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April 1950
„PIE ARBEIT**
Arbeit und Recht:
Aus dem Arbeitsgerichtssaal
Der schaffende Mensch ist heute mehr
denn je auf Gedeih und Verderb mit sei
nem Arbeitsplatz verbunden und deshalb
fast jeder Arbeitnehmer vom Arbeitsrecht
erfaßt. Es wird vielfach die Beobachtung
gemacht, daß nicht nur die Unorganisier
ten, sondern auch Gewerkschaftler und
darunter viele aktive Gewerkschaftler,
sich viel zu wenig mit dem praktischen
Arbeitsrecht befassen. „Es ist unverständ
lich“ sagte einmal ein erfahrener Arbeits
richter, „daß unter den Arbeitnehmern in
arbeitsrechtlichen Dingen eine fast noch
größere Unkenntnis als in allgemeinen
Rechtsfragen besteht.“ Sind dies nicht
Gründe genug, die es notwendig
machen, daß wir uns im Organ „Die Ar
beit“ mit den lehrreichsten Verhandlun
gen der Arbeitsgerichte des Saarlandes
befassen? Wir werden laufend Urteils
sprüche und den Verlauf von Arbeitsge
richtsverhandlungen, die von allgemeiner
Bedeutung sind, veröffentlichen.
In. der nächsten Ausgabe wollen wir
einmal überprüfen, in wie weit die Ar
beitgeber die vor den Schranken des
Richters geschlossenen Vergleiche oder
Urteilssprüche in die Tat umsetzen und
so den Arbeitnehmern das Recht gewäh
ren, das ymen mit Hilfe des Arbeitsrich
ters 2uerkannt wurde. Wir werden uns an
Nachruf
Am 31. März 1950 verstarb im Alter von
2S Jahren ganz plötzlich und unerwartet
unsere Kollegin Irene KALLENBORN. geb.
Otto. Als technische Angestellte stand sie
seit dem 1. April 1947 im Dienste des In-
dustrieverbondes Metall. Sie war in der
Kreisgeschäftsstelle Diliingen tätig. Wir
verlieren in ihr eine gute Kraft, die an
selbständiges Arbeiten gewöhnt war und
die die an sie gestellten Aufgaben zu
unserer besten Zufriedenheit erledigte.
Der Vorstand des Industrieverbandes,
die technischen Angestellten wie auch
die Kollegen von Dil’ingen trauern mit den
Angehörigen um den allzufriihen Heim
gang von Irene Kallenborn.
Wir werden ihr ein ehrendes Andenken
bewahren.
Die Geschäftsleitung des
Industrie verbände« Metall
gez. F 11 e g 1 e r.
einen besonders krassen Fall erinnern,
der sich z. Zt. noch bei der Merzig-Büsch-
felder Eisenbahn abspielt und bei dieser
Gelegenheit zitiert werden soll.
Aber heute wollen wir uns, da der Früh
ling und die Urlaubszeit wieder ihren Ein
zug gehalten haben, mit einer Tatsache
befassen, die für alle Arbeitnehmer auf
schlußreich sein wird.
Kollege M. ist fest davon überzeugt,
daß ihm, als er im vergangenen Jahr,
wegen wichtiger Aufträge seiner Firma,
von sich aus auf den Urlaub verzichtete,
hierfür eine Geldentschädigung gewährt
werden muß.
In diesem Falle hat sich der Arbeitge
ber geweigert das Entgelt zu zahlen,
2)tc JAeatecoemeinde teitt mit:
Miete 1 21. Mai Vorstellung.
Miete 2 22. Mai Vorstellung
Miete 3 30. Mai Vorstellung
Die letzte Rate, 250 Frs., ist bis zum 15.
Mai fällig.
50jähriges Be'ufsjubiläum
Am 4. April fand sich die Belegschaft
der Schlosserei der Menesa in Neun
kirchen zu einer kurzen Feierstunde aus
Anlaß des 50. Berufsjubiläums des Kol
legen August Erbe zusammen. Seit 1940
arbeitet Erbe bei der Menesa als Be
triebsklempner. Nach Ende des zweiten
Weltkrieges war er mit einer der ersten,
die die neue Gewerkschaftsbewegung
aufbauten.
Im Verlaufe der Jubilarenehrung über
brachte der Kollege Schneider als Be
triebsratsmitglied dem Kollegen die be
sten Wünsche der Belegschaft und über
reichte ihm gleichzeitig eine ansehnliche
Spende. Als Vertreter des I. V.-Metall
richtete der Vorsitzende der BGG. herz
liche Worte an den verdienten Jubilar.
Möge Kollege Erbe uns weiterhin als
aktiver Gewerkschaftler erhalten bleiben.
Betriebsgewerkschaftsgruppe:
Menesa.
weshalb M. sofort beim Arbeitsgericht
Klage erhob. M. hat seinen Antrag ge
hörig begründet, insbesondere darauf hin
gewiesen, daß er zufolge Vereinbarung
mit dem Arbeitgeber seinen Urlaub nicht
üehmen konnte. Trotz dieses Verzichts
bleibt aber unter allen Umständen der
Anspruch auf Auszahlung des Urlaubs
entgeltes bestehen. Eine gütliche Eini
gung,, die, wie wir wissen, jedem ar
beitsgerichtlichen Streitverfahren voraus
geht, war nicht zustande gekommen. Es
kam in der ersten Instanz des Arbeitsge
richtes zur Verhandlung. Das Urteil ist
dahin ergangen, daß der Arbeitgeber zur
Zahlung der Urlaubsentschädigung ver
urteilt wurde.
Zum Schluß wollen wir festhalten, daß
an die Stelle des Urlaubsanspruchs in
natura der Anspruch auf Zahlung des
Urlaubsentgeltes als Entschädigung für
nicht erhaltenen Urlaub zu treten hat.
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G. M. B. H.
GEPFLEGTE HERRE NKLEI DU NG
RATHAUSSTRASSE 7 u. 7o
„E K“ EINHEITSPREIS-KAUFHAUS f. d.
Werktätigen. Gut und billig: Textilwaren,
Schuhe usw. Stets Sonderapgebote.
49 St. Joh. Markt 49.
J(atteqe Jifenb 70 Jahce aCt
Wiederum beglück
wünschen wir einen al
ten Gewerkschaftskol
legen, der fast ein Men-
schenalter in unseren
Reihen steht. Kollege
Klenk, schon 19jährig
Miiglied derOrtsverwal-
tung Neustadt an der
Haardt des Me a larbei-
terverbandes, feiert am
1. Mai seinen 70. Ge
burtstag. ln Edenkoben
(Pfalz) wurde er 1901
:um Vorsitzenden der
Ortsgruppe der Metall
arbeiter gewählt und
durch zahlreiche Lohnkämpfe, die er bis
1914 erfolgreich führte, bekannt. 1917 lenkte ihn
das Schicksal nach Rohrbach und 1920 nach
Blieskastel. Als langjähriger Funktionär stellt er
heute noch seine Kraft und Erfahrung in den
Dienst der Einheitsgewerkschaft.
Möge Kollege Klenk in seinem gewerkschaft
lichen Elan uns noch lange erhalten bleiben und
der Jugend zum Vorbild dienen. Die Einheitsge
werkschaft schließt sich den Glückwünschen des
Ortsausschusses und der Mitglieder von Blies
kastel an und wünscht ihm im Kreise seiner
Familie für die Zukunft noch lange Gesundheit
und Wohlergehen.
^Bcielkasten:
K- U., Völklingen. Gerichtlich wurde das Ver
langen der Volkswagensparer abgewiesen. Da
mit ist für insgesamt 300 000 Sparer ein Wunsch
traum zerronnen. Wie das Werk bekannt gibt,
müsse es zur Belieferung dieser ..Altsparer" 720
Millionen DM aufwenden, während der Wert der
Werksanlagen etwa 50 Millionen DM ausmache.
Das Lieferungsverlangen sei demnach also nicht
nur eine juristische, sondern auch eine wirt
schaftliche Unmöglichkeit.
13, Homburg. Ein Schwejzerdegen ist ein
Druckereifachmann, der als Schriftsetzer und
Drucker ausgebildet ist.
W., Merzig.. Der Stifter des Friedenspreises
war Alfred Nobel. Er starb 1896 und hinterließ
der Nachwelt eine große Aufgabe: Aus den Zin
sen seines Vermögens sollen jährlich fünf Preise
verteilt werden, für die besten Leistungen auf
dem Gebiete der Physik, Chemie. Physiologie
und Medizin, der Literatur und für die größte
Friedenstat.
Fi„ Neunkirchen. Stud. rer. pol. = Studiosus
rerurn politicarum (lat) und heißt auf deutsch:
Student der Wirtschaft»- und Sozialwissenschal
ten.
Gesundheitsschäden
Vor Schülern der Akademie der Arbeit
hielt Dr. med. habil. Symanski, Dozent für
Arbeitsmedizin an der Universität des
Saarlandes und Landesgewerbearzt des
Saarlandes, einen Vortrag, aus dem wir
in unserm Organ ..Die Arbeit", Nr. 3,
Jahrgang 1950. einen Auszug veröffentlich
ten. Der nachstehende Artikel, der gleich
falls die Leser sehr interessieren dürfte,
stellt eine Fortsetzung der ersten Ver
öffentlichung dar.
Bei meinem Vortrag vor den Schülern
ler Akademie der Arbeit lag mir daran,
hufzuzeigen, daß die Industrie, so wertvoll!
sie auch für die moderne Menschheit sein
mag, unter Umständen gewisse Nachteile
und Gesundheitsschädigungen nach sich
ziehen kann, und daß diese Gefahren
durch Betriebsunfälle und gesundheits
schädliche Einwirkungen nicht nur den
schadenden Arbeiter selbst betreifen kön
nen, sondern auch unter bestimmten Be
dingungen die Allgemeinbevölkerung.
Hierbei hatte ich weniger derartig sen
sationelle Ereignisse, wie Explosionskata-
strophen von Gaskesseln und dergleichen
oder Großbrände vor Augen, ebenso war
es nicht meine Absicht, auf die Verunrei
nigungen unserer Flüsse durch Abwässer
oder auf Grubensenkungen einzugehen,
sondern ich beschäftigte mich vorwie
gend mit den Verunreinigungen der At
mosphäre durch industriebedingte Gase,
Dämpfe, Rauche und Stäube aller Art.
Wenn ich nun im folgenden in Ergän
zung zu dem eingangs erwähnten Bericht
noch einige Zahlen über wissenschaft
liche Untersuchungen und Erhebungen auf
diesem Gebiete bringe, so sind dies teils
schon bekannte Feststellungen der Ge
werbehygiene, teils aber auch neue Er
kenntnisse, die bei der Erforschung der
Berufskrankheiten — gewissermaßen so
nebenbei — gewonnen wurden.
Jeder weiß, wie die Sonne momentan
durch eine Rauchwolke verfinstert wer
den kann; aber daß z. B. die auf Ham
burg jährlich niedergehende Rußmenge
auf 1—2 Millionen Kilogramm berechnet
wurde, wird nicht überall bekannt sein.
Reine Industriegegenden und Großstädte
sind natürlich von derartigen Einwirkun
gen am meisten betroffen. Im Bannkreis
von Hamm in Westfalen hat man z. B.
festgestellt, daß an einem Wintertag 800
Zentner Schmutzteilchen, davon 1/3 unver
brannte Kohlenteilchen, niedergingen. In
London wurde der Niederschlag aus der
Luft in einem Wintermonat auf über 54 000
Kilogramm berechnet, wovon knapp die
Hälfte aus Teer, Kohle und Sand, also
unlöslichen Bestandteilen und der grö
ßere Teil aus löslichen Chemikalien, wie
Chlor usw, bestand. Französische Wis-
in Industriegebieten
senschaftler stellten fest, daß über einer
französischen Großstadt im Jahr 9000 kg
Schwefeldioxyd und Salzsäure entstanden
und daß infolge der Verbrennung von
Koks, der noch 1 Prozent Schwefel ent
hält, z. B. über Großstädten 30—40 Vo
lumenteile Schwefeldioxyd auf 10 Mil
lionen Volumenteilen Luft enthalten sind,
während auf dem Lande nur 1 Volumen
teil Schwefeldioxyd in der gleichen Menge
Luft enthalten ist.
Ebenso interessant ist die Wirkung von
Industriestaub auf die Absorption der
für Gesundheit und Leben wichtigen im
Sonnenlicht enthaltenen ultravioletten
Strahlen. Für Berlin wurden z. B. ermit
telt, daß im Durchschnitt nur ein Drittel
des Sonnenlichtes zur Wirkung kommt.
In einer anderen Statistik wurde festge
stellt, daß ständig 20 Prozent der Sonnen
wärme durch die in der Luft schweben
den Fabrikrauche absorbiert werden.
Jedes Ruß- oder Staubpartikelchen, wel
ches bei einer Größe von einem tausend
stel mm sich tagelang schwebefähig in
der Luft hält, kann entweder direkt oder
durch indirekte Begünstigung der Bildung
einer Nebelschicht die Absorption von
Sonne und Licht hervorrufen, da ja je
des Nebelteilchen ein Ruß- oder Staub-
partikelchen als Kern besitzt.
Man könnte die Reihe solcher Beispiele
beliebig verlängern. Es ist klar, daß die
aufgeführten Möglichkeiten für Gesund
heitsstörungen für die Bevölkerung großer
Industriezentren nicht als gleichgültig be
zeichnet werden können. Es wird immer
unser aller Ziel sein müssen, daraus her
zuleiten, diese Schädigungen soweit wie
möglich einzudämmen. Die Erfolge der
Verschickungen unserer Kinder in Ferien
und Erholungslager, und der Ferien- und
Urlaubsaufenthalte der Erwachsenen in
sonnenreichen staubfreien ländlichen
oder waldreichen Milieu sprechen eine
beredte Sprache, wenngleich dabei na
türlich noch andere Umstände eine Rolle
spielen. Es wird im Einzelfalle oft schwer
seih, festzustellen, ob beispielsweise das
schlechte Aussehen eines einzelnen ledig
lich durch den ständigen Aufenthalt in
einer mit Industrierauchen und Abgasen
geschwängerten Atmosphäre einer Fa
brikstadt hervorgerufen ist, oder ob der
selbe nicht vielmehr auf eine konstitutio
nelle Schwächlichkeit überhaupt, oder auf
eine unzweckmäßige Ernährung, schlechte
Wohnverhältnisse, Ueberanstrengung und
Hast bei der Arbeit zurückzuführen ist,
bzw. auf alles zusammen oder vielleicht
auch auf eine bestimmte organische
Krankheit, etwa ein Magengeschwür oder
ein Herzleiden usw.
Man darf daher auch nicht über das
Ziel hinausschießen, wie dies etwa vor
15 Jahren in Berlin der Fall gewesen ist,
wo behauptet wurde, daß in einer dicht
bevölkerten Wohngegend im Norden Ber
lins 2000 Menschen infolge der in diesem
Bezirk liegenden großen Gasanstalt an
chronischer Leuchtgas- also Kohlenoxyd
gasvergiftung litten.
Die darauf eingestellten Untersuchun
gen in dem damaligen Universitätsinsiitut
für Berufskrankheiten, an dem ich früher
tätig war, ergaben die Haltlosigkeit die
ser Behauptung. Es handelte sich um eine
Reihe anderer innerer Krankheiten an de
nen die angeblich Gasvergifteten litten
und überdies ergaben die zahlreichen in
der gesamten Umgebung des Gaswerkes
zu verschiedenen Zeiten und unter ver
schiedenen atmosphärischen Bedingungen
vorgenommenen Luftanalysen, das prak
tisch überhaupt kein Kohlenoxyd in der
Luft vorhanden war. Die manchmal auf
tauchenden Befürchtungen über die chro
nische Vergiftung unserer Großstadtbe
völkerung infolge einer Verpestung der
Luft durch die kohlenoxydhaltigen Ab
gase der Kraftfahrzeuge und Industriebe
triebe sind unbegründet, zumal anderwei
tige Untersuchungen durch französi
sche und japanische Forscher ergeben
haben, daß Kohlenoxyd in der Luft zu
Kohlendioxyd oxidiert, also abgebaut
wird und verschwindet.
Die Schlußfolgerungen aus diesen Aus
führungen für uns an der Saar lassen sich
nicht in einer kurzen Zusammenfassung
beantworten. Vorteilhaft ist jedenfalls,
daß wir an der Saar nicht solche großen
Industriezusammenballungen haben,' wie
es z. B. in der westfälischen Großindu
strie der Fall ist. Auch werden bei uns
solche Katastrophen niemals möglich
sein, wie sie infolge ganz besonders ge
lagerter geographischer Umstände sei
nerzeit im Maastal mit 70 Todesfällen u.
Tausenden von Erkrankungen durch fluor
haltige Fabrikabgase zustande gekom
men waren. Im übrigen trägt eine ver
nunftgemäße Lebensweise da, wo es sich
nicht vermeiden läßt, unter der Einwir
kung von Industrieabgasen und Stäuben
zu leben, zweifelllos viel dazu bei, um
etwaige Schäden auszugleichen. Spiel u.
Sport in frischer Luft, Wanderungen oder
Spaziergänge bilden einen gesunden Aus
gleich und dienen dazu, die sogenannte
„Selbstreinigung der Lungen“ zu för
dern, Dr. Symanski.
In der ersten Veröffentlichung in Nr. 3 waren
bei der Kürzung des Artikels einige Unrich
tigkeiten entstanden. Es muß richtig heißen:
Die Zahl von 30 000 kg. Staub, die täglich von
den Schornsteinen des Saarlandes ausgestoßen
werden, bezieht sich tatsächlich nicht auf
mehrere Schornsteine, sondern nur auf einen
Schornstein einer bestimmten Industrieanlage.
Die Schädigung der Tierwelt durch arsenik
haltige Abgase haben sich bei Freiburg in
Sachsen ereignet und die Maaskatastrophe bei
Lüttich in Belgien fand im Jahre 1930 statt.)
Teilaitsicht von Völklingen mit der Hütte, deren Schornsteine täglich lausende Kilogramm
Rauch und Staub ausspaien. Zu einem großen Teil gehen diese Rauch- und Slaubmengan
aut die Ortschaft nieder.