6. Jahrgang
Saarbrücken, November 1951
Nr. 12
Die Gewerkschaft verlangt schnelle Entscheidung
Die Voiständekonteienz im Johannishof - Verabschiedung und Erlaß des Betriebsiategesetzes mit voller Mitbestimmung dringlich
Einmütigkeit gegen das Eisenbahnergeselz - Entschlossene Stellungnahme gegen eine Verpachtung der Warndtkohlenfelder
Die Preisentwicklung erfordert neue energische Maßnahmen
Eine Konferenz der Vorstände der Indu
strieverbände der Einheitsgewerkschaft
befaßte sich in einer außerordentlichen
Sitzung am Donnerstag, dem 22. 11. 1951,
im Johannishof in Saarbrücken mit ver
schiedenen wichtigen Problemen, die un
ter Umständen einen Generalangriff auf
auf der ganzen Linie auslösen können.
Vor mehr als 150 Funktionären wurde
noch einmal klargestellt und zusamraen-
gefaßt, worum es geht und die Stellung
nahme der Funktionäre entgegengenom
men.
Es geht i. um das Betriebsräte jesetz
mit voller Mitbestimmung, 2. um weitere
Aktionen im Kampf gegen das reaktionäre
Eisenbahnergesetz und 3. um das für die
Existenz der gesamten Saarbevölkerung
so wichtige Wamdtproblem.
Nach Eröffnung der Versammlung nahm
der Kollege Wacker zu dem dem Land
tag vorliegenden Betriebsrätegesetz und
der Frage der Mitbestimmung der Arbeit
nehmer in den Körperschaften der Wirt
schaft Stellung und erklärte, daß seit
einem Menschenalter eine Katastrophe die
andere ablöste und dazu geführt hat, daß
das Vertrauen der schaffenden Manschen
in eine Wirtschaft und Sozialordnung, die
sie von der Mitbestimmung und Mitver
antwortung ausschließt, deshalb verloren
ging, weil sie bei jeder Katastrophe er
fahren mußten, daß Not und Elend immer"
sie getroffen hat. Die Elendsjahre nach
dem 2. Weltkrieg sind heute noch nicht
restlos überwunden, noch nicht vergessen.
Wenn die Gewöikschaiten heute mit al
lem Nachdruck eine Aenderung des ka-
pitalistisch-liberalistischen Wirtschafts-
sy-tems erstreben, so deshalb, weil sie es
ab lehnen, noch länger die Geführten zu
sein von einer Führung, die weder im po
litischen Leben, noch m der Wirtschaft
ihre Führung ist.
Kollege Wacker wies auf den Artikel
der saarländischen Verfassung hin, 1
dem es heißt: „Die Wirtschaft hat die An
gäbe, dem Wohle des Volkes und der B
friedung seines Bedarfs zu dienen.“ D
schaffenden Menschen sind sowohl bei
Aufbau der Wirtschaft als auch mit ihr<
Leistungen im Produktionsprozeß dem I
halt dieses Artikels gerecht geworden. D
Verfassungskommission und em groß;
Teil des Landtags haben diesem Xrtik
besondere Beachtung geschenkt, ausg
hend von der Tatsache, daß die Triimm-
unserer Städte und Dörfer, die Ni
und das Elend des arbeitenden Volkes
das Elend der Kriegsgefangenen, die N
aer Kriegsbeschädigten, der Rentner, Wi
wen und Waisen einzig und allein die Fc
gen des 2. Weltkrieges, der Diktatur ur
einer Wirtschaftsordnung sind, die ui
durch die feudalistischen und kapitalis
sehen Mächtegruppen aufgezwunaen wi
de. Das derzeitige Wirtschaftssystem h
sowohl Ökonomisch als auch sozial ve
sagt, da es in erster Linie tätig war unt
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Aus dem ■Inhalt:
Dichtung und Wahrheit — I.-V. Graphik
antwortet
Eisenbahnerkampf um Recht und Freiheit
Die Arbeitskammer
Schulungsbeim in Illingen
Versammlung der Postgewerkschaft
D i® Regierung hat gesiegt
Erfolge der Rechtsabteilung
Warum so geheimnisvoll?
Christliche Gewerkschaften verlangen
Neuwahlen
Schau nicht rum...
Sozialabkommen und Familienzulage
Eisenbahnerjugend ergreift Initiative
I.-V. Fabrikarbeiter
Das merken wir uns noch
Der Remtenanspruch
Feriemg emeinschaf t-Sparkasse
Der Anspruch auf Weihnachtsgratifikation
I.-V. Bau und Holz
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dem Gesichtspunkt des privaten Gewinns
und unter Außerachtlassung der Gemein
schaft, ohne Rücksicht auf Volk und Staat.
Alle diese Gründe machen es den Ge
werkschaften zur Pflicht, den Gesetzgeber
zu verpflichten, entsprechend der ln der
Verfassung verankerten Grundsätze eine
Sozial- und Wirtschaftsordnung aufzu
bauen, die dem Arbeitnehmer seine Exi
stenz sichert, ihn zu einem freien gleich
berechtigten Wirtschaftsbürger macht und
den demokratischen Staat vor neuen Ge
waltakten wirtschaftlicher und politischer
Mächtegruppen schützt.
Die soziale Gesetzgebung der letzten
Monate läßt bei den Gewerkschaften stär
kere Zweifel aufkommen. Wie im Artikel
47 der Verfassung für alle Arbeitnehmer
ein einheitliches Arbeitsrecht garantiert
isi, in dem das Tarifvertragsrecht mit sei
ner Unabdingbarkeit garantiert, das staat
liche Schlichtungswesen und die Arbeits
gerichtsbarkeit vorgesehen sind, dia Arbeit
geber bezw. Arbeitgeberverbände und die
anerkannten Gewerkschaften als gleich
berechtigte Sozialpartner anerkannt sind,
so muß dies auch für die Regierung als
Arbeitgeber Gültigkeit haben.
Wir verlangen als Einheitsgewerkschaft
gleiches Recht für alle und entsprechend
der in der Verfassung verankerten Grund
rechte. Es entspricht jedoch weder dem
Sinn der Verfassung, noch dem Tarifver
tragsgesetz, wenn die Regierung für lhreBe-
diensteten an Stelle des Tarif vertrage
eine Tarif Ordnung setzt, die Gewerk
schaften nicht als gleichberechtigte So
zialpartner anerkennt, sondern ihnen le
diglich ein Anhörungsrecht zubilligt und
bei Streitigkeiten an Stelle des staatlichen
Schlichters und Arbeitsgerichts in eigener
Sache Entscheidungen fällen will.
In seinen weiteren Ausführungen kam
Kollege Wacker auf die bestehende Be
triebsräteverordnung und das dem Land
tag seit April 1949 vorliegende Betriebs
rätegesetz zu sprechen. Er nahm zu den
einzelnen vorliegenden Entwürfen Steilung
und wies darauf hin, daß bei den Bera
tungen im sozialpolitischen Ausschuß des
Landtags als auch bei der Pressepolemik
die Feststellung gemacht werden muß,
daß die organisierte Macht des Unterneh
mertums dem Wollen der gewerkschaft
lich organisierten Kräfte mit allen Mitteln
(Fortsetzung Seite 2)
Manifest und Entschliessung
... zum Eisenbahneigesetz
Das in der Sitzung der Vorstände
der einzelnen Industrieverbände im
ICtijJT'.iishof angenommene Manifest
zum Eisenbahnergesetz hat folgenden
Wortlaut:
Ausgehend von der Erkennt
nis, daß die Arbeitnehmer in der Privat
wirtschaft sowie im Oeffentlichan Dienst
gegenüber dem wirtschaftlich und poli
tisch stärkeren Partner beim Abschluß der
Arbaiis vertrage von vorneherein im
Nachteil waren, schloß sich die Arbe.t-
nehmerschaft zur Wahrung ihrer sozialen
Interessen zu Organisationen zusammen,
und durch die Kraft dieser Organisato-
nen vollzog sich im sozialen Raum der
Wandel von Einzel-Arbeite Verträgen zu
Kollektiv-Verträgen.
Der Verband der Buchdrucker hat im
Jahre 1873 durch den Abschluß eines Ta
rifvertrages diese neue Epoche elngelei-
tet. Im Jahre 1933 auf dem Höhepunkt an-
gelangt, waren für 890 000 Betriebe, d. h.
für 14,2 Millionen Arbeitnehmer, Kollektiv-
Verträge mit unabdingbaren Norman
rachtswirksam abgeschlossen und durch
Gesetz geschützt.
Das 3. Reich unterbrach gewaltsam
diese sozial bedeutsame Entwicklung und
setzte an Stelle des Tarifvertrags-Geset
zes der rechtlichen Autonomie zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im Jahre
1934 das „Gesetz zur Ordnung der natio
nalen Arbeit“.
Vom Staat bezahlte Beauftragte wurden
als sogenannte „Treuhänder der Arbeit“
eingesetzt und verordneten an Stelle des
Tarifvertragsgesetzes die Tarifordnungen..
Gegründet auf die Tatsache,
... daß nach dem unseligen Krieg im
Jahre 1945 der Weg zur Schaffung kollek
tiver Vereinbarungen frei wurde,
... daß von dieser neuen Entwicklung
mit Ausnahme der Arbeitnehmer in der
Ostzone, alle übrigen Arbeitnehmer in den
demokratischen Ländern, sowohl in der
Privatwirtschaft, als auch In den Oeffent-
lichen Betrieben, profilieren konnten,
... daß in der Bundesrepublik
Deulschland seit diesem Dal um acht
bedeutungsvolle kollektive Vereinbarun
gen abgeschlossen wurden, und zwar:
zwischen den Gewerkschaften, O eff entli
ehe Betriebe, Transport und Verkehr einer
seits und
1. der Bundesrepublik Deutschlands (4
Tarifverträge)
2. dem Lande Bayern
3. dem Lande Hessen
4. dem Lande Nordrhein-Westfalen
5. der Tarifgemeinschaft Deutscher Län
der,.
... daß in Frankreich schon vor ei
nem Jahr das allgemeine K oliektiv-Ver
trat srecht gesetzlich eingeführt wurde
und
... daß neuerdings in Frankreich die
Konvention Nr. 98 des I.A.A. betr. „An
wendung der Grunsätze des Organisa
tionsrechtes und des Rechtes kollektiver
Verhandlungen“ ratifiziert wurde.
... daß auch das Saarland von die
ser neuzeitlichen und notwendigen ar-
beitsrechtlichen Regelung dem sozialen
Raum in seiner Verfassung der Wirt
schafte- und Soziaiordnung 17 Artikel wid
met,
erklären die hier versammelten Vertre
ter der Einheitsgewerkschaft feierlichst,
es nicht zu dulden, daß die so verhei
ßungsvoll nach 1945 begonnene internatio
nale Entwicklung sowie die in der Ver
fassung des Saarlandes festgshaltenen ar
beitsrechtlichen Grundsätze seitens der
Regierung mißachtet werden.
... zum Wamdtproblem
ln der außerordentlichen Sitzung der
Vorstände der einzelnen Industriever-
verbände der Einheitsgewerkschaft
wurde nachstehende Entschließung
zum Wamdtproblem angenommen:
Die am 22. November 1951 im Johannis
hof in Saarbrücken tagenden Vorstände
der 13 Industrieverbände der Einheitsge
werkschaft protestieren aufs schärfste ge
gen die Verpachtung der Warndtkohlen-
felder an Frankreich. Die Vorstände be«
trachten es als ihre Pflicht, das gesamte
Saarvolk auf die sich daraus ergebenden
unheilvollen Konsequenzen auf wirt
schaftlichem, sozialem und kulturellem
Gebiet aufmerksam zu machen.
In zehn bis fünfzehn Jahren sind fünf
Saargruben hinsichtlich ihrer Kohlenför
derung erschöpft. Das bedeutet für uns,
daß zwanzigtarusend Bergarbeiter brotlos
werden. Sofern sie überhaupt in den fran
zösischen Gruben Beschäftigung finden,
würde z. B. die Lohnsteuer nicht mehr dem
saarländischen, sondern dem französi
schen Staat zufließem. Nicht unbeträcht
lich wäre auch der Ausfall knappschaft-
Hcher Versicherungsbeiträge. Man wäre
gezwungen, die knappschaftlichen Lei
stungen für unsere Rentner herabzusetzen.
Für die in Lothringen zutage geförderten
Saarkohlen würden die daraus sich erge
benden Steuern dem französischen Staat
Zufällen, die Saar ginge völlig leer aus. Es
steht auch außer Zweifel, daß der Ausfall
von Gruben und die dadurch bedingte
Verminderung der Beschäftigtenzahl auf
andere Industriezweige, wie Hütten, öf
fentliche Verkehrsmittel, öffentliche Be
triebe usw. übergreifen und sie mit in den
Abgrund reißen würde. Der Warndt ist da
rum die Zukunft und die Zuflucht nicht nur
des Saar-Bergbaues, sondern des ganzen
Saar-Volkes.
Die Vorstände der 13 Industrie verbände
der Einheitsgewerkschaft machen die Re
gierung des Saarlandes mit allem Nach
druck darauf aufmerksam, daß sie jedem
Versuch, die Wamdtkohlenfelder an
Frankreich zu verpachten, mit allen zu Ge
bote stehenden Mitteln entgegentreten
werden. Wir sind überzeugt, daß das
Saarvolk in seiner überwältigenden Mehr
heit unseren Standpunkt teilt und in dieser
Schicksalsfrage absolut mit uns einig geht.
Eine Volksbefragung würde dies unter Be
weis stellen.
Die im Januar stattfindenden
Wahlen zur Arbeitskammer veran-
laßten den Gewerkschaftsausschuß,
erst nach Bekanntgabe des ge
nauen Wahitermins den Termin für
die Abhaltung des Kongresses der"
Einheitsgewerkschaft endgültig
festzulegen. Esistanzunehmen, daß
der genaue Termin für die Ein
berufung des Gewerkschaftskon
gresses in aller Kürze bekanntge
geben werden kann.
liiiHimiiiuiiimuiuiiiiiiHHiiiiiitiiinitimil
Tagung der Bergarbeiter-
internationale in Saarbrücken
Der Exekutivausschuß der der B-ergar-
beiterinternationale abgeschlossenen
Bergbaugewerkschaften tritt am 30. 11. 51
in Saarbrücken zu einer Konferenz zu
sammen. Zu der Tagung werden Delegier
te aus der Bundesrepublik, Frankreich,
Großbritannien, Belgien, Holland, Luxem
burg, Schweden und voraussichtlich aus
den USA erwartet.
Die letzte Zusammenkunft des Exeku
tivausschusses, dem auch der Vorsitzende
des I.-V. Bergbau der EG, Koll. loh. Dre
her, angehört, wurde in dem österreichi
schen Industriezentrum Leoben in der
Steiermark abgehalten.
Die Saarbrücker Konferenz, für die drei
Tage vorgesehen sind, ist vom I.-V. Berg
bau der EG eingehend vorbereitet wor
den. Die Tage sind ausgeiüllt mit einer
umfangreichen Tagesordnung.
Die Regierung hat gesiegt...
Von der Bevölkerung des Saarlandes
gehören mindestens 70—75 Prozent zu den
Arbeitnehmerkreisen. Daraus ergibt sich,
daß diese Menschen in ihren Sozial- und
Wirtschaftsinteressen gleichgeschaltet
sind. Diese Tatsache bewirkt auch, daß
sich das Denken und Streben dieser Men
schen vielfach in gleicher Richtung be
wegt. Man kann wohl sagen, daß 90 Pro
zent dieser Arbeitnehmerkreise ein Radio
besitzen und dafür auch ihre Rundfunkge
bühren zahlen müssen, die im Saarland
nicht gerade die niedrigsten sind. Sie
werden durch die Post kassiert, ohne zu
fragen, ob der Hörerkreis nicht auch für
sein gutes Geld Wünsche äußern möchte.
Em Teil der Arbeitnehmer hat sich schein
bar damit abgefunden, daß wir im christ
lich-totalitären Staat leben und von der
CVP aus demokratisch totalitär regiert
werden. Aber manche werden doch duren
die Tatsachen nachdenklich gestimmt, daß
diese Totalität immer krassere Formen
annimmt, die sich in Verboten von Zeitun
gen, Versammlungen, Parteien usw. äußert.
Der Rundfunk ist ein modernes Informa-
tions- und Beeinflussungsmittel geworden,
auch bei uns an der Saar. Darum hat sich
auch die Einheitsgewerkschaft rechtzeitig
bemüht, in den ihr zwangsläufig gezoge
nen engen Grenzen den saarländischen
Rundfunk zu Vorträgen für ihre Mitglie
der oder Arbeitnehmer zu benutzen. Das
ging ganz gut, bis die Christliche Gewer-
schaft von namhaften CVP-Leuten ins Le
ben gerufen wurde. Dann kam der erste
Krieg. Die Regierung verlangte für das
kleine christi che Gewerkschaftsgrüppchen
die gleiche Parität am Rundfunk, wie sie
die Einheitsgewerkschaft hat, und zwar
auf Kosten der Einheitsgewerkschaft. Die
CVP-Leute glaubten, daß nun der Weizen
für ihre Neugründung blühen werde. Die
Christliche Gewerkschaft benutzte den
Rundfunk dazu, um sinnlose Angriffe ge
gen die Einheitsgewerkschaft zu richten,
weil auf der anderen Seite die sachlichen
Argumente fehlten. Und schon bald dar
auf schalteten sich einige ein und schrien,
daß durch diesen von der Christlichen Ge
werkschaft heraufbeschworenen Rund
funkkrieg das Niveau des saarländischen
Rundfunks leide. Dieses von einigen Ge
wünschte nahm sich die saarländische
Regierung zu eigen, stnch kurzerhand die
Sonntags Sendungen der Gewerkschaften
und wollte dieselben auf mittwochs, und
zwar auf 18 Uhr, verlegen, also auf eine
ungünstige, um nicht zu sagen für Ge
werkschaftszwecke unmögliche Zeit. Als
die Einheitsgewerkschaft dieses Ansinnen
ablehnte, war man „großzügig“ und mach
te das Angebot, daß man samstags um 18
Uhr zehn Minuten, und zwar alle zwei
Wochen, sprechen könne. Ueber diese Zu-