Ministeriu
4. Jahrgang
Saarbrücken, 5, Mai 1950
Nr 9
Mißbrauchte Toleranz
„Schottendes Volk
mit uns am 1.
Mai!“
Dieser Parole
der Einheitsge
werkschaft waren
weit über Zehn
tausend Demon-
strcnüen in der
Saarhauplstadt
gefolgt. Das Biid
zeigt die Massen
der Werktätigen
auf dem Saar
brücker Lcmd-
wehrpiafz, wo,
von idealem Wet
ter begünstigt, der
Rahmen für eine
der eindruckvoll
sten Maikundge
bungen vorhan
den war.
Initiative auf die Maivorfälle
Durchgreifende Maßnahmen des Gewerkschaftsausschusses
Noch den Saarbrücker Zwischenfällen vom 1. Mai trat am 5. Mai der
Gewerkschaftsausschuß zusammen. Es war die Aufgabe dieses wichtig
sten Gremiums der Einheitsgewerkschaft, Stellung zu nehmen und entspre
chend dem Votum der Mitglieder Entscheidungen zu fällen bezw. vorzube
reiten. In allen gewerkschaftlichen Kreisen und darüber hinaus sah man im
ganzen Lande mit gespannter Aufmerksamkeit den Entscheidungen ent
gegen.
Ohne die Angelegenheit zu überschätzen, sie ober ouch nicht unterschät
zend und einer allgemein feststellbaren Stimmung innerhalb der Gewerk
schaft folgend, ergrifft die Hauptverwaltung bereits am 2. Mai die Initia
tive, indem sie’ folgende Erklärung veröffentlichte;
Am 1. Mai 1950 feierten die Werktäti
gen der Welt zum 60. Mal ihren Welfe-
ieiertag. Seitdem die neue Botschaft er
scholl für die modernen „Fischer und Ar
beiter, die das Salz der Erde sind“, für
die Fronarbeiter in den Ketten des Kapi
talismus, das;
„Proletarier aller Länder, vereinigt euch",
seitdem tritt am 1. Mai die Arbeiterklas
se m allen Ländern der Weit auf dis
Straße. Unermüdlich erzeugt das arbei
tende Volk in Stadt und Land durch sei
ner Hände Arbeit den Reichtum, das
Glück und die Schönheit für die Nutz
nießer seiner Arbeit.
An einem Tag im Jahr aber wirft die
ser moderne internationale Riese der Welt
seine Last von sich und erhebt seine For
derungen laut und deutlich auf Gleich
berechtigung, Leben und Lebensrecht. Die
ser Tag muß dem wertschaffenden Volk
das Bewußtsein geben, daß nach diesem
einen Tag die Zeit kommen muß, ln der
die ganze Welt, die das Volk der Arbeit
erbaut, auch ihm gehört.
Kollegen der Einheitsgewerkschaft!
Erwägend, daß die Kraft und Macht der
Einheitsgewerkschaft am
1. Mai 1950 zusammengeballf in Er
scheinung rieten soll,
erwägend, daß Saarbrücken Sitz der Re
gierung und vieler Industrien ist,
erwägend, daß dem geforderten Mitbe
stimmungsrecht der Arbeitnehmer
schaft durch eine Massendemonstra
tion Nachdruck verliehen werden soll,
hatte der Gewerkschaftsausschuß der Ein
heitsgewerkschaft einstimmig beschlos
sen, der diesjährigen Maidemonstration ln
Saarbrücken besondere Beachtung zu
schenken.
GewerkschaftskoEegen! Neben den aus
besonderen Verhältnissen bedingten Auf
märschen in Neunkirchen und Homburg
haben 12 00C Arbeiter, Angestellte und
Beamten in Saarbrücken am 1. Mai dem
Ruf der Einheitsgewerkschaft Folge ge
leistet und für zahlreiche aktuelle For
derungen demonstriert. Das arbeitende
Die Maidemonstration der Einheitsge
werkschaft in Saarbrücken war organi
siert unter Beachtung strengster partei
politischer Neutralität. Darüber hinaus
wurde alles vermieden, was diesem Tag,
dem Weltfeiertag hätte Abbruch tun kön
nen.
Das schaffende Volk an der Saar hat
deswegen mit dem Blick nach Osten
nicht protestiert:
gegen die dortigen Konzentrations- und
Arbeitslager,
gegen die totalitären Regime,
gegen die Hochverratsprozesse, Säube
rungsaktionen und andere Errungen
schaften des monopolitischen Staates,
gegen die Verschleppung von 20 000 grie
chischer Kinder.
Das schaffende Voik an der Saar hat
mit dem Blick nach Osten für die dorti
gen modernen Sklaven eines Staatskapi
talismus nicht gefordert:
für die demokratischen Freiheiten im
Osten,
für freie Gewerkschaften,
für ein Streikrecht,
für eine durchzuführende Erhebung der
Lage der Arbeiter in den autoritären
Ländern durch eine internationale Or
ganisation.
Das schaffende Volk an der Saar, ge
werkschaftlich organisiert in der Einheits
gewerkschaft, hat gegenüber den Zustän
den im Osten eins Toleranz an den Tag -
gelegt wie nirgends in freien demokrati
schen Ländern. Die Machenschaften, wie
sie am 1. Mai sich in Saarbrücken ge
zeigt haben, haben klar und eindeutig ge-
zeigt, daß diese Toleranz um jeden Preis
eme Schwäche der Einheitsgewerkschaft
des Saarlandes ist.
Hans Jahn, der Vorsitzende der Ge
werkschaft der Eisenbahner Deutschlands,
hat inr Namen von 400 000 Eisenbahnern
aut einem Kongreß soeben folgende Fest
stellung gemacht:
„Wir waren früher der Meinung, die
Kommunistische Partei sei eine Liwks-
Volk an der Saar, organisiert in der Ein
heitsgewerkschaft, hat in
Zucht und Disziplin
durch die Macht seiner Masse und Größe
seinen Willen dokumentiert, den 1. Mal
zu einem Kampftag werden lassen.
Gegen die Zerstörer der Gewerkschafts
einheit
Der 1. Mai 1950 als der Aufmarsch tag
der Einheitsgewerkschaft liegt hinter uns.
ln einer machtvollen Demonstration wurde
in Saarbrücken der Beweis erbracht, daß
der alte Kampfgeist wieder aufleuchtet.
Mit diesem echten gewerkschaftlichen
Kampfgeist gilt es aber auch den Kampf
aufzunehmen gegen all die parteipoliti
schen Kräfte, die in ihrer Verblendung
glauben, auf dem Feuer der Einheitsge
werkschaft ihre Parteisuppe kochen zu
können.
Wenn die Masse der christlichen Ar
beitnehmerschaft sich in eine Gesamt
front, in eine Einheitsgewerkschaft amge
reiht hat, sich zu der einzig möglichen
Machtfrontbildung an der Saar bekennt,
um dadurch zu einer zielsicheren posi
tiven Politik als Etappe des sozialen Be
freiungskampfes zu kommen, so bezeich
net sie die Vorkommnisse am 1. Md in
Saarbrücken, hervorgerufen durch eine
außerhalb der Einheitsgewerkschaft ste
hende Gruppe, als Verrat an der Gewerk
schaftseinheit.
Ohne das christliche Volk der Schaffen
den geht es an der Saar nicht. Das mögen
sich die Alt- und Jungkommunisten hinter
die Ohren schreiben, die glauben, bei
Massenaufmärschen der Einheitsgewerk
schaft im Trüben fischen 2U können. Der
religiöse Sektor innerhalb der Einheitsge
werkschaft ist eine lebendige Realität und
h *£ > ^besonders im Industrieverband
Bergbau seine gemeinschaftsbildende
Kraft unter Beweis gestellt.
Mit allen nur gewerkschaftlich orien
tierten Kräften in der Einheitsgewerk
schaft gilt es, den gemeinsamen Kampf
zu führen gegen die parteipolitischen, ge
werkschaftszerstörenden, anarchistischen
Machenschaften, wie sie am 1. Mai offen
zu Tage getreten sind.
partei. Daß das aber eine irrige An
sicht war, darüber sind wir inzwir
schen zur Genüge aufgeklärt worden.
Die Kommunistische Partei ist eine
kapitalistische, militaristische und fa
schistische Partei.
Kapitalistisch, weil sie ein Aus
beutersystem begünstigt, das in den
Stachanov- und Hennecke-Methoden
seinen schlimmsten Ausdruck findet.
Militaristisch, weil in Ostdeutsch
land bereits wieder militaristische
Formationen zu dunklen Zwecken auf
gezogen werden.
Faschistisch, weil die Konzentra-
tonslager unter dem komrr unirischen
Regime nicht nur nicht aufgelöst, son-
, dem im Gegenteil sogar vergrößert
und verschlimmert worden sind.“
WaT nicht von jeher der 1. Mai eine De
monstration für den Weltfrieden, gegen
Militarismus und Krieg. Wie aber zeigt
er sich in Moskau? In militärischen Pa
raden und Schauspielen. Die Macht des
Staates wird dort gezeigt und damit dem
Volk seine eigene Machtlosigkeit zum Be
wußtsein gebracht.
Gewerkschaftskollegen! Die Einheitsge
werkschaft macht keine Radaukrawalle.
Sie „hetzt“ keine jungen Menschen auf,
Dummheiten zu machen. Sie weiß, Ge
werkschaftsarbeit bedarf einet anderen
Kraft, hat andere politische und wirt
schaftliche. Machtmittel zum Erfordernis
als Straßenkämpfe. Gewerkschaftsarbeit
ist keine Sache eines Chaos, keine An
gelegenheit des Niederreißens oder Blut
bades, sondern eine gewaltige histori
sche Aufgabe, die in der Einheit aller
Schaffenden liegt.
Gewerkschaftskollegen! Wir resignie
ren nicht ob der Vorfälle vom 1. Mai in
Saarbrücken, sondern wollen nur eisern
schlußfolgern. Wir schlußfolgern: Wenn
wir den Feinden der Gewerkschaftseinheit
einen Damm setzen, dann wird der 1. Mai
1950 zu einem Markstein, zu einem neuen
Markstein. Aloys Schmitt.
„Die Organe der Einheitsgewerkschaft
hatten alle Voibeieätungen getroffen, um
die Großkundgebung ln "'brücken an
läßlich. des 1. Mai 1950 zu eineT wirkungs
vollen und disziplinierten Demonstration
der Werktätigen zu maohen. Es wird fest
gestellt, daß auch die einzelnen Industrie
verbände die Demonstration in «älter Diszi
pliniertheit durchgeführt haben.
Die Störung der Maikundgebung wurde
von der Kommunistischen Partei bewußt
organisiert. Sie versuchte, die Kundge
bung der Einheitsgewerkschaft zu ihren
parteipolitischen Zwecken auszumutzeh.
Um dieses Ziel zu erreichen, waren ge
schlossene Gruppen der KP und der FDJ
nach Saarbrücken geführt worden, dar
unter auch eine Gruppe der FDJ aus Kai
serslautern. Wegen der durch diese Grup
pen verursachten Störungen sah sich der
Leiter der Kundgebung, Kollege Stärk, ge
zwungen, die Veranstaltung auf dem
Landwehrplatz zu schließen.
Die Einheitsgewerkschaft bedauert und
verurteilt die unwürdigen Vorfälle am
Feiertag der Arbeit. Der Gewerkschafts
ausschuß wird nach Vornahme eingehen
der Untersuchungen noch im Laufe die
ser Woche zu den Vorkommnissen am 1.
Mai Stellung nehmen und diese Stellung
nahme der Oeffentlichkeit unterbreiten.“
In der erwähnten Sitzung des Gewerk
schaftsausschusses vom 5. 5. 1950 hat der
Ausschuß dann die gesamte Materie ki
Angriff genommen. Er kam zu folgendem
Beschluß:
In Anbetracht deT Tatsache, daß füh
rende Funktionäre der Kommunistischen
Partei durch ihr Verhalten bei der Groß
kundgebung auf dem Landwehrplatz in
Saarbrücken die Störung der von den In
dustrieverbänden diszipliniert durchge
führten Demonstration der Einheitsge
werkschaft verursacht haben und damit
sowohl das Ansehen der Einheitsgewerk
schaft geschädigt als auch den Grund
satz der parteipolitischen Neutralität der
Einheitsgewerkschaft auf das gröblichste
verletzt haben, hat der Gewerkschaftsaus-
schuß in seiner Sitzung am 5. Mai 1950
folgenden Beschluß gefaßt:
1. Mitglieder der Einheitsgewerkschaft»
welche am 1. Mai die von der Kom
munistischen Partei organisierte Ak
tion unterstützt haben, werden aus der
Einheitsgewerkschaft ausgeschlossen.
2. Mitglieder der einzelnen Industrievar
bände, die den Grundsatz der partei
politischen Neutralität der Einheitsge
werkschaft durchbrechen und die Sat
zungen verletzen, sind durch ihre In
dustrieverbände auszuschlieften.
t. In Anbetracht der Tatsache, daß die
FDJ. sich von der Kommunistischen
Partei bestimmen ließ, die Vorkomm
nisse am 1. Mal zu inszenieren,
wird der vorstehende Beschluß insbe
sondere im Hinblick aut die Mitglie
der der FDJ. gefaßt und auf dies*
ausgedehnt
Die Saarbrücker Kundgebung hatte alle
Vorbedingungen erfüllt, um in ihrem Ver
lernt eme Maidemonstration der Schaffen
den von grandiosem Ausmaß zu werden.
Die Teilnahme von weit über 10000 Arbeit
nehmern war dazu angetan, m dieser Form
einmal wirklich die Prinzipien und Forde
rungen der Einheitsgewerkschaft vor aller
Oeffentlichkeit mit Nachdruck kundzutun.
Es war der wirkliche Anlaß und der Rah
men gegeben, einen Fortschritt zu erzielen
für die schaffenden Menschen, um ihnen
immer mehr zu ihrer wahren Bestimmung
als Schaffende im Arbeitsprozeß und als
Manschen überhaupt zu verhelfen.
Die Kundgebung hätte ein bedeutsamer
Markstein in der Geschichte der Einheits
gewerkschaft werden können. So ist sie
aber immerhin ein bewundernswertes Bei
spiel für die beträchtliche ge werks chalts-
politische Reife und Disziplin der organi
sierten Arbeitnehmer geworden.
Nun hat der Gewerkschaftsausschuß die
Konsequenzen gezogen. Jetzt dürfte es
nicht anders sein, als daß diejenigen, die
noch der Organisation fernstehen, durch
ihren Beitritt die Phalanx noch verstärken,
damit aut dem Wege der Einheit durch
das Gewicht der disziplinierten Massen
weitere Fortschritte ermöglicht werden,
auf die der schaffende Mensch Anspruch
hat. Denkt an den Begriff der Kamerad
schaft. Ueberlaßt die weiteren Entschei
dungen nicht den andern allein.
riiHijniimifflinimimnjiimimmmiiiraiilüniimiimitHmimiHUiimmimöKüHin»
Aus dem Ojnhaßt:
Die Ansprachen zum 1. Mai
Der Verlauf der Demonstrationen
I. V. Eisenbahn nimmt Stellung
Eindrucksvolle Versammlung der
Straßenbahner
Arbeit und Recht
Kirchenfürst zu Sozialhagen und Einheits
gewerkschaft
Appell Böcklers an Frankreich
Kameradschaftshilfe
So geht es nicht weiter
Zulage für Rentner
Briefkasten
Der FDGB unter der Lupe
Post aus dem Ausland
Die Theatergemeinde teilt mit
si5HiHiUHin»u!mi!ii:uiiimimuiHnnniii»mi!»iuiinimnHiunuuuu»ii»»imumHi»»
Wir können auch anders!