'*ädl
flRGBH DIR {IHHBTSGMHStHBrüH OER ARBEITER, RNGESTELLTEN UND BEAMTEN
4. Jahrgang
Saarbrücken, 20. Mai 1950
Nr. 10
Industrie-Union und Arbeitnehmer
Der Schumanplan hat begreiflicher
weise in Gewerkschaftskreisen sofort
große Aufmerksamkeit hervorgerufen. Mit
der Aufmerksamkeit allein hat es aber
nicht sein Bewenden. Auf den Start des
Planes folgt die Stellungnahme und Ein
flußnahme. Manche Initiativen der euro
päischen Gewerkschaften seit Kriegsende
wiesen übrigens in dieselbe Richtung, in
die der Schumanplan zeigt, soweit nicht
versucht wird, ihn zu einseitigen groß-
industriellen Zielsetzungen umzudeuten.
Kohlet
Frankreich und Saar
Deutschland
Stahlt
Frankreich und Saar
Deutschland
Fortschrittliche Arbeitnehmerkreise ha
ben längst erkannt, daß auf die Dauer
gesehen die Einzelglieder Europas sich
nur gesund entwickeln können, wenn alle
Glieder, vor allem die Hauptglieder ge
sund sind und bleiben. Dabei kann es
sich keineswegs darum handeln, daß eine
Angleichuna der Lohn- und Sozialverhält-
nisse zwischen den verschiedenen Län
dern nach unten erfolgt, sondern sie muß
sich nach oben entwickeln.
Die Gewerkschaften begrüßen die neue
Lade umso mehr, wenn sich herausstellt,
daß tatsächlich ein Versuch gemacht
wird, eine wirtschaftliche Großraumpoli
tik auf fried’iche Weise durchzuführen.
Man erinnert sich hierbei unwillkürlich
an Ambitionen in der Vergangenheit, irt
der mit ungeheurem Einsatz und gewal-
tiaen Verlusten wirtschaftliche Groß-
räume mit Waffengewalt geschmiedet
werden sollten.
Die Gewerkschaften werden bei den
weiteren Beratungen und schließlich, i)venn
es zur Bildung einer Industrieunion
kommt, auch in der betreffenden Körper
schaft nicht nur beratend, sondern mitbe
stimmend beteiligt sein müssen.
Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn man
die Aufgaben befrachtet, die einer sol
chen Körperschaft zufallen müßten: Len
kung der Produktion, Investitionen, Ab
satzplanung und Ausgleich der sozialen
Verhältnisse.
Der Plan ist aber nicht nur unter wirt
schaftlichen Gesichtswinkeln zu beurtei
len, sondern seine politische und geistige
Auswirkung au? die Zusammenarbeit der
Völker kann von weittragender Bedeu
tung sein. Die bisherigen Bemühungen
um eine feste Grundlage für einen dau
erhaften Frieden zwischen Deutschland
und Frankreich können hier eine starke
Fundamentierung erfahren.
Für die Arbeitnehmer ist es auch von
besonderer Anziehungskraft, daß man in
den Diskussionen d. Planes von einer Stär
kung des Friedens spricht und selbst'die
Aufgabe von gewissen staatlichen Sou
veränitätsrechten ernsthaft zu erörtern
scheint und an eine Ausdehnung auf an
dere, Länder denkt.
Ueberblickt man die vielen positiven
Gesichtsounke, so wird man allerdings
auch nicht die Schwierigkeiten, Schatten
seiten, Risiken und Befürchtungen über
sehen, Sie drängen sich vor allem im
wirtschaftlichen Bereich auf. Da stellt sich
die Frage, welche Branchen bzw. Be
triebe bei einer umfassenden Neurege
lung nicht mehr über ihre bisherige Exi
stenzgrundlage verfügen. Es stellt sich
weiter die Frage, welche Opfer auf dem
Wege zur notwendigen Spezialisierung
gewisser Industrien zu bringen sind. Es
stellt sich die Frage nach den Währun
gen und Kapitalen und vor allem die nach
der Vollbeschäftigung. Und viele andere
Fragen tauchen auf. Aber wenn man wei
ter in die Zukunft schaut, so stellt sich
vor allem die Frage: Sind die Vorteile
des Planes nicht größer als die Nach
teile ?
Die Diskussionen gehen weiter. Von Ge
werkschaftsseite aus wird alles gesche-
Wie weit die Gewerkschaften eine Stär
kung des gesamteuropäischen Industrie
potentials durch Zusammenschlüsse be-
? rüßen, hängt von der Durchführung der
läne ab. Es kommt darauf an, daß mit
einer engeren Zusammenarbeit eine wirt
schaftliche und soziale Besserstellung der
Arbeitnehmer einhergeht,
Richten wir einen Blick auf die Kapa
zität von Kohle und Stahl der in Frage
kommenden Industriegruppen.
pro
mögl. Höchstleistung
gegenwärtig
mögl. Höchstleistung
67 000 000 to
73000 000 to
11,7 000 000 to
163 000 000 to
gegenwärtig
künftig
gegenwärtig
später, eventuell nach Auf
hebung der für die Bundes
republik noch geltenden
Beschränkungen
10 900 000 to
14 000 000 to
9 500 000 to
14000 000 to
he«, um auf der gegebenen Plattform
energisch, erfolgreich und dringlich die
mit der Planung eng verknüpften Inter
essen der Saararbeitnehmerschaft zur
Geltung zu bringen. Vorschläge von an
derer Seite, Zumutungen und das Verlan
gen nach Konzessionen, die die Arbeit
nehmer betreffen, werden ihre entspre
chende Prüfung und demgemäße Entschei
dung erfahren. Der Standpunkt der Ein
heitsgewerkschaft wird noch im einzelnen
seine weitere Darstellung und Begründung
finden. C. S.
, Graphische Darsteifung zu dem Industrie-Union-Plan.
Die Darstellung gibt einen genauen Aufschluß über die Kohlenfelder und Erzgruben im
französischen, saarländischen und westdeutschen Raum. Diese reichen Sodenschätze sind
bekanntlich Gegenstand des Schuma n schen Vcschlages einer Industrieunion. (Zahlen über
die Kapazität der einzelnen Industrien der betreffenden Gebiete und Erläuterungen des
Planes enthält nebenstehender Artikel.)
An die Mitglieder des I.V. Bergbau der E. G.
DER VERBANDSVORSTAND
BETONT, daß der Industrieverband Bergbau, als Glied der Einheitsgewerkschaft,
keine Fortsetzung früherer gewerkschaftlicher Organisationen ist. Unter
Berücksichtigung wichtiger Erfahrungen und Lehren der Vergangenheit
stellt er nach Form und Inhalt Neues dar.
In der Form.
durch die Zusammenfassung aller früheren gewerkschaftlichen Richtun
gen in Industrieverbänden .
Dem Inhalt nach
durch eine Konzentrierung aller Kräfte, um die so notwendigen gewalti
gen gewerkschaftlichen Aufgaben erfüllen zu können. Die erste Voraus
setzung dazu ist die strikte Einhaltung der parteipolitischen Neutralität.
DER VERBANDSVORSTAND
STELLT FEST, daß die diesjährige 1. Mai-Demonstration in Saarbrücken durch par
teipolitische Gruppen mißbraucht wurde. Die Handlungsweise stellt eine
grobe Verletzung der parteipolitischen Neutralität der Einheitsgewerk
schaft dar. Durch diesen parteipolitischen Mißbrauch wurde der impo
sante, gewaltige und vielversprechende Aufmarsch der saarländischen
Werktätigen in Saarbrücken in seiner Auswirkung geschwächt, zur
Freude der saarländischen Reaktion.
DER VERBANDSVORSTAND
ERKLÄRT seinen Abscheu vor diesem parteipolitischen Mißbrauch der Saarbrücker
Maidemonstration zum Vorteil der Feinde der Arbeiterklasse. Desunge-
achjet erklären wir unser tiefes, unerschütterliches Vertrauen in die Zu
kunft der Gewerkschaftseinheit, in Aktivität gegen die Zerstörer der Ge
werkschaftseinheit.
DER VERBANDSVORSTAND
BESCHLIESST daher den sofortigen Ausschluß der Mitglieder:
Fritz Nicolay, Dudweüsr,
Baptist Werken, Ludweiler,
nach § 2 des Verbandsstatuts wegen Zuwiderhandlung gegen die Grund
sätze der parteipolitischen Neutralität,
DER VERBANDSVORSTAND
FORDERT jedes Mitglied auf zur Verteidigung der Gewerkschaftseinheit. Die Er
fahrungen am 1. Mai in Saarbrücken haben gezeigt, daß diese partei
politischen, gewerkschaftszerstörenden Kräfte in ihrem gewerkschaft"
liehen Bewußtsein sich noch nicht weiterentwickelt, sich von der partei
politischen Engstirnigkeit noch nicht befreit haben! Kämpft für den Er
halt der Einheitsgewerkschaft als freie Gewerkschaftsbewegung, kämpft
gegen jede auf ihre Zerstörung gerichtete Kampagne, sowie gegen die
Infiltrierung antigewerkschaftlicher Kräfte innerhalb der Einheitsgewerk"
Schaft!
Es lebe die Gewerkschaftseinheit!
Gegen die Gewerkschaftszerstörer!
Das saarländische
Lohnsystem
Von H. LA WAL.
Es ist im Saarland eine dringende Not
wendigkeit, die Neuordnung des Lohnge
füges entsrechend den neuen wirtschaft
lichen und sozialen Bedingungen durch
zuführen. Diese Neuordnung ist um so
zwingender, weil trotz der verantworten g
vollen Haltung der Einheitsgewerkschaft
die Beseitigung der grofyen Spanne zwi
schen Preisen und Löhnen nicht gelungen
ist. Das Verantwortungsbewußtsein der
Einheitsgewerkschaft ist nicht auf die ent
sprechende Haltung bei der Gegenseite
gestoßen.
Bestimmt wurde der Kampi der saar
ländischen Gewerkschaften um eine ver
nünftige Lohn-Preisordnung mit Senkung
der Preise vornehmlich durch die Tat
sache, daß wir in unserem kleinen Lande
nahezu 200000 Versorgungsberechtigte
haben, die mit ihre« Angehörigen sozial
unterstützt werden müssen und für die
Lohnerhöhungen keine Aenderung der
menschenwürigen Existenz bringen. Da
aber bei einem Lohneinkommen, das am
Reallohn gemessen im Durchschnitt 30
Prozent unter dem Stand von 1938 liegt,
die Produktion annähernd an die Vor
kriegsproduktion heranreicht, ist anzuneh
men, daß die Unternehmergewinne min
destens um den gleichen Betrag, also um
30 Prozent über den Stand von 1938 lie
gen.
Es gibt keinesfalls, wie dies immer von
Unternehmer seit© betont wird, eine ein
heitliche Produktionsminderung. Im Ge
genteil, eine erhebliche Zahl der saarlän
dischen Industriebetriebe liegt in ihren
Produktionsergebnissen auf , wenn nicht
über den Stand von 1938. Dort, wo der
Leistungsstand von 1938 noch nicht er
reicht ist, liegt dies weniger an der Min
derleistung der Arbeitskraft, als an an
deren Produktionsbehinderungen der Be
triebe. Die Forderung der Einheitsgewerk
schaft nach einer Neuerung des Lohngs-
iüges ist daher nur zu begründet. Nun ist
es eine Tatsache, daß die Unternehmer al
len Aenderungen des Lohnsystems ableh
nend gegenübersfcehen. Sie wenden vor
allem ein, daß für sie aur längere Zeit
festgelegte Lohnsätze die unentbehrliche
Voraussetzung jeder Kalkulation des Wa
renpreises, jeder Wettbewerbsmöglichkeit
mit inländischen und vor allem mit aus
ländischen Firmen, ja jedes soliden Ge
schäftes sind. Dieser Einwand, der schein
bar sehr wichtig ist, traf schon vor dem
Kriege nicht zu, und hat auch jetzt jeg-