j Eilig.: 2 J AVR. 1950
Aula.
I weiter an
4. Jahrgang
Saarbrücken, 20, April 1950
Nr. S
WELTFEIERTAG DER ARBEIT!
von HEINRICH WACKER
Am 14. Juli dieses Jahres sind es 61
Jahre, seit der internationale Arbeiter
kongreß in Paris zu einer einheitlichen
Kundgebung der gesamten Arbeiterschaft
der Welt aufrief. Jeher Kongreß erklärte
C3 als Pflicht der Arbeiter aller Länder
am 1. Mai jeden Jahres gegen eine so
ziale Ordnung zu demonstrieren-, die jede
nersönliche Freiheit unterdrückt, in der
dfe Mensehen 12 und 14 Stunden zu ar
beiten gezwungen waren, in weicher Kin
derarbeit eine Selbstverständlichkeit war.
Seit jenem 1. Mai 1890 kämpfen dfe Ge
werkschaften gegen die Willkür des Un
ternehmertums, gegen Unterdrückung u.
Ausbeutung. Sie kämpfen um die Gleich
berechtigung aller Schaffenden in Wirt
schaft und Staat, um eine neue soziale
Ordnung.
Seit jener Zeit gilt aber auch ihr Kampf
dem Unverstand der Massen und deT ln-
teressenlosigkeit eines großen Teiles der
Werktätigen, die schon wieder verges
sen haben, daß noch vor wenigen Jah
ren dfe Gegner der Gewerkschaften nicht
dflavor zurückschreckten, die Kämpfer für
Freiheit, Demokratie und soziale Gerech
tigkeit in Gefängnisse, Zuchthäuser und
Konzentrationslager zu werfen, ja s#e
selbst ihres Leben» beraubten.
Der alle Völker umschließende Feier
tag der Arbeit soll auch in diesem Jahr
Mahnruf sein, indem wir erneut die Mas-
seü der Schaffenden auffordem, gemein
sam für eine bessere Zükunftr xu kämp
fen, indem wir erneut uns der Verpflicn-
ftirtg bewußt werden, die wir an fernem
14. Juli Jöä? übernommen, den schaffen
den Menschen einer besseren Zukunft ent-
gegenzwführen, einem Leben der sozia
len Sicherheit und Würde.
Die hinter uns liegende Erfahrung der
letzten Vergangenheit, mit dem erneuten
Verlust der persönlichen Freiheit, hat
die schaffenden Menschen innerhalb un
serer Gewerkschaftsbewegung zusam
men geführt. Alle, ohne Unterschied der
Partei und sorialen Rangstellung mar
schieren an diesem 1. Mai wieder zu
Tausenden, um für ihre Forderungen, für
eine ausreichende soziale Versorgung,
gerechte Entlohnung und Gleichberechti
gung in Wirtschaft und Staat zu demon
strieren.
Sfe marschieren in dem Bewußtsein,
daß heute mehr denn je die Einigkeit al
ler Schaffenden notwendig fst, um die
Wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele
der Gewerkschaften gegenüber dem wie
dererstarkten Unternehmertum im unse
rem jungen Staat durchzusetzen.
In dem Bewußtsein, daß die politische
Demokratie nur eine Halbheit ist, gilt, un
ser Streben der Verwirklichung der in der
Verfassung festgelegten Grundsätze zur
Schaffung einer Wirtschaftsdemokratie.
D;C letztere allein ist die Voraussetzung
der sozialen Befriedigung und der wirt
schaftlichen Entfaltung. Nur in der Wirt
schaftsdemokratie ist eine tatsächliche u.
erfolgreiche Mitbestimmung im Betrieb
und in der Gesamtwirtschaft möglich.
Die organisatorische Macht des Unter
nehmertums tritt heute wieder in ver
stärktem Maße dem Wollen der gewerk-
schafrtich-organrtierten Kräfte entgegen.
Sie nimmt für sich das alleinige Mitbe
stimmung® recht in der Wirtschaft in An
spruch. D e Arbeitrehmerschaft des Saar-
iandes fordert seit Jah r sn das volle Mit
bestimmungsrecht im Betrieb und in der
Wirtschaft. Das Betriebsrätegesetz ist
Ausgangs stufe in dieser Entwicklung. Die
paritätische Besetzung der Körperschaf
ten in der Wirtschaft, die Nationalisierung
der Grundstoffindustrien sind die weite
ren Etappen und Aufgaben auf dem von
uns zu fliehenden Wege, der allem zur Be
friedigung der Menschen, zur Schaffung
einer besseren sozialen Ordnung führen
kann und zugleich Voraussetzung eines
endlichen Völkerfriedens ist.
Die bis jetzt im Saarland öurchgeftihrtef
staatlich gelenkte Lohnpolitik ist ohne
Rücksicht auf die dauernde Steigerung
der Arbeitsleistung und ohne Rücksicht
«rät die dauernden Preissteigerungen zurrt
Nachteil aller Schaffenden durchgeführf
worden. Es ist Pflicht der Regierung des
Saarlandes, das Tarifvertragsgesetz mit
Schlichtungswesen endlich Gesetz werden
zu lassen, damit den Arbeitnehmeroiga-
hisationen die Möglichkeit gegeben wird,
entsprechend der Struktur der saarländi
schen Wirtschaft und der Leistung der
Arbeitnehmer, durch Abschluß von Tarif
verträgen wieder zu einer gesunden Lohn
politik und einer Besserung des Lebens
standards zu kommen. Auf die Dauer
kann eine Volkswirtschaft fficht dazu die
nen, die Gewinnquoten eiäffldm'et sicher-
zustelJen, sondern die Wirtschaft .hat den
Zweck, all denen, die in der Wirtschaft
tätig sind, eine Lebenssiche'rung zu
schaffen.
Ebenso notwendig ist aber auch die
Sicherung der Lebensstellung der arbei
tenden Menschen, sei es bei Krankheit,
Unfall, Invalidität usw. Es ist ein unmög
licher Zustand innerhalb des demokrati
schen Staates, daß Menschen nach jahr
zehntelanger Tätigkeit in dieser Wirt
schaft heute Renten beziehen, die unter
den Sätzen der Wbhlfahrtsönterstützung
liegen. Wohl sind wir durch den Krieg
arm geworden, doch hier hat der Staat
und dfe Gemeinschaft die Pflicht, diesen
Notzustand gemeinsam zu überwinden u.
die Zuschüsse zu leisten, die die Ver
sicherungsträger in die Lage versetzen,
die Renten der Lebenshaltung anzupas
sen.
Zur Erhaltung der Arbeitskraft und der
Gesundheit unseres Volkes ist dem so
zialen Wohnungsbau innerhalb der ge
samten Bauwirtschaft die Priorität ein-
züräumen. Wohl hat der Staat im Rahe
men seiner Möglichkeiten Mittel zur Ver
fügung gestellt um der Wohnungsnot zu
steuern, aber die zur Verfügung gestell
ten Mittel reichen bei weitem nicht aus,
auch nur in etwa diesen Notzustand zu
beheben. Nicht zuletzt haben die gemein
nützigen Baugenossenschaften in allerer
ster Linie als Träger des sozialen Woh
nungsbaues ein Recht darauf, die volle
Unterstützung des Staates für sich in An
spruch zu nehmen.
Die Trümmer unserer Städte, die ma
terielle und geistige Notlage unseres Vol
kes dis Folge des Krieges, der pikta-
tur und einer Wirtschaftsordnung, die uns
die Vergangenheit auf gezwungen hat,
müssen uns endlich zu der Erkenntnis
bringen, daß nur Einigkeit und Entschlos
senheit uns die Macht verleihen, diese
An alle Schaffenden des Saarlandes
Wiederum Feiern wir den Ehrentag
der Arbeiter, AngesfteUten und Beamten,
den 1. Mai, als den Kampftag all derer,
dfe in einem abhängigen Lahn- oder Ge
haltsverhältnis stehen.
Dieser Tag, der von unseren Vätern
unter Einsatz aller Kräfte und unter HLnt-
ansetninq jeglicher persönlichen Vorteile
in machtvollen Demonstrattoneh und Wil
lenskundgebungen begangen wurde, soll
und muß auch heute in entscheidungsvol
ler Stunde als ein Tag eines einmütigen
Wolfens und Kampfes in die Geschichte
unserer Gewerkschaftsbewegung etn-
gehen.
Unsere Gegner wollen die Arbeiter
klasse in Uneinigkeit treiben.
Vielfach ist die Not, die uns auf den
Nägeln brennt und den sozialen und wirt
schaftlichen Aufbruch der Arbeitnehmer
zum Gebot der Stunde macht.
Wir wissen, daß «ine neue Gesell
schaftsordnung nicht geschaffen werden
kann durch Uneinigkeit.
Wir wissen, daß nur in einem intensive»
Kampt um die Besserstellung der Arbei
terschaft und in einer völligen Fin-
müUgke’it der Schlüsse! zum Erfolg
liegt.
Die Einheitsgewerkschaft hat seit ihrem
Bestehen alles durchgeselzt und nichts un
versucht gelassen, das schaffende Volk
aus dem Chaos des Krieges und der
Nachkriegszeit so schnell wie möglich
herauszu führen.
Eine ganze Reihe von Erfolgen konnte
sie auf IhTem Konto buchen.
(Fortsetzung Seite 2)
Ü
rrrr
Hf
Kräfte niemals wieder zur Macht kom
men zu lassen, die in einem neuen Krieg
all das wieder zerstören, was die arbei
tenden Menschen an Werten und Wohl
stand schaffen.
Einig und geschlossen wird der letzte
Kollege und jungte Kamerad an diesem
f. Mai in einer mächtigen Großkundge
bung demonstrieren im Kampf um
ein einheitliches und fortschrittliches
Arbeitsrecht für das gesamte Arbeiter-
tum,
für ein Betriebsräieg.esetz, das die volle
Mitbestimmung und Gleichberechtigung
der Arbeitnehmer sicherstellt,
für die Schaffung eines Tarifvertrags
rechtes mit Schlichtungswesen,
für den Ausbau des Kündigungsschut
zes und des Kündigungsrechtes,
den Ausbau der Jugendarbeitsschutz
gesetzgebung,
die endgültige Reform der gesamten So
zialversicherung mit dem Ziel, den Ver
sicherten eine ausreichende. Lebenshal
tung bei vorübergehender oder dauern
der Erwerbsunfähigkeit zu sichern
durch Anpassung der Renten an die
Löhne und Gehälter,
für die restlose Verwirklichung der Zen
tralisation der Versicherungsträger zur
Beseitigung der unwirtschaftlichen Zer
splitterung, zum Zwecke der Vereinfa
chung und Verbilligung der Verwaltung
und der schnellsten Durchführung der
Selbstverwaltung mit dfem maßgeben
den Einfluß der Versicherten.
Die Verwirklichung dieser Forderungen
ist die einzige Garantie für den Erhalt der
persönlichen Freiheit, für den Wiederauf
bau einer Wirtschaft, die dem Frieden
dient und in der dfo soziale Gerechtig
keit absoluter Grundsatz ist.
Unsere Mai-Demonstration soll aber
auch erneut der Welt zeigen, daß die Ar
beitnehmerschaft an der Saar bereit ist,
alles einzusetzen ftÄr die Verständigung
der Völker, für einen gerechten Frieden
und damit einer neuen Ordnung Europas,
Die zentrale Maikundpüung
in Saarbrücken
Aufstellung: 9.00 Uh* am Ludwigsberg.
Kundgebung: gegen 10:30 Uhr auf dem
Landwehrpfatz,
Anmarschweg: Der Demonstrationszug
bewegt sich durch folgende Straßen: Trie
rer Straße, Bahnhafst*., Mainzer Straße,
Arndstraße, Mäx-Braun-Straße, Land“
wehrplatz.
Zubring erdien st:
Bei der Eisenbahn verkehren die fahr
planmäßigen Züge des Sonntagsverkehrs.
Für alle Fahrten nach Saarbrücken wird
eine Fahrpreisermäßigung von 30 Prozant
g ewährt. Die Arbeiterwochenkarten ha-
en laut Mitteilung der Eisenbahndirek
tion trotz des Feiertages auch am 1. Mai
Gültigkeit.
Die Straßenbahnen verkehren am 1. Mai
wie üblich.
Inwieweit sonstige Verkehrsmittel ein
gesetzt werden (Autobusse usw.), wird
durch Rundschreiben der Lidustriever-
bände noch bekanntgegeben.
Folgende Zü^e verkehren am 1. Mat
*950 auf den Hauptstrecken:
J. Strecke Saatpemünd—Saarbrücken: An
kunft: 8.38 Uhr.
Abfahrizellen: Hinweiler-Ri chingen 8.08
Uhr; Auermacher 8.14 Uhr, Kleinblitters
dorf 8.18. Bübingen 8.22, Güdingen 8.20,
Brebach 8.31.
2. Strecke Homburg—Kirkel—Saarbrücken
Ankunft: 9.04 Uhr.
Abfahrtzeiten: Homburg 8.19, Homburg-
West 8.23, Limbach 8t28, Kirkel 8.35, Rahr
bach 8.43, St. Ingbert 8.49.
9. Strecke Homburg—Einöd—Saarbrücken.
Ankunft: £.19 Uhr.
Abfahrtzeiten: Homburg 7.57, Beeden
8.02, Schwarzenacker 8.06, Ein öd 8.20,
Bierbach 8.26, Lautzküchen 8.31, Würz-