Full text: 1950 (0005)

Tanuar 1950 
Seite 7 
„DIE ARBEIT* 1 
Wille und Weg 
Kreis Saarlouis-Dillingen berichtet: 
Ueber 800 Neuaufnahmen in 3 Monaten 
Lieber den im Kreise Saarlouis - Dillin 
gen laufenden Kreis Werbewettkampf ha 
ben wir seit Beginn ausführlich berich 
tet. Nachdem nunmehr die Aktion ihrem 
Ende zu geht, interessiert es allgemein, 
wie der Gedanke zu dieser Aktion ent 
stand, wie sie verlaufen ist, welche Re 
sultate bisher erzielt wurden und wel 
ches Endziel dieser Werbemaßnahme ge 
steckt ist. 
Aus einer Befragung des Kreisge 
schäftsführers Kollege Struck ergibt 
sich folgende aufschlußreiche Schilde 
rung: 
Frage: „Wie kamen Sie auf den Gedanken, 
eine derartige Werbeaktion zu planen und durch 
zuführen?" 
Antwort: „Durch eine tiefe Erkenntnis. Diese 
Erkenntnis hatte ihren Ursprung in dem immer 
härter werdenden Existenzkampf der Arbeitneh 
mer, hervorgerufen durch die Auswirkung der 
Wirtschaftskrise (Kurzarbeit, Entlassungen, Min 
derung der Einkommen durch Ueberstundenab- 
bau, Auswirkung der Teuerung durch Verminde 
rung der Kaufkraft und anderes mehr), zum an 
deren noch durch den immer engeren Zusam 
menschluß unserer Gegner in Arbeitsgemein 
schaften und Arbeitgeberverbänden und im Zu 
sammenschluß aller zu einer Dachorganisation 
zura Zwecke der einheitlichen Interessenwahrung 
gegenüber den Gewerkschaften. Wir haben aus 
diesen Tatsachen die Erkenntnis gezogen, daß, 
wenn wir uns nicht auch entsprechend rüsten 
und unsere Einheitsgewerkschaft zu einer star 
ken Kampforganisation ausbauen, wir ln den 
kommenden Kämpfen unsere Forderungen nicht 
mit dem notwendigen Nachdruck erfolgreich ver 
treten könnten. 
Frage: „Hat sich Ihr großer Optimismus er 
füllt mit dem Sie bei Beginn die Aktion star 
teten?“ 
Antwort: „Der Optimismus hat uns in unserem 
Kampf immer begleitet. Der Beweggrund war 
ein starker, fest entschlossener Wille, unsere 
Aktion zu dem gewünschten Erfolge zu führen. 
Wir alle wollten den Erfolg. Der Wille bewegle 
uns zur Tat. So entstand eine Leistungsgemein 
schaft aller Funktionäre und Betriebsräte. Die 
Leistungsgemeinschaft hat sich, was der Erfolg 
ja auch beweist, glänzend bewährt." 
Frage: „Wie viele Neuaufnahmen haben Sie 
bis heute in der verhältnismäßig kurzen Zeit ge 
macht?“ 
Antwort: „Wie Sie auf unserer Wettkampftafel 
sehen, sind darauf bis jetzt 825 Neuaufnahmen 
verzeichnet." 
Frage: „Das ist ein schöner Erfolg, zu dem 
wir Ihnen und Ihren Funktionären sowie Be 
triebsräten herzlich gratulieren. 
Haben Sie sich eigentlich ein festbegrenztes 
Ziel für die Werbeaktion gesteckt, oder entschei 
det die Laufzeit des Kreiswerbewettkampfes?“ 
Antwort: „Selbstverständlich haben wir uns 
»in Ziel gesetzt. Unser Ziel für die Aktion be 
trägt mindestens 1000 Neuaufnahmen. 
Frager „Und Sie glauben, daß Sie Ihr Ziel er 
reichen werden?“ 
Antwort: „Nicht nur glauben tun wir es, son 
dern wir alle. Funktionäre und Betriebsräte, sind 
fest davon überzeugt, 4aß wir es fertigbringen. 
Vergessen Sie bitte nicht wir wollen es und 
daß unser Wille eisern ist beweist Ihnen ja der 
bisherige Verlauf der Aktion.“ 
* 
** 
„Wir sind jetzt im Bilde. Ihr Bericht 
ist für uns sehr interessant Selbstverständlich 
erwarten wir von Ihnen zu gegebener Zeit noch 
einen Schlußbericht Bis dahin für Ihre wei 
tere Arbeit viel Erfolg 1“ 
Nicht um einer Gewohnheit zu entspre 
chen, sondern um Schlußfolgerungen zu 
ziehen, geben wir uns an der Schwell» 
des neuen Jahres, das ein halbes Jahr 
hundert abschließt, Rechenschaft. 
Der gewerkschaftliche Wille prägte in 
der Vergangenheit unsere Zielsetzung. 
Wer aufmerksam war, kennt die Schwie 
rigkeiten, die sich uns entgegen stellten, 
kennt aber auch die Erfolge. Der Arm 
der Gewerkschaft ist nicht so kurz! Er 
vermochte hinzulangen urid manches zu 
erreichen. Und nicht alles, was erreicht 
wurde, ist aus einer Statistik zu ersehen. 
Wir brauchen nicht entmutigt zu sein. Im 
Gegenteil, die Resultate sind dazu ange 
tan, neue Kraft und neues Vertrauen zu 
geben. 
Die Gewerkschaft betrachtete vor allem 
die Sicherung der Vollbeschäftigung als 
wesentlich. Es wurde keine Gelegenheit 
versäumt, in dieser Hinsicht unsem Ein 
fluß in Staat und Wirtschaft zur Geltung 
zu bringen. 
Die Teuerung, das zunehmende Aus 
einanderklaffen von Löhnen und Preisen, 
war Anlaß großer Sorgen und somit auch 
ununterbrochener Bemühungen. Dieses 
Problem packten wir an, wo wir nur konn 
ten. Ob und wieweit dadurch das Abglei 
ten in noch schlimmere Zustände ver 
hindert wurde — es gilt, das zu untersu 
chen. 
Die aufmerksamste Behandlung erfuhr 
das neu zu schaffende Betriebsrätegesetz. 
Dem Regierungsentwurf haben wir einen 
eigenen Entwurf gegenübergestellt. 
Von hervorragender Bedeutung war der 
Kampf der Gewerkschaft —- und hier ist 
besonders der I.-V. Bergbau zu nennen — 
Zu Beginn des neuen Jahres stellt sich 
nun wieder die Frage nach unserm Willen 
und Weg. Welche gewerkschaftlichen For 
derungen sind uns unabdingbar vorge 
zeichnet? 
1. Das Betriebsrätegesetz. Hier werden 
wir, um unsem eigenen Entwurf wirkungs 
voll in die Waagschale werfen zu kön 
nen, um die Mitbestimmung, gewiß auch 
Mitverantwortung, in Wirtschaft-und Ver 
waltung zu erlangen, gegen viele Wider 
stände hart kämpfen müssen. 
2. Die Vollbeschäftigung. Außer der Be 
kämpfung der Arbeitslosigkeit selbst han 
delt es sich auch darum, nicht locker zu 
lassen, damit auch denen geholfen wird, 
die immer den schweren Nachteilen der 
Kurzarbeit unterworfen sind. 
3. Angleichung der Löhme an die Preise. 
Es gilt, den berechtigten Forderungen der 
Schaffenden in Zukunft wenn es sein muß, 
mit andern Mitteln Geltung zu verschaf 
fen als bisher. Hier muß etwas Durch 
greifendes geschehen! 
4. Lösung der Saargrubenfrage und des 
Eisenbahnproblems nach den wiederhol 
ten Entschließungen der Gewerkschaft. 
5. Schaffung einer neuen Versicherungs 
ordnung. 
Eine vordringliche Aufgabe wird es 
auch sein, die Pensionen der Menschen, 
die 30, 40 und mehr Jahre ihre Schaffens 
kraft hinge geben haben, so zu stellen, 
daß sie schwerer Sorgen enthoben sind, 
gegen eine Verpachtung der Saargruben. 
In der Sozialgesetzgebung wurden wei 
tere große Anstrengungen unternommen, 
um die drückende Not der Sozialrentner 
zu mildem. Der gewerkschaftliche Ein 
fluß in Regierung, Parlament und in den 
Körperschaften blieb auch hier nicht ohne 
Wirkung und mit großer Genugtuung hör 
ten wir auf unserm Landeskongreß in 
Sulzbach aus dem Munde des Arbeits- 
ministers, daß im Etat für 1950 rund 11 
Milliarden Franken für soziale Zwecke 
zur Verfügung stehen. 
In dieser wie in anderen Fragen be 
durfte es ungezählter Interpellationen und 
oft dringlicher, eingehend begründeter 
Eingaben. 
Sehr ergebnisreich war die Arbeit un 
serer Rechtsschutzabteiiung, die in zahl 
reichen Verfahren Jahr für Jahr Millionen 
beträge für die von ihr betreuten Gewerk 
schaftsmitglieder ausklagen konnte 
Einen sehr regen Eifer entfaltete das 
Jugendsekretariat. In engstem Zusammen 
hang mit seiner Initiative sind das Ju 
gendarbeitsschutzgesetz und die Erzie 
hungsbeihilfen zu nennen. Vieles wurde 
auch getan, um die Schulung der jungen 
Gewerkschaftler zu verbessern. Ihnen 
kommt auch in erster Linie die fruchtbare 
Tätigkeit der neugegründeten Akademie 
der Arbeit und kommen die vielen Hoch 
schulkurse zugute, an denen sich die Ein 
heitsgewerkschaft auch durch dozierende 
Kräfte lebhaft beteiligt. 
Einen ganz starken Anteil nahm die Ein 
heitsgewerkschaft im verflossenen Jahre 
am sozialen Wohnungsbau. Ueber die 
praktischen Resultate konnten wir in.der 
letzten Zeit näher berichten. 
wenn auch die Rückschläge nicht überse 
hen werden, die die Kriegs- und Vor 
kriegszeit in dieser Beziehung finanziell 
den Kassen verursacht haben. 
Dazu kommen weitere gewerkschaft 
liche Aufgaben, wie sie in den zahlrei 
chen Entschließungen unserer Verbände 
im Laufe des Jahres festgelegt worden 
sind. Genannt seien hier die Forderun 
gen nach Kollekti wer trägen, weitere so 
ziale Verbesserungen, die Berücksichti 
gung der Eigenart der Frau im Arbeits 
prozeß, iür die Jungen Menschen ein Be 
rufsausbildungsgesetz und Berufsausbil 
dungsausschüsse und vor allem auch wei 
terhin die äußersten Anstrengungen zur 
Bekämpfung der Eerufserkrankungen und 
zur Verbesserung der Betriebssicherheit, 
die' in erster Linie unsere wichtigste In 
dustrien, Grube und Metall, betreffein. 
Wir übersehen auch nicht die Aufgabe, 
für den Frieden, für ein demokratisches 
Europa und damit für Freiheit und Wohl 
stand einzutreten und sehen in diesem 
Sinne auch der bevorstehenden Gewäh 
rung der Autonomie entgegen, von der 
wir auch eine wirtschaftliche Aus 
weitung und bessere Fundamentierung 
der Gesamtwirtschaft erwarten. 
Wie kommen wir nun auf dem vorge 
zeichneten Wege vorwärts? Aktion auf 
Aktion! Zunächst mit dem Mittel der Auf 
klärung und der Kräftesammlung durch 
Großkundgebungen, Versammlungen, 
Presse, Flugzettel, Plakate, wobei den 
einzelnen Industrieverbänden je nach Art 
besondere Aufgaben zufallen, 
Mobilisierung aller Kräft# überall dort 
wo Gewerkschaftler sind. Unser Pro 
gramm muß zu einer mächtigen öffent 
lichen Meinung werden, die unwidersteh 
lich nach Erfüllung treibt 
dann durch gesteigerten Einfluß in Re 
gierung, Parlament, Gemeinderäten u, 
Körperschaften, 
durch intensive Vorbereitung zum Ein 
satz aller gewerkschaftlichen Mittel. 
Zur Kampfbereitschaft gehören auch 
große Werbeaktionen zur Gewinnung 
neuer Mitglieder. 
Unter Umständen sind energische Maß 
nahmen notwendig, da erfahrungsgemäß 
nur dann nennenswerte Fortschritte er 
zielt werden können. 
Wir ringen um das natürliche Recht der 
Schaffenden. Wir stellen keine Forderun 
gen, ohne geprüft zu haben, daß die Wirt 
schaft sie tragen kann. Aus berufenem 
Munde hören wir, daß die Saarwirtschaft 
„gesund“ ist. Die Arbeitnehmer, die der 
wichtigste Bestandteil dieser Wirtschaft 
sind, wollen sie gewiß nicht ungesund 
machen. Allerdings haben die Gewerk 
schaftler über den Begriff einer gesunden 
Wirtschaft in mancher Beziehung andere 
Ansichten als soviele jener Nutznießer der 
Arbeit, auf die der Vers Millers zutrifft: 
„Je mehr er hat, je mehr er will..Dia 
Produktion nimmt zu, dis Gewinne stei 
gen, aber die Kaufkraft verringert sich. 
Jeder Vernünftige weiß, welche Konse 
quenzen da zu ziehen sind. 
Die Schaffenden haben bestimmt Inter 
esse daran, daß unsere Gesamtwirtschaft 
im In- und Ausland Vertrauen genießt und 
daß sie ohne Erschütterungen sich ent 
wickeln kann. Aber gerade dazu gehört 
eine Verständigung über die gewerk 
schaftlichen Gesichtspunkte. Es wird nun 
einmal den Vertretern des Kapitals nicht 
erspart bleiben, sich eines neuen Den 
kens und Handelns in der Wirtschaft, so 
weit es ihr Anteil ist, zu befleißigen. Tun 
sie es nicht, so werden sie zwar den Ab 
lauf der geschichtlich bedingten Entwick 
lung zum Schaden der Allgemeinheit fcrm- 
men, aber auf die Dauer nicht aufhalten 
können. 
Neues Denken und Handeln ergeben 
sich aus der Tatsache, daß wir in einer 
Epoche des Uebergangs zu einer andern 
wirtschaftlichen und sozialen Lebensord 
nung stehen. 
Die Arbeitnehmer sind bereit, trotz al 
lem wie bisher für den einzelnen wie für 
die Allgemeinheit ihre Kraft und ihr Kön 
nen herzugeben und, wie es besonders 
beim Bergmannsberuf der Fall ist, selbst 
Leben und Gesundheit im Arbeitsorozeß 
aufs Spiel zu setzen. Aber sie sind nicht 
bereit, noch lange aut die vorenthaltene 
gerechte und durchgreifende Lösung der 
gesamten Sozial- und Wirtschaftspro- 
bleme zu warten. Die Gewerkschaftler 
überlassen nichts dem Zufall. Zurr, neuen. 
Jahre präsentieren wir unsere Forderun 
gen. Wir fordern nichts Unsinniges, und 
die Verfassung gibt uns die Möglichkei 
ten, für unser Recht einzutreten. Halten 
die Arbeitnehmer in Eintracht zusammen, 
dann können wir sagen: Neues Jahr, neue 
Kämpfe und neue Erfolge! Wir sehzn 
nicht schwarz, wir sehen nicht rosa, wir 
sehen klar! 
C, S. 
Unabdingbare Forderungen 
„Michael“, die in Düsseldorf erschei 
nende katholische Jugendzeitschrift, ver 
öffentlicht soeben aus der Feder de» 
stellv. Vorsitzenden des Deutschen Ge- 
wevkschattsbundes, Matthias Fächer, 
unter der Ueberschrift „Die Einheitsge 
werkschaft" folgenden Artikel: 
„Die Gewerkschaftsfrage nimmt in den 
öffentlichen Erörterungen und Auseinan 
dersetzungen einen stets wachsenden 
Raum ein. Die politischen Parteien, welt 
anschauliche Institutionen und sozial- 
interessierte Kreise haben sich mit ihr 
befaßt und tun es immer mehr. Das 
ist eine ganz natürliche Erscheinung. 
Eine Bewegung von der Größe und Be 
deutsamkeit der heutigen Gewerk 
schaftsbewegung bleibt schon an sich 
nicht unbeachtet. Sie steht, ob sie will 
oder nicht, im Rampenlicht der öffent 
lichen Beachtung und Beurteilung und 
hat sich bei all ihrem Handeln damit 
abzufinden, Sie wird aber nicht nur 
als große soziale Volksbewegung be 
achtet und beobachtet, sondern mehr 
noch auf ihren Charakter hin. Bei ihr 
wu de erstmals im großen der Ver 
such und das Wagnis unternommen, 
über alle Parteiungen und Weltanschau 
ungen hinweg ein einheitliches gewerk 
schaftliches Großgebjlde zu schaffen, 
ein Versuch, der im kleinen schon ein 
mal an Parteileidenschaft und Intole 
ranz scheiterte. 
Es muß sich nun zeigen, ob die Ar 
beitnehmerschaft jenen Willen und jene 
Reife aufzubringen vermag, die allein 
Imstande ist, den Bestand der heutigen 
Gewerkscbaftsgestaltung zu sichern, d. h. 
den Willen und die Reife zur strikten 
und ehrlichsten Beachtung des Prinzips 
vollkommener parteiaotitischer Neutra’i- 
tät und echtester Toleranz. Wir verste 
hen Worte der Besorgnis, wie sie vor 
einiger Zeit aus einer Rede des Herrn 
Bischofs Dr. Keller hervorklangen, voll 
und ganz. Wir wissen, daß oftmals der 
gewerkschaftliche Raum überschattet ist 
Matthias Föcher zur Gewerkschaftsbewegung 
durch Haltung und Handlung von Leu 
ten, die in Kurzsichtigkeit und Verblen 
dung glauben, die heutige Gewerk 
schaftsgestaltung biete die erwünschte 
Möglichkeit, durch sie parteipolitische 
Geschäfte zu machen. Wir wissen auch 
um viele Verstöße gegen das Lebens 
gesetz der heutigen Gewerkschaftsbewe 
gung und um die' oftmals zu beklagende 
Zurücksetzung unserer Menschen in der 
gewerkschaftlichen Arbeit. 
Wenn wir trotzdem zu dieser Bewe 
gung stehen, dann tun wir das in der 
Gewißheit und Ueberzeugung, daß sie um 
so eher mit diesen Auswüchsen partei 
politischer Leidenschaft fertig wird, je 
mehr die christlichen Menschen sich 
aktiv in die gewerkschaftliche Arbeit ein 
schalten und jedem Versuch, das Ge 
setz der parteipolitischen und religiösen 
Neutralität zu verletzen, in der ent 
schiedensten Weise entgegentreten. Sie 
können das heute um so unbesorgter 
und nachdrücklicher tun, weil im Ge 
gensatz zu früheren Zeiten die verant 
wortliche Führung der Gewerkschaften 
die gleiche Linie einzuhalten ehrlich ent 
schlossen ist. 
Man soll doch nicht glauben, 
daß etwa mit der Neubelebung beson 
derer Rieh tungsge werks chatten unsere 
Menschen schließlich auf einer umfrie 
deten Insel gelandet seien. Das gei 
stige Ringen unserer Tage ist damit für 
sie keinesfalls beendet, vielmehr in ver 
stärktem Maße angstrieben, weil es 
heute aus der Gewerkschaftsbewegung 
immerhin ausgeschaltet und durch sie 
auch in den Betrieben stark abgemildert, 
ja oftmals ganz beseitigt ist. Eine er 
neute Aufspaltung der Gewerkschaften 
würde auf den Arbeitsplätzen, die so 
wieso die Menschen aller Anschauungen 
zusammenfügen, in weit stärkerer und 
wir glauben auch in weit gehässigerer 
und fanatischer Form denn je ausge- 
tragen. Das sollten alle Befürworter be 
sonderer christlicher Gewerkschaften 
sehr reiflich überlegen und unsere Men 
schen nicht im Sinne einer falschen Be 
währungspolitik, sondern im Sinne einer 
frischen, aktiven Bewährungspoiitik be 
einflussen. 
Eine solche Auffassung setzt sich er 
freulicherweise besonders in der christ 
lichen Jugend immer mehr durch. Vor 
einiger Zeit hat die CAJ in einer Stellung 
nahme zur Gewerkschaftsfrage bekun 
det, daß die christlichen Menschen nicht 
mehr die Absicht haben, sich in ihre 
frühere Isolation zurückzubegeben. 
Mir scheint hier ein besonderer Hin 
weis notwendig zu sein. Die Beurteilung 
der gesamten deutschen Gewerkschafts 
bewegung aus dem Blickfeld des sow 
jetisch-besetzten Gebietes ergibt kein 
richtiges Bild der Lage. Sicher ist in 
diesem Gebiet die Gewerkschaftsbewe 
gung sehr einseitig parteipolitisch im 
Sinne der SED tendiert. Man. darf da 
bei aber nicht übersehen, daß in die 
sen Bezirken der Einfluß der christli 
chen und nichtsozialistiscben Gewerk 
schaften stets gering war. Trotzdem hat 
sich jetzt im Berliner Raum ein starkes 
Aufbegehren der nicht SEDistisch einge 
stellten Mitglieder gegen die heutige Ge 
werk schaftslinie bemerkbar gemacht und 
in der stets wachsenden UGO seinen 
organisatorischen Ausdruck gefunden. 
Das ist immerhin ein Beweis dafür, daß 
der Gedanke wirklich parteipolitisch u. 
religiös neutraler Gewerkschaften auch 
dort in steigendem Maße sich durch 
gesetzt hat. 
Ebenso falsch ist aber auch, die Ge 
werkschaftsbewegung aus dem Blick 
feld der einen oder anderen Partei zu 
beurtei’en. Die Gewerkschaftsbewegung 
ist, wenn ihr Charakter als parteiunge 
bundene Organisation ernsthaft beste 
hen soll, unbedingt als eigenständige 
Bewegung zu respektieren. Sie muß ihre 
Stellungnahme aus der sachlichen Be 
urteilung der Arbeitnehmerlage beziehen. 
Sie kann sich also nicht einfach den 
Meinungen parteipolitischer Gruppen an 
schließen. Es kann also sein, daß die 
Ansicht der einen oder anderen politi 
schen Gruppe mit ihrer Haltung kon 
form geht, "oder ihr widerspricht. Sie 
muß deshalb auch das Recht und dis 
Freiheit der Stellungnahme zur partei 
politischen Arbeit haben, wie diese 
Gruppen ja auch das Recht der Kritik 
gegenüber der Gewerkschaftshaltung für 
sich beanspruchen. Es scheint, als ob 
manches Kriterium auf der Verkeimung 
dieses Tatbestandes beruht. 
Es geht heute um die Gestaltung ei 
ner guten sozialen Ordnung. Die Ge 
werkschaftsbewegung hat die Pflicht und 
Aufgabe, ihre ganzen Kräfte für die 
Gestaltung einer solchen Ordnung einzu- 
setzen, die in allem dem Menschen ge 
recht wird, die seinem Recht, seiner 
Gleichberechtigung, seiner Freiheit und 
seiner Würde entspricht. Sie muß dies 
mit aller Glut und Hingabe tun, die der 
Größe und Bedeutsamkeit solcher Auf 
gabe entspricht. Sie darf also nicht des 
halb zurückhalten, weil ihre Haltung der 
einen oder anderen Partei mißfällt. Das 
sollte man allerseits beachten. Hier tut 
sich der andere große und wichtige 
Grund unseres Festhaltens an der heu 
tigen Gewerkschaftsbewegung auf. Wir 
wissen, daß es heute in der Tat um diese 
soziale Ordnung geht. Wir wissen, daß 
starke Kräfte solchem Wollen entgegen 
stehen Wir wissen aber auch um dia 
große und entscheidende Kraft, die in 
der heutigen Bewegung liegt, und um 
die Gefährdung solch guten Streberin 
durch erneute Aufspaltung.
	        
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