N
ORGAN OER
DER RRREITER. RNGESTELLTEN UND RERU1TEN
6. Jahrgang
Saarbrücken, September 1951
Nr. 10
Bis hierher und nicht weiter!
De gegenwärtig« Situation, die eine äu
ßerst gefährliche Tendenz m der Preis
entwicklung aufweist, stellt die Gewerk
schaften als die Vertreter der gesamten
Arbeitnehmerschaft vor neue Entscheidun
gen und erfordert besondere Maßnahmen,
diies um so mehr, als alle Bemühungen der
Gewerkschaften in den zurückliegenden
Monaten, zu einer geordneten Preisgestal
tung und einem Preisstop zu kommen, re
sultatlos vterliefen. Die Regierung hat sich
gegenüber der oft willkürlichen Preisent
wicklung passiv verhalten und sich unter
Aufnechterhaltung der Politik der freien
Wirtschaft mit Empfehlungen begnügt. Die
Masse der Verbraucher verspürt das Ver
sagen dieser staatlichen Wirtschaftspoli
tik in einer dauernden Verteuerung der
notwendigsten Lebens- und Bedarfsarti
kel. Die Entwicklung dieser freien Markt
wirtschaft müßte jedoch nun endlich auch
der Regierung Anlaß geben, mehr als bis
her sich mit diesem Problem zu beschäf
tigen, und sie müßte sich klar darüber
sein, was aus dieser freien Wirtschaft ge
worden ist. Letztere hat sich zu einem
Zwangssystem der Unternehmersyndikate
und Monopole im gesamten Bereich der
Wirtschaft, und zwar in der Industrie so
wie auch beim Handel zu einem System
entwickelt, das jede freie Marktentwick
lung, Angtebot sowohl als Nachfrage, und
Jeden ehrlichen Wettbewerb absolut un
möglich macht, nicht bloß Syndikatsstra
fen zur Anwendung bringt, sondern selbst
dazu übergeht, den Einzelhändler bei
Nichteinhaltung der Preise nicht mehr zu
beliefern und somit mit der Vernichtung
dier Existenz bedroht. Das sogenannte
freie Spiel der Kräfte Ist längst zu einer
Farc(e geworden, und der Konsument ist
das Opfer dieser Zwangswirtschaft.
Nun hat, wie bereits zum Ausdruck ge
bracht, die Teuerung in den letzten Wo
chen geradezu katastrophale Formen an
genommen und wird auf lange Sicht nicht
zum Stillstand kommen. Dies dürfte um
so weniger der Fall sein, da die Preis
hausse nun auch die Güter des unaus
weichlichen Bedarfs, die wichtigsten
Agrarprodukt®, Roggen und Weizen, er
faßt hat. Nachdem schon die derzeitig?
Teuerung längst den Ertrag der zurücklie
genden unzulänglichen Lohn- und Ge
haltserhöhungen aufgezehrt hat, wird die
njeue Teuerungswelle ein weiteres Absin
gen des viel zu niedrigen Reallohnes mit
sich bringen. An dieser Tatsache ändern
auch die Indexzahlen nichts, trotzdem
auch diese gegenüber dem Januar 1948
sich um 42,2 Prozent erhöht haben, ln
wieviel höherem Maße sich aber die tät
liche Teuerung auf den Geldbeutel des
Arbeitnehmers auswirkt, zeigt am deut
lichsten die
die Preissteigerungen eine Folge der
Lohnforderungen sind, da ja die Gegen
wart erneut beweist, daß die Lohn- und
Gehaltsforderungen eine natürliche Folge
cfer willkürlichen Preissteigerungen sind
und eine solche Entwicklung in absehba
rer Zeit zur Inflation führen muß, deren
bedenkliche Vorzeichen bereits wieder
sichtbar werden und die mit einer erneu
ten völligen Verarmung der übergroßen
Zahl des Volkes endet.
Die Gewerkschaften fühlen sich deshalb
verpflichtet, den maßgebenden Kreisender
Wirtschaft sowohl als auch dier Regierung
klar und deutlich zum Ausdruck zu brin
gen, daß die Grenze des Erträglichen, so
wohl was die Preis-Lohn-Politik als auch
das Warten auf die Verwirklichung des
Mitbestimmungsrechts betrifft, nicht bloß
erreicht, sondern überschritten Ist und daß
Jede soziale Disziplin einmal dort ihre
(Fortsetzung S<e Ä)
iftiiiiiiimiiimHiiiiiiHmiiiiiiiiiHiiiiiiiiiiiiisiiiiiitiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiMiiniiiiiiiK
Aus dem JmCioU:
Der Kampf der Eisenbahner
Eingabe des I.V. Eisenbahn
Die Arbeitskammer
So etwas nennt sich Arbeit
nehmer vertretun g
Schutz für die Arbeit der Kunst
schaffenden
Der junge Gewerkschaftler
Vergütung für Lohnausiall
Arbeiter unter schwerer Last
Mängel bei der Gewerbeaufsicht
Prämiensparen schafft Rücklagen
Lohnvereinbarung für Friseurgewerbe
Der Weg des Fortschritts und des Friedens
Die Theatergemeinde teilt mit
Die Lage ln Bonn
mniniiiinTftrnintmri!«tiffWnmmirtimnimmnmi!iii«iiiu!mmn!»iiiiHiimmnim
Stellungnahme zu wichtigen Soziaigesetzen
Beschlüsse einer Dringlichkeüssitzung des Gewerkschaltsausschusses
Preisentwicklung der notwendigen Lebensmittel innerhalb Jahresfrist vom
August 1950 bis zum August 1951
Artikel
Preissteigerung
Aufschlag
Mischbrot, 1*4 kg,
Butter
Eiier
Salatöl
Bohnenkaffee
Margarine
Teigwaren
Malzkaffe
Waschseife
ToiLettenseife
Persil
Schweinefleisch
Kalbfleisch
Rindfleisch
Dürrfleisch
Speck
billige Blutwurst
Fleisch wurst
Wenn nun die Fledschpreise um 10 Proz.
gesenkt werden, stellen wir andererseits
fest, daß infolge der Erhöhung der Getrei
depreise eine Verteuerung des Brotes zu
verzeichnen ist, also von einer Verbesse
rung der Lebenshaltung keineswegs ge
sprochen werden kann.
Zurückkommend auf die angeführten In
dexziffern der ges. Lebenshaltung ge
ben wir gerne zu, daß bei dem derzeitigen
Zustand auf dem Lebensmittelsektor die
Preisermittlungen schwierig und immer
von subjektiven Vorstellungen mehr oder
weniger abhängig sind. Für die Funktio*
näre der Gewerkschaften aber sind diese
Indexzahlen bei jeder Lohnverhandlung
Gegenstand ausgedehnter Diskussionen,
nicht zuletzt deshalb, we-il die Arbeitgeber
dieselben stets als Grundlage für die not
wendigsten Lohnerhöhungen betrachten.
Demgegenüber müssen wir feststel’en, daß
diese Indexzahlen stets hinter jeder Auf
wärtsentwicklung der Preise nachhinken
und die eigentliche Teuerung niemals auf
zeigen.
Die Gewerkschaften und die von ihnen
vertretenen Arbeitnehmer werfen anderer-
seits jedoch die grundsätzliche Frage auf,
warum der 011 unc * für sich so niedrige
Lebensstandard der Arbeitnehmerschaft
«urch die Preis-Indexzahlen dauernde Be
grenzungen erfahren soll. Wir könnten die
dieser These verstehen, und
p. r f “ätte nach unserer Meinungauch
_ ' f \ b 9ung, wenn derselbe Grundsatz
f Ti ur A d f n . anderen Sozialpartner, d- h.
beitgeber, Gültigkeit hätte. Da-
k l ? bellte jedoch noch nicht ge-
-p -hen, und auch die Regierung hat sich
diesem C prnbi Marktpolitik mit
n 5? ch ™ cht beschäftigt,
wir dafür *9 Verständnis aber bringen
benshaltiirw^ 11 ^ daß Maßstab der Le-
das Jahr io3o* €r scbia ffönd«n Menschen
das geilte wird UTld
des arK^^t JahT anschem end das Ideal
sein soH hmeriSChen Leb<ms Standards
4 m witÄ Pp - P ^ rwchzulaufen,
. wie die Vergangenheit beweist, nie
von
auf
um Frs.
<yo
Stück
58,—
65,-
7,-
12
Kilo
588,—
640,—
52,—
9
Stück
13,—
17.—
4,—
30
Liter
220,—
294,—
74,—
34
Kilo
632,—
792,—
160,—
25
Kilo
263,—
340,—
77,-
29
Kilo
103,—
146,—
43,—
41
Kilo
144,—
180,—
36,—
25
Kilo
146,—
173,—
27,—
18
Stück
45,-
60,—
15,-
33
Paket
47,-
60,—
13,—
28
■ Fleisch- und Wurstpreise
49 bis zum JuH 1951
Küo 240.— 340,—
100,—
40
Kilo
280,—
480,—
200,—
70
Kilo
260,—
360,—
100,—
40
Kilo
320,—
420,—
100,—
31
Kilo
308.—;
360.—
52.—
17
Kalo
220,—
280,—
60,-
27
Kilo
220,—
320,—
100,—
45
öingeholt werden können, und die in dem
selben Ausmaß auch das Kleingewerbe
treffen, sind die Gewerkschaften gezwun
gen, neue Lohn- und Gehaltsford erungen
zu stellen, um ein weiteres Absinken des
in schwerer Arbeit und jahrelangem Rin
gen erzielten zu niedrig®! Reallohnes zu
verhindern. Man soll aber nicht den Ge
werkschaften den Vorwurf machen, daß
Ein Teil der saarländischen Presse
brachte Berichte, wonach der Hohe Kom
missar der französischen Republik im
Saarland auf Grund des Art. 3 der allge
meinen Konvention vom 3. 3. 1950 gegen
die einstimmig vom Saarländischen Land
tag am 10. 7. 1951 verabschiedeten So
zialgesetze, Saarknappschaftsgesetz so
wie Gesetz über Verbesserungen in der
Invalidem- und Angestelltem Versicherung,
Einspruch erhoben hätte.
Diese beunruhigenden Meldungen ha
ben den Gewerkschaftsausschuß der Ein
heitsgewerkschaft veranlaßt, in einer
DringlichkeitsSitzung am 31. 8.1951 grund
sätzlich Stellung zu nehmen.
Soweit der Gewerkschaftsausschuß in
formiert ist, soll sich das Veto des Hohen
Kommissars der französischen Republik
im Saarland gegen die genannten Geset
zestexte darauf richten, als sie Bestim
mungen enthalten:
a) über die Eingliederung der Bergbau
berufsgenossenschaft Saarknapp
schaftsgesetz §§ 5, 67, 127, Abs. 3),
b) über die Herabsetzung der Alters
grenze beim Bezug der Knappschafts
vollrente (Saarknappschaftsgesetz §
39),
a) über die Erhöhung der Versicherungs
pflichtgrenze in der Sozialversiche
rung (Saarknappschaftsgesetz § 74
und Gesetz über die Verbesserung in
der Invaliden- und Angestelltenver
sicherung § 13.)
Da der Einspruch des Vertreters Frank
reichs im Saarland im vorliegenden Falle
unter Berufung auf Art. 3 der Allgemeinen
Konvention nur begründet sein kann, wenn
die oben angeführten gesetzlichen Bestim
mungen gegen internationale Abmachun
gen des Saarlctndes verstoßen, bleibt zu
prüfen, ob überhaupt und inwieweit eine
d«T vom Saarland eingegangenen Internat.
Verpflichtungen mißachtet sein soll.
Die Grubenkomvention kann durch kei
nen der drei strittigen Punkte als mißach
tet betrachtet werden.
Zudem wird festgestellt, daß die Regie
dies Mines — falls sie sich durch die drei
genannten Bestimmungen irgendwie be
nachteiligt gefühlt haben sollte, — die
Möglichkeit gehabt hätte, nach Art. 13,
Abs.-4 die Vermittlung des Grubenaus-
schüsses anzurufen. Das ist aber nicht
geschehen.
Was die Wirtschaftskonvemtion anbe
langt, so kann man nicht behaupten, daß
die Eingliederung der Bergbauberufsge-
nossenschaft in die Saarknappschaft d'e
Durchführung dier französisch-saarländi
schen Wirtschaftsunion auch nur in etwa
benachteilige. Die von den beiden Ge
werkschaften vorgebrachten Argumente
für die Eingliederung der ’Bergbauberufs-
genossenschaft in die Saarknappschaft
waren so überzeugend, und die von der
Regie des Mines schriftlich eingebrachten
Gegenargumente so schwach, daß der
Landtag (einstimmig die aus Gründen d?r
Verwaltungsvereinfachung geforderte Zu
sammenlegung der beiden Versicherungs
träger beschlossen hat, was unseres Er
achtens auch eine rein kmerpolitiscbe An
gelegenheit des Saarlandes ist.
Das gleiche gpilt hinsichtlich der Maß
nahmen über die Herabsetzung der Le-
bensaltersgrenzs beim Bezüge der Knapp-
schaftsvollremte. Hierzu wird noch betont,
daß die Mittel zur Durchführung dieser
(Fortsetzung nächste Seite oben links)
Der neue Mindestlohn im Saarland
Saarländische Gewerkschaften erklären sich mit den Gewerkschaften in Frankreich solidarisch
Nach langen Verhandlungen im Con&jil
Superieur, in denen eine Einigung nicht er
zielt werden konnte, setzte die französi
sche Regierung in einer außerordentlichen
Ministerratssitzung am Sonnabend, dem
8. September 1951, den neuen Mindestlohn
mit Wirkung vom 10. September 1951 aut
20 000.— ffrs. monatlich für die Vergleichs
zone Paris fest, das bedeutet folgende Er
höhung des garantierten Mindestlohnes
für das Saarland:
Stunden
lohn-
Wochen- Monats
lohn- lohn
Lohnzone 1: 96,25 4813 -20 854.—:
Lohnzone 2: 92,50 4625.— 20 042.—
Lohnzone 3: 88,75 4438.— 19 229.—
Lohnzone 4: 86,50 4325.— 18 742.—,
Dje französischen Gewerkschaften leh
nen das neue Existenzminimum in Anbe
tracht der gestiegenen und immer noch
steigenden Lebenshaltungskosten als völ
lig unzureichend ab und verlangen ein
mütig die Festlegung des garantierten
Mindestlohnes auf 23 600.— Frs.
Ob und inwieweit sich die französische
Regierung dem Standpunkt der Gewerk
schaften doch noch nähern wird, ist noöh
nicht abzusehen, jedenfalls kann man den
Veröffentlichungen der Presse entnehmen,
daß die Regierung den neu festgesetzten
Mindestlohn selbst nicht für ausreichend
und eine weitere Hebung der Kaufkraft
der Arbeitnehmerschaft für unbedingt er
forderlich hält.
Auf der Linie dieser Bestrebungen um
die Hebung der Kaufkraft auf breitester
Basis liegt die in der Nationalversamm
lung vom 14. 9. 1951 beschlossene Ab
kehr vom Lohnzonensystem, eine Forde
rung, die von der Einheitsgewerkschaft für
das Saarland bereits seit langem mit ein
gehender Begründung erhoben wird.
Um inigen Meinungen in allen diesen
noch schwebenden Fragen von vornrein
zu begegnen, muß die Einheitsgewerk
schaft unmißverständlich feststellgn, daß
das Saarland auf die Gestaltung des
Mindestlohnes ohne unmittelbaren Ein
fluß ist. Diese Feststellung ist umso mehr
erforderlich, als die Besprechungen ^ der
Saardelegation bei dem Arbeitsministe-
rium in Paris übeT den festzulegenden
Mindestlohn am 3. 9. 1951, die lediglich
informatorischen Charakter hatten, in
Presse und Rundfunk in einer Form imd
Aufmachung publliziert wurden, daß Tn
der Oeffentlichkeit der Anschein einer
direkten Einflußnahme des Saarlandes
auf die Beschlüsse der französischen Re
gierung erweckt wurde. Die Einheitsge
werkschaft wird in der Zukunft die Teil
nahme an derartigen Delegationen, über
deren Aufgaben und Bedeutung nicht
völlige Klarheit besteht, kategorisch ab-
lehnera. , J , . ..
Mit der gleichen Entschiedenheit er
klärt sie aber auch, daß bei gleichen
Preis Verhältnissen im franco-saarländi-
schen Wirtschaftsraum auch die gleichen
Lohnverhältnisse vorherrschen müssen.
Dieser Standpunkt wurde von beiden
saarländischen Gewerkschaften in den
Verhandlungen über die Anwendung des
neuen Mindestlohnes im Saarland am
13. und 14. 9. 1951 mit allem Nachdruck
vertreten. Da in diesen Verhandlungen
eine Einigung zwischen Arbeitgebern ur.d
Arbeitnehmern nicht erzielt werden konn
te, sollte am Montag, den 17. 9. 1951,
beim Arbeitsministerium eine weitere Be
sprechung stattfinden, die jedoch von
den Gewerkschaften in nachstehendem
Schreiben abgelehnt wurde. Die. saarlän
dischen Gewerkschaften können der Fest
legung des Existemzminimums au; 20 8-4.-
ffrs. Ähre Zustimmung nicht geben und
erklären sich mit den französischen Ge
werkschaften solidarisch.
Das Schreiben der beiden Gewerkschaften hat
folgenden Wortlaut:
..Die Gewerkschaften halten weitere Bespre
chungen über die Mindestlohnfrage nicht für
angängig. Sic halten solche Besprechungen zur
Zeit schon deshalb nicht für erforderlich, veil
die Verhandlungen über die endgültige Gestal
tung des Existenzininimums zwischen französi
scher Regierung und Gewerkschaften nicht a -
geschlossen sind. Die saarländischen Gewerk
schaften erklären sich in dieser Frage mit den
Gewerkschaften in Frankreich solidarisch. *