kommen und bedroht sie durch eine
unvorstellbare Rüstungsvorbereitung mit ato
marer Vernichtung. Mit verhaltenem Schauer
blickt sie auf jenen mörderischen Kampf, der
im Osten dieser Welt kein Ende finden will
und sich immer mehr als ein Vorfeld eines
möglichen Weltbrandes offenbart. Die die Men
schenherzen alljährlich zur Weihnachtszeit auf
richtende Friedenshoffnung, die in dem Fest
des Lichtes seine tiefe Symbolik findet, wird
bedroht von den Vorboten einer neuen, in
ihren Ausmaßen nicht abschätzbaren Kata
strophe. Sorge und Zweifel an der Vernunft
der Menschheit ergreift alle guten Gläubigen,
und unverständlich bleibt ihnen die Verant
wortungslosigkeit gewisser Kreise, die immer
wieder einen dritten Weltkrieg glauben ankün
digen zu müssen. Der Egoismus im Menschen,
die soziale und wirtschaftliche Unvernunft,
schicken sich an, neue und blutigere Orgien zu
feiern, um die so bitter erhoffte Notgemein
schaft der Menschen in eine Kampfgemeinschaft
des Profites zu verwandeln. Milliarden über
Milliarden fließen in eine Aufrüstungskonjunk-
tur, um angeblich den garnicht vorhandenen
Frieden aufrechtzuerhalten, und tatenlos sehen
wir zu, wie diese Werte einem nutzlosen Zweck
geopfert und damit einem echten und fried
vollen Aufbau einer neuen, menschenwürdigen
Gemeinschaft entzogen werden. Sie empfinden
es nicht mehr, daß sie damit den Wahnsinns
ideen von Diktatoren nur Vorschub leisten,
sich an der Kriegsrüstung begeistern, statt
der Gefahr einer sozialen Explosion mit \ er-
nunft. Hilfsbereitschaft und einem aufgeschlos
senen Sinn für soziale Verantwortung zu begeg
nen.
ln diesen turbulenten Zeitläufen obliegt cs
unserer gewerkschaftlichen Pflicht, dafür zu
sorgen, daß der endgültige Frieden mit fried
lichen Mitteln herbeigeführt werden kann. Die
Menschheit, die gerade m der Weihnaoh .-
zeit mit besonderer Aufgeschlossenheit sic h
dem Friedensgedanken hingibt, sollte sich an
dem Glauben an den Frieden aufrichten nu
dem Gedächtnis an die Väter und Sohne, an
die Brüder und Schwestern, die ihre Friedens
bereitschaft in der Vergangenheit durch ihren
Tod besiegelten, an jene, die noch zu Tausen
den fern der Heimat hinter Stacheldraht, un
ter den Sklavenheeren der Uranbergwerke und
der Internierungslager seit Kriegsende auf dire
Heimkehr warten. In Gedanken an die Milli
onen, die von Haus und Hof vertrieben und
seit Jahren eine neue Heimat ersehnen, in *e-
danken an die Alten und Kranken, an «he
Witwen und Waisen, an die Kriegs- und Ar
beitsbeschädigten, schlägt das Gewissen lauter
denn je, mahnt die Verpflichtung zur Einkehr
und zur Bereitschaft, den Frieden, der uns vor
nahezu zweitausend Jahren verheißen wurde,
zu gestalten und zu vollenden. Diese .la
„ung sei gerichtet vor allem aber an jene, die
sich Christen nennen und doch schuldig l«
worden sind, daß heute noch das soziale Pro
blem seiner 'Lösung harrt, das doch letzt
lich nur allein Voraussetzung für einen ech
ten und wahrhaften Frieden dieser Welt s.-n
kann und erAt im Sinne der Wcihnachtsbo -
schaft dem menschlichen Leben einen S «in
zu geben vermag. Hl . inri ch Waekcr
|JP Ein vorbildlicher Warnstreik
Arbeitnehmer wjssen, worum es - Allgemeinei Verständnis in der Bevölkerung
Die macfitven« Kundgebung im Johannishof
Die Entwicklung in der Auseinandersetzung zwischen den beiden Gewerk
schaftsverbänden des öffentlichen Dienstes und der Regierung führte ange
sichts der unversöhnlichen Haltung der Regierung am Donnerstag, dem 13.
12., zur Durchführung des angedrohten Warnstreiks. Der Streik wurde in voll
ständiger Disziplin und — man kann sagen — durchweg hundertprozentig
durchgeführt. ~~ * ; ■~
Wie es dazu kam
Die Entwicklung war von der Haltung
der Regierung gegenüber de« Arbeitneh
mern des öffentlichen Dienstes bestimmt
worden. Wie wir wissen, hat der Mini
sterpräsident selbst schon vor acht Ta
gen erklärt: Wenn die vom öffentlichen
Dienst nicht anders wollen, sollen sie
streiken.
Die beiden Gewerkschaftsverbände ka
men am Mittwochabend zu folgendem Ent
schluß, der in einem Flugblatt sofort ver
breitet wurde:
Kollegen und Kolleginnen vom Oeffemt-
Uchen Dienst!
Regierung und CVp. Fraktion haben in un
verständlicher Weise unseren maßvollen An
trag auf Gewährung einer Teuerungszulage in
Form einer Weihnachtszuwendung im Landtag
zu Fall gebracht.
Das ist eine offensichtliche Provokation!
Kolleginnen und Kollegen vom Oeffentliehen
Dienst 1
Darauf gibt es nur eine Antworti
Wir rufen Euch auf zu einem 24 ständigen
Streik für Donnerstag, den 13. Dezember 1951,
ab Dicnstheginn!
Kolleginnen und Kollegen! Beweist Eure ge
werkschaftliche Solidarität und Geschlossen
heit! Es geht um Eure Existenz. Keiner darf
sieh abseits stellen 1
W ir alle streiken!
Der Betrieb der Krankenhäuser und Versor
gungsbetriebe muß gesichert bleiben!
Die Verbände des Oeffentliehen Dienstes
der Einheitsgewerkschaft und
der Christlichen Gewerkschaft.
Ein weiteres Flugblatt war an den Mi
nisterpräsidenten gerichtet.
Es ist angebracht, noch auf das Gesicht
des neuen Beamtenbundes hinzuweisen.
Von Beamten selbst hört man heute bit
tere Worte, wie jene: Dieser Beamtenbund
ist ja unmöglich. Der tut }a nichts. Der
sagt zu allem Ja und Amen. Was ist denn
das für eine Organisation?
Solche wörtlichen Erklärungen war Mi
wiederholt am Donnerstag zu vernehmen.
Als Organisation hat dies« Bund jeden-
falls gezeigt, daß, wenn es auf praktische
Arbeit, auf Verfechtung wirklicher Rechte,
auch der Beamten, ankommt, er völlig fehl
am Platze ist, es sei denn, daß er ein an
deres Ziel verfolgt, als für die berechtig
ten Forderungen seiner Mitglieder einzu
treten.
Die Bevölkerung hat für den Warnstreik
Verständnis gezeigt. Jeder, der die wah
ren Zusammenhänge kennt, wird feststel
len, daß die Haltung die logische Folge
rung des intransigenten Standpunktes der
Regierung gewesen ist.
Wenn die Gegenseite jetzt versucht, die
ureigenste Angelegenheit der Berufsver
bände als eine parteipolitische Aktion zu
stempeln, so mag sie das für sich tun.
Die Tatsachen beweisen das Gegenteil.
Nachdem durch die Flugblätter die
Streikparole verbreitet war, wurde sie
spontan aufgenommen. An allen Stellen,
wo es in erster Linie darauf ankam, an
den Hauptzentren des Landes, wurde
durchweg hundertprozentig gestreikt. Die
Streikkomitees, die in den Händen erfah
rener Funktionäre lagen, haben ihre Auf
gabe wirkungsvoll und zweckentspre
chend durchgeführt.
Vielleicht spricht man da und dort von
Maßregelungen. Die Gewerkschaften wer
den sich intensiv dieser Dinge annehmen.
Wenn von einem Nachspiel geredet wird,
so kann dies vor allem für manche auf
der Gegenseite zutreffen, sofern Eingriffe
vorgekommen sind, die den Gesetzen wi
dersprechen. Denn wenn auch schon vie
les im Staate bedenklich erscheint, so
wollen wir doch feststellen und daran
festhalien, daß die Verfassung den Arbei
tern und Angestellten, auch des öffentli
chen Dienstes, das Streikrecht gewähr
leistet. ,
Beschluß des Gewerkschaftsausschusses vom 13.12.1951
Am 13. Dezember tagte der Gewerk
schaftsausschuß und stellte in einem Be
schluß fest:
Die von den Verbänden des Oeffent-
lichen Dienstes der Einheitsgewerkschaft
und der Christlichen Gewerkschaften bei
der Regierung des Saarlandes erhobene
Forderung auf Weihnachtszuwendumgen
für die Arbeiter, Angestellten und Beam
ten des Oeffentliehen Dienstes in Höhe
von 10000 Frs. für Ledige, 15 000 Frs. für
Verheiratete und 5 000 Frs. für jedes zu
schlagberechtigte Kind als Abschlag auf
die noch nachzuholenden Lohn- und Ge
haltserhöhungen im Oeffentliehen Dienst
ist in Anbetracht der besonders im Oef
fentüchen Dienst abgesunkenen Kaufkraft
der Löhne und Gehälter äußerst gemäßigt
und deshalb mehr als berechtigt.
Wenn der Herr Ministerpräsident be
hauptet, daß die Bezüge der Arbeiter,
Angestellten und Beamtem im Oeffenfli-
chen Dienst im Laufe des Jahres 1951 eine
Erhöhung von 65 Prozent erfahren hätten,
so entspricht die« keineswegs den, Tat
sachen; richtig ist vielmehr, daß durch die
verschiedenen Zuschläge zum Grundge
halt bzw. Grundgehaltserhöhungen ledig-
Uch ab 10. September 1951 eine Erhö
hung der Effektivlöhne und Gehälter von
insgesamt 27 Prozent erzielt wurde. Wie
von amtlicher Stelle selbst festgestellt
wurde, entspricht diese Erhöhung den Le
benshaltungskosten im Januar 1951, ganz
zu schweigen von der Tatsache, daß das
Grundgehalt ab 1. Januar 1951 entspre
chend der Regeheng in Frankreich bereits
ab 1. Januar 1948 hätte gewährt werden
müssen, die Löhne und Gehälter im Oef
fentüchen Dienst also bereits zu Beginn
des Jahres 1951 ganz erheblich hinter den
gestiegenen Lebenshaltungskosten zu
rückgeblieben waren. Um so unverständ
licher ist die brüske Ablehnung der be
rechtigten Forderungen des Oeffentliehen
Dienstes durch die Regierung des Saar
landes.
Der Gewerkschaftsausschuß erklärt sich
in seiner Gesamtheit mit den Forderungen
der Verbände des Oeffentliehen Dienstes
solidarisch und fordert von der Regierung
des Saarlandes die sofortige Aufnahme
neuer Verhandlungen mit den in Frage
kommenden Verbänden beider Gewerk
schaften.
Der Gewerkschaftsausschuß läßt keinen
Zweifel darüber, falls dieser Forderung
nicht unverzüglich Rechnung getragen
wird, er sich weitere Maßnahmen vorbe
hält.
Die Erklärung der CGS vom 13.12 S1
„Der Houptvorstond der CGS stellt fest,
daß die Bezüge der Arbeiter, Beamten und
Angestellten im öffentlichen Dienst der
wirtschaftlichen Entwicklung nicht gefolgt
sind und daß dadurch eine «erhebliche Ver
minderung der Kaufkraft eintrat.
Die Gewerkschaften des öffentlichen
Dienstes verlangen seit längerer Zeit, daß
ihre Dienstezüge den wirtschaftlichen Ver
hältnissen angepaßt werden.
(Fortsetzung auf Seite 2)