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s:
6. Jahrgang
Saarbrücken, 10. Januar 1951
Nr. 1
- Jut üahcßscößnDß -
Ein immerwährendes Ringen und Kämp
fen um soziale und wirtschaftliche Ge
rechtigkeit, um die Beseitigung der Not,
in der noch ein großer Teil der schaf
fenden Menschen des Saarlandes als
Folge der Hitlerdiktatur mit dem Verlust
von Milliarden werten erarbeiteten
Volksgutes sich befindet, kennzeichnet
die von uns als Einheitsgewerkschaft im
zurückliegenden Jahr geleistete Arbeit.
Erschwert wurde unsere Tätigkeit durch
die im Laufe des Jahres in Erscheinung
getretene willkürliche, andererseits durch
die neu aufgetretene Kriegsgefahr her
vorgerufene Teuerung, welche die Le
benshaltung der schaffenden Menschen
weiter verschlechterte.
Lohn- und Gehaltsbewegungen größten
Ausmaßes, teilweise am Ende des zurück
liegenden Jahres noch nicht zum Ab
schluß gekommen, mußßtan durchgeführt
werden, um die schon vorher vorhandene
Spanne zwischen Löhnen und Gehältern
mit der fortschreitenden Teuerung wenig
stens in etwa auszugleichen. Unter beson
derer Berücksichtigung der Wirtschafts
konjunktur in der Saarindustrie und der
Gewinnlage innerhalb der gesamten
Saarwirtschaft können die bis jetzt statt
gefundenen Lohnerhöhungen keinesfalls
befriedigen. In einer Zeit, in der das so
ziale Problem das dringlichste ist, ist der
in immer stärkeren Maße sich bemerkbar
machende Wirtschaftsegoismus am we
nigsten angebracht und keinesfalls dazu
angetan, das soziale Problem durch die
Verbesserung der Lebenshaltung der
schaffenden Menschen einer Lösung ent
gegenzuführen.
Diese Feststellungen und Erfahrungen
im zurückliegenden Jahr haben uns als
Gewftrköchaiteu erneut und eindringlich
die Problematik der vom gesamten Ar-
beitgebertum erstrebten „freien Wirt
schaft" vor Augen geführt und gezeigt,
daß ohne eine zielbewußte Wirtschafts
planung, ohne Mitbestimmung und Mit
verantwortung der Gewerkschaften und
ihrer Mitglieder in der Wirtschaft ein
wirksamer Schutz der Arbeitskraft vor
Ausbeutung, eine Hebung des Realein
kommens im Ausmaß der Konjunkturstei
gerung nicht möglich und die friedliche
Entwicklung der Wirtschaft aufs, stärkste
gefährdet ist.
Damit steht aber auch die Regierung
sowie der Landtag vor der Tatsache, dem
dringlichsten Problem der Weiterentwick
lung der sozialen und arbeitsrechtlichen
Gesetzgebung im neuen Jahre größte Auf
merksamkeit zu schenken. Getragen vom
ernsten Willen zur sozialen Tat, ist diese
Möglichkeit auch gegeben bei Beachtung
und Durchführung der in der Verfassung
festgelegten Grundsätze. Die Neugestal
tung der Wirtschaft im Sinne wahrer De
mokratie, die wir als Gewerkschaften er
streben, muß zur Tat werden. Die betrieb
liche Mitbestimmung der Arbeitnehmer
schaft unter gleichzeitig zu tragender Ver
antwortung durch baldigen Erlaß des
neuen Betriebsrätegesetzes, die Schaffung
der Arbeitskammer und des Wirtschafts
rates müssen vordringlichste Aufgaben
des Landtags und der Regierung sein.
Werfen wir einen Blick zurück auf das
vergangene Jahr, so können wir feststel
len, daß unsere Bemühungen und An
strengungen zum Ausbau der sozialen
Gesetzgebung zu einem, wenn auch nicht
voll befriedigenden Erfolg geführt haben.
Die Erhöhung der Renten und der Bezüge!
der übrigen Versorgungsberechtigten, die
endgültige Beseitigung der Brüning’schen
Notverordnungen haben eine wesentliche
Besserung der Verhältnisse derjenigen ge
bracht, die ihre Arbeitskraft und Gesund
heit im Dienste der Wirtschaft geopfert
und die durch den verantwortungslosen
Krieg Hitlers als Schwerbeschädigte, Wit
wen. und Waisen inmitten des Wirtschafts-
geschehetis siphen. Es wild and muß eine
unserer vordringlichsten Aufgaben sein,
durch den weiteren Ausbau der gesam
ten Sozialversicherung den Tausenden
von Versorgungsberechtigten eine weitere!
Verbesserung ihrer Lebenshaltung zu er
möglichen und dafür Sorge zu tragen, daß
die Arbeitskraft und die Gesundheit der
aktiv in der Wirtschaft Stehenden erhol*
ten bleibt.
Bie Kraftquellen
Unsert besonderes Augenmerk werden
wir darauf richten, daß die gesamten zur
Verfügung stehenden Mittel der Sozial
versicherungsträger dazu verwandt wer
den, das soziale Wohnungsproblem zu
lösen, da dies der einzige Weg ist, um
den Hunderten von Familien, die heute
noch unter den unwürdigsten Verhältnis
sen leben müssen, nicht bloß ihre Ge
sundheit zu erhalten, sondern ihnen auch
wieder neuen Mut und Lebensfreude zu
sichern.
Dem Schutz des Arbeitsplatzes und da
mit der Existenz der Arbeitnehmer durch
oh entsprechendes Kündigungsschutz-
gesetz muß im neuen Jahr unter allen
Ums änr en Rechnung getragen werden.
Die gesamten zu lösenden Problem®
werden viel rascher einer Lösung entge-
gengeführt werden können, wenn das vor
liegende Gesetz zur Schaffung der Ar
beitskammer vom Landtag so rasch wi®
möglich verabschiedet wird. Unter Be
rücksichtigung, daß sämtliche Berufs-
grupnen ihre Interessenvertretung i n den
einzelnen Kammern haben, muß es Pflicht
der Reaierung sein, dem wichtigsten Fak
tor in der Wirtschaft, der Arbeitnehmer
schaft in seiner Gesamtheit, endlich ein®
entsprechende Standesvertretung zu
schaffen.
So wie wir im zurückliegenden Jal
ter Einsatz der letzten Kraft für di
beitenden Menschen an der Saar als
werkschaften gearbeitet, so werde
auch in diesem neuen Jahr in Einhei
Geschlossenheit der Kraftquell sein
dem zu schöpfen es den Entrech
und Enterbten immer möglich sein
ihr Los zu verbessern, um dadurch
größeren Anteil an den materiellen
Btigen und kulturellen Gütern des U
zu erhalten.
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litxsche Neutralität innerhalb unsere
wegung gewahrt wird. Menscher
durch parteipolitische Eingriffe in di
©eiteren Mtiegs
werkschaftlichen Aktionen diese Einheit
gefährden, vergehen sich an der Arbeit
nehmerschaft in ihrer Gesamtheit.
Das gleiche gilt aber auch für dieje
nigen, die glauben, durch Mißbrauch der
christlichen Lehre die Einheit der schaf
fenden Menschen zerschlagen zu kön
nen, um mit dein unfairsten Agitationsmit
tel um manchmal rein persönlicher Vor
teile willen die Gewerkschaftsbewegung
in ihrer Gesamtheit zu schwächen. Mögen
diese Menschen doch zurückdenken an
die Zeit, als ehemalige freife und christ
liche Gewerkschaftler ihrer Ueberzeu-
gung willen nicht nur in die KZ’s und
Zuchthäuser geschickt wurden, sondern
viele von ihnen gemeinsam den Weg zum
Galgen gehen mußten. Sie starben ihrer
Ueberzeugung willen in der Hoffnung, daß
in der Zukunft nicht mehr das Trennende,
sondern das Gemeinsame vornehmste
Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung
sein muß.
Wir wissen, daß ohne Unterstützung un
serer gesamten Funktionäre in den Be
trieben die Aufwärtsentwicklung in der
sozialen und arbeitsrechtlichen Gesetzge
bung als auch in der Verbesserung der
Lebenshaltung nicht möglich gewesen
wäre, wenn sie nicht in selbstloser Ar
beit im Interesse unserer Bewegung und
damit im Interesse der gesamten Men
schen im vergangenen Jahr mit uns zu-
sammengeärb eitet hätten. Sie alle waren
frei von jedem persönlichen Egoismus,
einzig und allein beseelt von dem Willen,
ein® bessere Zukunft für die schaffenden
Menschen aufzubauen. Ihnen sei für ihre
Treu® und Hingebung im vergangenen
Jahre herzlich gedankt.
Das neue Jahr wird mit den vor uns lie
genden gewerkschaftlichen Aufgaben
größere Anforderungen an uns stellen.
Wir werden sie meistern in dem Bewußt
sein, die wirtschaftliche, soziale und ar
beitsrechtliche Lage der gesamten schaf
fenden Menschen besser zu gestalten und
im Hinblick auf unser Ziel
FÜR DIE FREIHEIT, FÜR BROT UND
FRIEDEN!
H. Wacker
lllflllillllllMllillllillii!
Aus dem Jmfiait:
Die Tarifgestalfung in der Metallindustrie
Kommt Erhöhung
aus der Familienzulagenkassa?
Endkampf um die Mitbestimmung
Leistungen und Erfolge des I.-V. Verkehr
und Transport
Die soziale Tat der Gemeinn. Baugen.
Kapitalabfindung und Bausparverträge
Lohngestaltung in cjer Holzindustrie
BllllllHllllltillllllllllllilliltliHllltllllllllilllllWIHIIIIliilllllllllllillllliillllHillltlllHHilillt
Die Leistungen der KV
Der junge Gewerkschaftler
Briefkasten
Die Kaufkraft
Zum Refa-System
Wichtiges aus den Verbänden.
Rechtsberatung
Die Theatergemeinde teilt mit:
lilllllllitBRIIIlBWhfillltlllillltlllltlllllllillllllllllllllttftllllltlflllHIlfiwitüillHlI
iüim .
Sozialpolitische Kernprobleme
Stellungnahme des Arbeitsministers Richard Kim zur Situation an der Saar
Mit Beginn eines neuen Abschnitts, besonders einer Jahreswende, drängen sich
neben dem Blick auf die erzielten Erfolge der Vergangenheit vor allem die ungelö
sten und neuen Probleme auf. Für die Arbeitnehmer, insbesondere für die Gewerk
schaftler, sind dies in erster Linie sozialpolitische und wirtschaftspolitische Pro
bleme. Die Redaktion der „Arbeit“ hat den Arbeitsminister Richard Kim zum
Jahreswechsel um Beantwortung einiger grundsätzlicher Fragen gebeten. Dasnach-
stehende Ergebnis dieser Befragung wird sicher die Aufmerksamkeit aller Arbeit
nehmer finden. Die Darlegungen verschaffen einen aufschlußreichen Ueberblick
über die gegenwärtige und zukünftige Situation an der Saar.
„Die Arbeit“: Welchem wichtigen Problem
ist zur Zeit ein besonderer Vorrang zu
gewähren ?
Richard Kirn: Ich nenne in erster Linie
das neue Saarknappschaftsgasetz. Di®
Vorlage ist fertigqestellt, und es ist zu
hoffen, daß sie der Regierung bzw.
dem Landtag alsbald zur Beschlußer
hebung vorgelegt wird. In dem Gesetz
sind wesentliche Verbesserungen vor
gesehen, die übrigens eine nicht, un
erhebliche Belastung des Staatshaus
halts bedeuten. Wichtig ist vor allem
die Herabsetzung des Pensionsalters
von 65 auf 60 Jahre und die Gleich
stellung der Axbeiterwitwe mit der des
Angestellten. (In Verbesserungen der
Invalidenversicherung ist ebenfalls die
Gleichstellung der Witwe des Arbei
ters mit der Witwe in der Angestell
ten Versicherung vorgesehen.) Die Voll-
rente wird demnach gewährt vom
ersten Tag des Monats, der dem To
desfall folgt.
Gleichzeitig wird dem Landtag das
Gesetz über die Wiedereinführung der
Selbstverwaltung der Versicheiungs-
träger vorgelegt werden.
Dem Landtag liegt zur Zeit auch ein
Gesetzentwurf über die Verbesserung
der Unfallversicherung vor. Danach
erfolgt eine allgemeine Erhöhung der
Renten und weit er eine Anpassung der
Altrenten an die Neurenten. Ferner
wird die letzte Bestimmung der Biü-
ningschen Notverordnung beseitigt
werden, und zwar soll wieder die Ge
währung der 20prozentigen Rente nach
zweijährigem Bezug, die zur Einstel
lung gekommen war, ab 1. Januar 1951
aufleben, woran jedoch die Bedingung
geknüpft ist. daß eine 20prozentigö
Erwerbsminderung vorliegen muß. Di®
Brüningsche Verordnung hatte vorge
sehen, daß bei 20 Prozent Unfallrent®
nur zwei Jahre lang Rente bezahlt
werden dürfte.
Weitere Verbesserungen sind für
Krankengeld vorgesehen .bei Krank
heiten, die auf Unfall zurückzuführen
sind. Weiter ist vorgesehen ein Ge
setz zur Nachzahlung der Unfallrent sn
ab 1945, was einen erheblichen Geld
aufwand bedeuten wird, und zwar un
gefähr 61 Millionen Francs. Hiervon
entfallen auf den Bergbau allein 35
Millionen. Das Gesetz liegt dem Land
tag bereits zur Verabschiedung vor,
„Di® Arbeit“: Welche LösungsmögÜchkei-
ten sind hierfür gegeben?
Richard Kirn: Für die Verbesserung der
Renten und Pensionen ist eine Erhö
hung der Arbeitgeberbeiträge vorge
sehen. (Bei der Knappschaft um 2 Pro
zent. Bel den übrigen Arbeitgebern
bereits ab 1. Januar auf 2 Prozent fest
gesetzt.) Ferner ein weiterer Anteil
aus Staatszuschüssen und bei der Un
fallversicherung eine Erhöhung der
Umlage. Dies ist eine Angelegenheit
des Gesetzgebers. Es ist nicht daran
zu zweifeln, daß der Landtag der Ge
setzes Vorlage, die der Arbeitsministex
eingereicht hat, zustimmen wird.
„Die Arbeit“: Herr Minister, Sie haben
wiederholt dieBedeutung des Betriebs
rätegesetzes, eines neuen Gesetzes,
mii Mitbestimmung und Mitverantwor
tung betont. Welche Aussichten mes
sen Sie der Entwicklung dieses Ge
setzes im Laufe dieses Jahres bei?
Richard Kirn: In meiner Eigenschaft als
Abgeordneter bin ich mit meinen
Freunden darin einig, daß das Ee-
triebsrätegesetz unverzüglich verab
schiedet weiden muß, dies um! so
mehr, als die letzten Ereignisse im
Reich im Zusammenhang mit der Er-
kämpfung des Mitbestimmungsrechtes
auch an.der Saar stark auf die Lösung
dieses sozialen, neuzeitlichen Pro
blems drängen. Innerhalb meiner
Landtagsfraktion hat die Gewerk
schaftsgruppe das Betriebsrätegesetz:
vorberaten und abgeschlossen, so daß
diese Gruppe gemeinsam mit den
übrigen Abgeordneten die unverzüg
liche Verabschiedung des Gesetzes
verlangen wird. Der Entwurf ist durch
aus gesetzesreif. Ich bin der Ueber
zeugung, daß das Mitbestimmungs
recht im Betriebsrätegesetz verankert
wird, da ja auch verschiedene Vertre
ter der CVP sich neuerdings erfreuli
cherweise für das Mitbestimmungs
recht ausgesprochen und sich der
Meinung der Einheitsgewerkschaft an
geschlossen haben. Wir möchten
glauben, das Gesetz noch in dieser
Landtagsperiode durchzubekommen.
„Die Arbeit“: Was halten Sie von dem
Versuch der Duisburger Kupferhütte
mit Mitbestimmung der Belegschaft
unter Beibehaltung des Eigentums an
den Produktionsmitteln?
Wäre eine derartige gemeinsame
Unternehmungspolitik nicht auch jetzt
schon an der Saar in einigen Betrie
ben gangbar?
Richard Kirn: Es gibt an der Saar einige
Unternehmer, die sich mit dem glei
chen Gedanken tragen. Das Ministe
rium wird durchaus keine Schwierig
keiten machen. Ein ähnliches Vorge
hen wie in Duisburg wird im Interesse
der Arbeitnehmer und auch, der Ar
beitgeber zu begrüßen sein.
„Die Arbeit“: Sind außer zu erkämpfen
den Lohnerhöhungen auch Maßnah
men zu erwarten, dis sich wirkungs
voll gegen die zunehmende Teuerung
wenden? An Preisherabsetzungen
glaubt wohl niemand mehr.
Richard Kim: Zunächst veranlaßt das Ge
setz zum Schutze der Tarifverträge
und der gesetzlichen Lohn- und Tarif
bestimmungen den Arbeitsminister,
darauf zu achten, daß nicht nur die
zwischen den Sozialpartnern abge
schlossenen Tarifverträge eingehalten
werden, sondern er ist. auch darüber
hinaus verpflichtet, darüber zu wa
chen, daß die gesetzlichen Bestim
mungen eingehalten werden und daß
Tarifverträge nicht dagegen versto
ßen. Ich muß die betreffende Partei
unter Strafe nehmen, überhaupt gilt
es, immer dafür zu sorgen, daß die
arbeitsrechtiichen Bestimmungen nicht
durch „wirtschaftliche Begründungen
der Arbeitgeber illusorisch gemacht
werden,
(Fortsetzung auf Seite 3)