ORGAN OER ElNHBTSEMHMHEfMOTT ARBEITER, ANGESTELLTEN UNO SEOITITEN
5. lahrgang _____ Saarbrücken, 10. Juli 1950 Nr. 13
Die Losung des I.V. Bergbau
Einheit, Klarheit, Entschlossenheit - Delegierte von 38000 Mitgliedern in Sulzbach
Deutsche, französische und luxemburgische Gäste - Ministeransprachen
Der stärkste Berufs verband im Saarland, der I. V. Bergbau innerhalb der Einheits
gewerkschaft, hielt am 8. und 9. Juli seine zweite Generalversammlung ab. Zu die
ser Tagung, die traditionsgemäß in der Sulzbacher Pesthalle ab gehalten, wurde, wa
ren an die’ dreihundert Delegierte erschienen. Außerdem waren Gewerkschafts
vertreter aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg anwesend. Die Anwesenheit
des Arbeitsministets Kim und des Wirtschaftsministers Dr. Singer, die wesentliche
Ausführungen machten, unterstrich die Bedeutung der Tagung. Besondere Aufmerk
samkeit erweckten auch die Ausführungen des Kameraden von der Ruhr. Mehrere
Referate, Diskussionen und Entschließungen schafften Klarheit, wiesen auf Fort
schritte wie auch auf Mängel hin, brachten einen starken Willen zum Ausdruck
und zeigten den weiteren Weg. Zum ersten Vorsitzenden für die nächsten 2 Jahre
wurde Kollege Johann Dreher gewählt.
Von der Generalver
sammlung des Industrie-
Verband* Bergbau in
Sulzbach.
Die Kollegen Aloys
Schmitt, Johann Dreher
(der neugewählte erste
Vorsitzende) und Kurt
Weyrlch, der zum Ehren
vorsitzenden gewählt
wurde.
Die Lohnbewegung in der Metallindustrie
Vorerst 5 Prozent Lohnerhöhung - Weitere Verhandlungen stehen bevor
Kollege Robert Bach eröffnet» die Ge
neralversammlung am Samstagvormittag,
Er betonte die parteipolitische Neutralität
und die Bedeutung der Einheit. Am Tisch
der Ehrengäste sah man ATbeitsminister
Kim, Wirtschaftsminister Dr. Singer, Ad-
ministrateur Rieth als Vertreter des Hohen
Kommissars, Berghauptmann Dr. Schöne
mann vom Oberbergamt, sowie verschie
dene Behörden Vertreter und die Vertreter
auswärtiger Gewerkschaften, und zwar
von der Force Ouvriere, Paris, vom Lur
xemburgischen Arbeiterverband und et
was später die mit großem Beifall begrüß
ten zwei Kamerad«! von der Ruhr. Der
zweite Vorsitzende Koll. Kutsch, und der
Präsident der Einheitsgewerkschaft, Hein
rich Wacker, waren durch Krankheit am
Erscheinen verhindert.
Arbeitsminister Richard Kirn betontein
seiner Ansprache, noch in diesem Jahre
werde voraussichtlich das neue Knapp
schaftsgesetz verabschiedet werden. In
den einzelnen Organen, der Knappschaft
müßten dann die Arbeitnehmer die abso
lute Mehrheit besitzen. Das Gesetz sehe
eine Reform bezüglich der Herabsetzung
des Pensionsalters vor, außerdem auch
die Gleichstellung der Witwe des Arbei
ters mit der des Beamten und Angestellten
beim Tode des Ehemannes. Im Laufe der
kommenden Woche werde das Tarifver-
tmgsgesetz rechtskräftig werden. Es sei
erreicht worden, daß auch der Bergbau
einbezogen sei. Damit hätten die Gewerk
schaften die Handhabe, die berechtigten
Lohnforderungen auch der Bergarbeiter
durchzusetzen. Das Gesetz bringe keine
Beeinträchtigung des Streikrechts. Auch
brauche sich die Arbeiterschaft keinem
Schiedsspruch zu unterwerfen, sondern
könne sich, wenn sie mit dem Spruch nicht
einverstanden sei, cm den Arbeitsminister
wenden. Dieser werde dann nach Fug und
Recht seine Entscheidung fällen. Zur Re
form der Sozialgesetzgebung csn der Saar
sagte der Minister unter anderem: Dem
Landtag werde alsbald ein Gesetz über
Erhöhung der Mindestrente zugehen, und
es sei zu hoffen, daß es einstimmig ange
nommen werde. Eine zweiköpfige Familie
werde dann mindestens monatlich 7100
Franken Rente beziehen. Die Brüning’sche
Notverordnung werde teilweise außer
Kraft gesetzt. An rückständigen Renten
aus 1945/46 könnten weitere 150 Millionen
Franken ausgezahlt werden. Es sei zu
hoffen, daß für die alten Pensionäre noch
etwa 80 Millionen Franken aus Verrech
nungsbeträgen eines Tages zur Verfügung
stünden, die sich aus früheren Arbeitsver
hältnissen in Lothringern beziehen. Eine
Arb eitskamm er für das Saarland sei ge
nau so wichtig wie die anderen Kammern,
und es bestehe Aussicht, daß dieses Ge
setz, an dem das Arbeitsministerium und
das Wirtschaftsministerium gemeinsam
arbeiten, alsbald dem Landtag unterbrei
tet werde. Danach behandelte der Mini
ster die große Gefahr der Silikose für den
Eergmann. Er vertrat den Standpunkt, daß
die Funktion besonderer Arbeitsärzte ge
schaffen werden solle, die unabhängig
von den Betrieben und unabhängig von
iiiiriiHiitiiiiiitiitiiiiiiiHMiiiMiiiiiiiiMiiimiimiimiiiiDiiiiiiiimhimiiHiiiiiiiiminiiiim
Aus dem Inhalt:
Die Stimme der Verbände
Der junge Gewerkschaftler
Sind Arbeitsämter notwendig?
Gewerkschaften zum Schumanplan
Dr. Brüning für Einheit und Mitbestimmung
Redeerlaubnis für Grenzgänger
Rentenerhöhung und Elternrente
Industrielöhne ln Westdeutschland
Arbeit und Recht
Die Tagung der „Volksfürsorge“
I. V. Metall gegen Spalter
Die Theatergemelnde teilt mit
Diiirtiiiiiiiimiiiiiiimiiifiimijiniimiiiiiiiimiiiiiiiiiiimiiiiimiiiiiiitiiiitiimiiiiiiiiimii
den Versicherungsträgern sein müßten.
Die Silikose müßt© unbedingt als Berufs
krankheit mit Rentenpflicht anerkannt wer
den.
Den mit freudigem Beifall aufgenomme
nen konkreten Ausführungen dös Arbeits
ministers folgte eine Ansprache des Wirt-
schaftsministers Dr. Singer, Die Sicher
heit des Arbeitsplatzes, sagte Dr, Singer,
werde auch nach dem Inkrafttreten det
Konventionen gewährleistet sein. Die Re
gierung wolle die Möglichkeiten zu die
ser Sicherheit auch lOOprozentig überneh
men. Der Frage der Grubenschädeh wia-
me die Regierung verstärkte Aufmerk
samkeit. Bn den nächsten Tagen werde
eine Grubenschädenkommission gebildet
werden, um wirkungsvolle Maßnahmen zu
treffen, damit den Bergleuten wie sonsti
gen Betroffenen der Schaden ersetzt wer
den könnte. Auf den Schumanplan ein
gehend stellte der Minister fest, man wer
de keine Mühe scheuen, um den steten
Absatz der Saarkohle zu gewährleisten.
Aber auch eine verstärkte Kohlenverwer-
tung im Inland sei notwendig. In der Koh
lenveredelung könne manch Positi
ves mein getan werden. Vom Betriebs
rätegesetz sei zu sagen, daß mit diesem
Gesetz gegebenenfalls ein vollkommener
Strukturwandel verbunden sein werde. In
den nächsten Tagen fänden zwischen den
Parteien Beratungen über die Form, die
dieses Gesetz finden soll, statt. Auf jeden
Fall müsse in diesem neuen Gesetz zum
Ausdruck kommen, daß wir an der Saar
eine sozialgeordnete Wirtschaft haben, die
einer sozialen Wirtschaftsverfassung Raum
gebe, in deren Mittelpunkt der schaffende
Mensch stehe. Wenn die Arbeitskammer
an der Saar gegründet sei, werde man so
fort auch an die Schaffung des Landes
wirtschaftsrates herangehen. Der Minister
dankte zum Schluß den Bergleuten für ihr«
seit 1945 geleistete große Wederaufbauar-
arbeit.
Berghauptmann Dr. Schönemann
vom Oberbergamt sprach eingehend über
Unfallverhütung und Berufskrankheiten.
Wichtig war hier die Feststellung, daß bei
den notwendigen Aktionen aufs engste
mit der Arbeitnehmerschaft gehandelt
werde und daß man bedacht sei, die tech
nischen und medizinischen Fortschritte
aufs stärkste zur Anwendung zu bringen.
Administrateur Rieth betonte, man er
kenne an, daß die Arbeiterschaft berech
tigte Wünsche habe. Vor längerem schon
habe er sich als Mitglied des Comite de
la Regie des Mines für die Herabsetzung
der Altersgrenze bei der Knappschaft von
65 auf 60 Jahre eingesetzt. Heute möchte
er sagen, die Grenze von 55 Jahren sei so
gar gerechtfertigt. Wesentlich sei auch
die Konkurrenzfähigkeit der Gruben und
damit der Absatz sowohl nach Frank
reich, Belgien, Luxemburg, Uebersee und
auch nach dem natürlichen Absatzgebiet
in Süddeutschland. Die Saargruben wür
den weiter modernisiert werden. Unent
wegt müsse der soziale Wohnungsbau
weiter gefördert werden. Der Redner be
rührte den Schumanplan und befürwortete
eine von Kartellen freie einheitliche eu
ropäische Wirtschaft. Er wandte sich
dann an die Vertreter aus dem Ruhrgebiet
und fand besondere Worte für die Annä
herung zwischen Deutschland und Frank
reich im Rahmen der europäischen Frei
heit,
Der Sprecher des luxemburgischen Ar
beiterverbandes begründete den besonde
ren Wert einer einheitlichen Gewerk-
schaftsorganisation
Mit regster Aufmerksamkeit folgten die
Zuhörer den Ausführungen des Kamera
den Stein aus Bochum. 520000 Mitglieder
zählt die Industriegewerkschaft „Bergbau“
an der Ruhr, in der auch Beamte und An
gestellte organisiert sind. Die Aufspal
tung in zwei Gewerkschaften an der Saar,
sagte der Redner, sei sehr bedauerlich. Im
Ruhrgebiet denke niemand ernsthaft an
eine solche Spaltung, Dort entscheide sich
(Fortsetzung Seite 2)
Der Indus trieverband Metall der Ein
heitsgewerkschaft hatte für vergangenen
Sonjofagvormittag die große Tarifkommis
sion, der die Funktionäre aus den größe
ren-und mittleren Betrieben der Metall
industrie angehören, zusammenberufen,
um über die zwischenzeitlich geführten
Tarifverhandlungen zu berichten und zu
dem Schiedsspruch Stellung zu nehmen.
Der 1. Verbandsvorsitzende Kollege'
Fliegler leitete die Veranstaltung, begrüßte
die Teilnehmer, erläuterte dien Zweck der
Zusammenkunft und gab zur Berichter
stattung dem Gevverkschaitssekretär Koll.
Geiß das Wort.
Geiß ging bei seinem Bericht von der
Betriebsrätekonferenz im „Treffpunkt“ aus,
die die Forderungen aufgestellt hatte.
Diese Forderungen seien damals sofort
dem Arbeitgeberverband unterbreitet wor
den. Der Arbeitgeberverband habe eine
Verhandlung für zwecklos gehalten, da
er eine solchi© bei der Höhe der Forde
rungen für aussichtslos erachte. Darauf
habe man gleich den Schlichtungsaus-
Der Lohnkampf in der graphischen Indu
strie.
Der Industrieverband „Graphik“ über
reichte den Unternehmern am 20. 5. 1950
mit nachstehendem Schreiben seine Lohn
forderung:
Eine Konferenz der mandatierten Vertreter
des Industrieverbandes „Graphik“ nahm am
20. 5. 1950 zu der Lohnfiage Stellung. In
Anbetracht der Tatsache, daß die Kaufkraft
unserer Löhne denkbar schlecht ist und daß
die Sektionen im benachbarten Elsaß-Loth
ringen ab 25. 4. 1950 eine weitere namhafte
Lohnzulage vereinbart haben, sieht sich die
Konferenz veranlaßt, einen entsprechenden
Antrag auf Erhöhung der Löhne zu stellen.
Wir halten es nicht für notwendig, an die
ser Stelle wiederholt im einzelnen des Nä
heren zu begründen, wie schwer es den al
lermeisten unserer Mitglieder fällt, mit den
heutigen viel zu niedrigen Löhnen auch nur
das nackte Leben zu fristen. Ist es Ihnen
doch so gut bekannt wie uns, daß unsere
heutigen Löhne gegenüber denjenigen von
vor dem letzten Kriege nur noch 50 bis 55
Prozent der Kaufkraft derselben besitzen.
Auf diese Tatsache ist auch der allgemein
tu konstatierende schleppende Geschäfts
gang zurückzuführen. Wenn die Löhne ge
rade noch ausreichen, um den Hunger zu
stillen, dann bleiben für andere, besonder«
kulturelle Zwecke, keine Mittel mehr. An
dererseits wissen wir, daß es nicht möglich
•ein wird, unsere Löhne auf einmal so zu
erhöhen, daß sie wieder lOOprozentig ihro
Kaufkraft von vor dem Kriege erlangen. Er-
• reicht aber muß dieses Ziel werden, wenn
unsere Wirtschaft nicht langsam dem Ban
krott entgegengehen soll. Um die Durchfüh
rung der neuen Lohnmaßnahmen zu ermög
lichen, beantragen wir deshalb eine Erhö
hung der derzeitigen Gesamtlöhne um 15
Prozent unter Beibehaltung der jetzigen Ein
stufungen. Wir gestatten uns, diese For
derung zu unterbreiten mit der Bitte, in An
betracht der gegenwärtigen Zeit mit ihren
sozialen Unruhen, die auch schon auf un
sere Mitglieder übergegriffen haben, die
Prüfung unserer Forderungen nicht auf die
schuß angerufen. Dieser setzte eine Güte
verhandlung lan. Zu einer Einigung sei es
infolge der hartnäckigen, ablehnenden
Haltung des Arbeitgeberverbandes in die-
ser aber nicht gekommen.
In einer späteren Sitzung, die am ver
gangenen Mittwoch, dem 5. 7. 1950, unter
Hinzuziehung von Beisitzern stattgefunden
hat, wurde nach einer mehrstündigen Aus
sprache durch den Schlichtungsausschuß
ein Schiedsspruch folgenden Inhalts ge
fällt:
„1. Die mit Wirkung vom 15. 2. 1950 in
Frankreich für die Metallindustrie all
gemein durchgeführte Lohn- und Ge
haltserhöhung von 5 o/ 0 ist für die
saarländischen Betriebe der eisener
zeugenden- und weiterverarbeitenden
Industrie verbindlich.
2. Soweit in Betrieben diese Lohn- und
Gehaltserhöhung bereits durchgeführt
worden ist, gilt diese Lohn- und Ge
haltserhöhung vom Zeitpunkt der
Durchführung als rechtswirksam.
(Fortsetzung Seite 3)
lange Bank zu schieben, sondern einen
baldmöglichen Verhandlungstermin festzu
setzen.
Auf dieses Schreiben wurde uns un
term 25. 5. 1950 ein Schriftstück des Ar
beitgeberverbandes übermittelt, das die
Verhandlungen mit der Motivierung ab
lehnte, weil unser früheres Lohnabkom
men vom 15. 12. 1949 noch nicht für ver
bindlich erklärt sei. — Darauf haben wir
mit Schreiben vom 31. 5. 50 dem Arbeit
geberverband mitgeteilt, daß wir ihre Ar
gumentierung nicht anerkennen und un
bedingt auf Verhandlungen bestehen müs
sen. Unterm 5. 6. 50 teilte uns dann der
Arbeitgeberverband mit, daß er, unter
Aufrechterhaltung seiner früheren Beden
ken, bereit wäre, in Verhandlungen einzu
treten. Die erste Verhandlung fand dann
am 14., die zweite am 19. und diie dritte
am 22. Juni statt. Die stundenlangen De
batten verliefen praktisch ergebnislos,
weil die Unternehmer durch den Vor
schlag einer neuen Eingruppierung, das,
was sie auf der einen Seite zugestehen,
wollten, auf der anderen Seite wieder
Wegnahmen. In verschiedenen Versamm
lungen wurde über das Verhandlungser
gebnis Bericht erstatt und dasselbe ein
stimmig abgelehnt. Von dritter Seite wur
de noch am Freitag, dem 23. Juni, ein
letzter Versuch unternommen, um in letz
ter Stunde ein» Einigung herbeizuführen.
Aber auch £n dieser Sitzung nahmen die
Unternehmervertreter einen ablehnenden
Standpunkt ein, worauf in der am gleichen
Tage folgenden überfüllten Versammlung
die Anwendung von. Kampfmaßnahm« n
beschlossen wurde.
In seltener Einmütigkeit verließen dvi
von dem Beschluß betroffenen Zeitungs
abteiungen ihre Arbeitsplätze, um da
durch auch zu dokumentieren, daß die ge
samte Kollegenschaft hinter ihrer Ver-
handlungskommission steht. Bereits nach
zwei Tagen wurde von dritter Seite ein»
Besprechung beim ATbeitsministerium an
geregt, die am 26. Juni unter dem Vorsria
des Herrn Arbeitsministeis stattfand. D*
Der Lohnkampf in der graphischen Industrie
Eine befristete Vereinbarung