ORGAN OER EINREITGGEIllERRGtHflFTEN OER RRREUER, ANGEGTELLTEN UND RERfRTEN
5. Jahrgang
Saarbrücken, Mitte Dezember 1950
Nr. 24
Unö mieDer i(t es ODeilmoditen
Nur noch einige Tage und wieder feiert die Christenheit
der Welt das Weihnachtsfest, das Fest des Friedens, den
Tag, an dem Christus geboren wurde, dessen Lehre für die
Christen der ganzen Welt Richtschnur ihres Lebens und Han
delns sein sollte.
6 Jahre sind es her, als in der Weihnacht anstatt des
Sternes von Bethlehem die Bomber am Firmament ihre Kreise
zogen, Städte und Dörfer in Trümmer legten, Männer, Frauen, Kinder und
Greise dem Bombenhagei zum Opfer fielen. Millionen Menschen irrten in jener
Weihnachtsnacht im Jahre 1944 ziel- und planlos, hungernd und frierend, von
Haus und Hof vertrieben auf den Flüchtlings straften von Ost nach West.
Weihnachten 1950
Noch warten Tausende von Frauen, Müttern und Kindern auf die Heimkehr
ihrer Lieben, ihrer Väter, Söhne und Ernährer, die heute noch hinter dem Sta
cheldraht der Kriegsgefangenenlager, erfüllt von Gram und Sehnsucht im Her
zen, auf ihre Entlassung warten. In den stillen Stunden der Weihnachtstage wer
den in diesen Familien, statt die Verheiftung der Weihnacht „Friede und
Wohlgefallen“ freudig in sich aufzunehmen, Tränen vergossen im Andenken an
die Lieben, und doch noch klingt leise Hoffnung in den Herzen, daß auch für
sie noch einmal das Weihnachtsfest ein Fest der Liebe und der Versöhnung
sein möge. Sie sehen seit Monaten in Zeitschriften und an Litfaßsäulen die
Friedenstaube als verheißungsvolle Botschaft des Völkerfriedens. Umso größer
ist und muß ihre Enttäuschung abejr sein, wenn sie feststellsn müssen, daß
von Frieden auch an diesen Weihnachten nicht gesprochen werden kann und das
Christentum heute noch lebendiger Erfüllung harrt, weil viele, die sich Christen
nennen, bis heute noch nicht danach leben-
Die diesjährige Weihnachtsbotschaft wird erneut überschattet von der Furcht
vor einem neuen Krieg, trotzdem die Menschheit den hinter ihr liegenden,
mörderischsten aller Kriege noch nicht überwunden hat. Größer denn je ist
das gegenseitige Mißtrauen unter den Völkern. Die Kriegsgefahr wächst von
Tag zu Tag, neue Divisionen werden aufgestellt, Diplomaten glauben, d/jirch
Verhandlungen uud Konferenzen den Krieg bannen zu können, Friedenskongresse
werden ab gehalten, während zu gleicher Zeit im fernen Osten Tausende täglich
dem Krieg zum Opfer fallen. Wie ein Damoklesschwert hängt die Gefahr des
Atomkrieges über der Menschheit, der Menschheit, die täglich vom Frieden
spricht und nicht den Mut aufbringt, wirklichen Frieden zu schließen.
„Willst den Frieden Du haben, sei kriegsbereit!“
Nach diesem Ausspruch jenes Römers handelt die Welt auch heute noch
und rüstet im Osten und Westen. Diese Tatsachen anläßlich des bevorstehenden
Weihnachtsfestes aussprechen zu müssen, ist hart und bitter, ist aber zugleich
Anklage gegenüber all denen, die Hüter und FördererVmd Schöpfer des Friedens
sein wollen und deren Handeln weder mit Christentum noch Christenpflicht et
was zu tun hat
Aber nicht nur der Krieg bedroht die friedliche Entwicklung der Mensch
heit. Anstelle von Liebe und Wohlgefallen leidet ein großer Teil der schaffen
den Menschen in dieser Welt unter großer Not Zwang und Terror verge
waltigen die Freiheit des Geistes und die Menschenrechte, das Recht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit.
Die dauernde Verschlechterung der Realeinkommen der schaffenden Men
schen, die Sorge um die elementarsten Lebensbedürfnisse auf der einen Seile,
auf der anderen Seite eine Schicht von Menschen, die die Sorge des täglichen
Lebens nie kennengelernt und sich jeden Wunsch erfüllen können, eine Ungerech
tigkeit, die in dieser christlichen Welt zu immer größeren sozialen Spannungen
lühien muß.
Die Arbeitnehmerschaft in ihrer Gesamtheit, die unter schwersten Opfern
am Aufbau von Wirtschaft und Staat mitgearbeitet, kämpft um Anerkennung
der geleisteten Arbeit, um gerechten Lohn und Gehalt. Die zur Mitverantwor
tung bereite Arbeitnehmerschaft steht seit Monaten im Kampf um Mitwirkung
und Mitbestimmung in der Wirtschaft, eine der gerechtesten Forderungen der
Arbeitnehmer.
Die Arbeitnehmerschaft ist heute noch materiell und sozialrechtlich in
einer Weise benachteiligt, die ihr die Freude an der Arbeit nimmt. Die Er
füllung dieser großen menschlichen und wirtschaftlichen Aufgabe, die Anerken
nung der Gewerkschaften als Mitträger einer neuen sozialen Ordnung und als
Vertreter der schaffenden Menschen als Gleichberechtigte in Wirtschaft und Staat
bedeutet einen Beitrag zur endlichen Verwirklichung des inneren Friedens und
auch einen Teil zur Erfüllung der Weihnachtsbotschaft, auf welche die Men
schen seit bald 2 000 Jahre warten:
FRIEDE AUF ERDEN UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN!
Heinrich Wacker
Aus dem JuPialt:
Di« Großkundgebung des I. V. Eisenbahn
Die Forderungen der Postler
Guter Wille allein tut’s nicht
Vorschuß oder Beihilfe
Lohndiktatur oder Tarifverträge?
Die Theatergemeinde teilt mit
Feierstunde am St, Barbaratag
Steuererleichterungen für Bauvorhaben
Ein Jahr Baugen osssenschaft
Arbeit und Recht
Briefkasten
Wirtschaftliche Neuordnung durch
Mitbestimmung
Soziales
Letzte Phase der Lohnbewegung
Dei Stand der Lohnverhandlungen im Saarbergbau * Das Ergebnis in der Metallindustrie
Weitere Resultate und Forderungen
Die Bestrebungen, zu weiteren Lohnabkommen zu gelangen und diese
möglichst noch vor Weihnachten ab zuschließen, wurden in den letzten
vierzehn Tagen ohne Unterlaß energisch fortgesetzt. Beim Bergbau konnte
eine Einigung, die alle Kategorien hätte einigermaßen befriedigen können,
noch immer nicht erzielt werden. In der Metallindustrie kam nach langwie
rigen Verhandlungen ein Abkommen zustande, über das an anderer Stelle
näher berichtet wird. Die Eisenbahner und die Postler brachten in zwei gro
ßen Kundgebungen ihren unverrückbaren Standpunkt entschieden zum Aus
druck, wobei vor ailem die Notwendigkeit der Zahlung einer lautenden Teue
rungszulage bis zur endgültigen Regelung der Löhne und Gehälter unter
strichen wurde, In einigen kleineren Industriegruppen kam es zu endgülti
gen Abschlüssen, andere wieder stehen noch in weiteren Auseinanderset
zungen, um über völlig ungenügende Arbeitgeberangebote hinaus zu an
nehmbaren Resultaten zu gelangen.
Für die Belegschaften der Saargruben
ergibt sich zunächst eine Nachzahlung
aus dem Monat Oktober die zum Teil
schon in Anspruch genommen und aus
bezahlt wurde. Ferner kommen Gewinn
prämien in Betracht. Sie sollen bei der
Hauptlohnung im Dezember ausbezahlt
werden. Die Ausgieichsentschädigung
und die Regeimäßigkeitsprämien, die bei
der Hauptlohnung im November wegen
der Streikschicht abgezogen wurden, wer
den im Dezember nachvergütet Weiter
wurde für diejenigen Arbeiter, die am
St Barbaratag eine Schicht verfahren
haben, ein Zuschlag von 100‘Vo auf diese
Schicht verrechnet Die Auszahlung soll
so schnell wie möglich erfolgen. Ueber
die allgemeinen Lohnverbesserungen jetzt
schon ein klares Bild zu geben, ist
nicht nur wegen der komplizierten Ver
rechnungsart nicht möglich, sondern es
fehlt immer noch die Unterschrift des
französischen Produktionsministers unter
das Abkommen betr. Anerkennung der
neuen Lohnfestsetzung für die Löhne
über Tage. Die Löhne für unter Tage
sind, wie von den Gewerkschaften bean
tragt, anerkannnt. Die Bergbau Gewerk
schaften halten aber nach wie vor auch
an ihrem Vorschlag für die Uebertage-
löhner fest, was sie deutlich noch in der
Sitzung beim Generaldirektor der Saar
gruben am 12. 12. betont haben.
Bei der Fachgruppe der Bergbauange
stellten erhöht sich ab 1. Oktober
1950 das Grundgehalt für alle Berbauan-
gestellten um ca. 9o/o. Der Grundlohn
erhöht sich also auf ffrs. 55,09 für über
Tage und auf ffrs. 64,61 für unter Tage.
Außerdem wird damit die Stundenzulage
im entsprechenden Umfang erhöht. DieVer-
handiungen gehen noch weiter, und zwar
unter Berücksichtigung des neuen Loh
nes für den Metallarbeiter in Paris. An
Weihnachten erhalten alle diejenigen An
gestellten, welche keine Rapportprämie
bekommen, eine Gratifikation von ffrs.
3 500.—- Die neuen Gehaltstabellen wer
den in dem nächsten Mitteilungsblatt ver
öffentlicht.
Beim I. V. Metall wurde endlich ein
Ergebnis in den Lohnverhandlungen, die
schon seit Monaten geführt werden, er
zielt. Im Wirtschaftsgebiet Lothringen,
das als Vergieichsgebiet bei den be
stehenden wirtschaftlichen Voraussetzun
gen angesprochen wurde, ist ein Ab
schluß bisher noch nicht erzielt worden.
Sollten die dort noch schwebenden Lohn
verhandlungen zu einem günstigeren Re
sultat führen, als der jetzige Abschluß
an der Saar, dann wird der lothr. Ab
schluß für die Saar übernommen. Bei den
Verhandlungen an der Saar konnte der
Vorstand des I. V. Metall erreichen, daß
außerdem für jede im Monat Oktober ge
leistete Arbeitsstunde ein fester, unver
änderlicher Zuschlag von 2.— ffrs. auf
die bisher gezahlten Löhne für Oktober
1950 gewährt wird.
In der Sitzung des Verwaltungsrates
der saarländischen Eisenbahn vom
7. Dezember 1950 kam es leider nicht
zu der erwarteten Behandlung der An
träge, die auf der Großkundgebung
(Bericht Seite 4) gestellt worden waren.
Dagegen befaßte sich der Verwaltungs
rat mit einem anderen vom I. V. Eisen
bahn gestellten älteren Antrag und be
schloß, grundsätzlich einer einmaligen
WirtschaftsbeibÜfe an alle Eisenbahn-
bediensteten zuzustimmen. Die Beihilfe
wird gestaffelt in einer Hohe von 2 500
bis 9000 ffrs. ausbezahlt. Die Auszah
lung soll noch im Dezember erfolgen.
Diese Wirtschaftsbeihilfe gründet sich
auf die französischen Verhältnisse, also
bei der SNCF, wo eine entsprechende
Zulage gezahlt wird.
Die Auszahlung dieser erneuten Bei
hilfe wird zweifellos von jedem Eisen
bahner begrüßt. Wenn einerseits diese
Tatsache anerkannt wird, so muß jedoch
andererseits das Bedauern darüber aus
gedrückt werden, daß der Verwaltungs-
(Fortsetzung auf Seite 2)
Hoffnungen und Aufgaben
der Gewerkschaftsjugend
Jungkolleginnenl Jungkollegen!
Nur noch wenige Tage «trennen uns von dem
Weihnachtsfest und der Jahreswende.
Wenn wir bei dieser Gelegenheit einen klei
nen Rückblick in das vergangene Jahr machen,
so können wir feststellen, daß wir ein ereig
nisreiches Jahr erlebt haben.
Im Laufe der vergangenen Monate hat sieh
die Einheitsgewerkschaft, getreu ihrer Aufga
ben und ihrer-Verantwortung, die sie als In
teressen Vertreterin der Schaffenden unseres
Landes übernommen hat, auf fast allen Le
bensgebieten nicht nur behauptet und einge
schaltet, sondern auch erfolgreich durchge-
Betzt.
Selbstverständlich konnte nicht alles erreicht
werden, was wir uns zum Ziel gesetzt haben.
Aber niemand kann, wenn er objektiv an den
Geschehnissen unserer Bewegung Kritik übt,
behaupten, daß der Kampf umsonst gewesen
wäre.
Wir denken hierbei an die Sozialgesetzge
bung, an die Schaffung des Tarifvertragsgeset
zes, an den erfolgreichen Einsatz im sozialen
Wohnungsbau, an die unzähligen Lohn- und
Tarifverhandlungen aller Industrie verbände.
Wir denken aber auch, an die weitere Verbes
serung der Berufsansbildungsmögliehkeiten, vor
allem an die Errichtung des Kaufmännischen
Beruf Sausbildungswerkes und an die Förderung
durch das Ministerium für Arbeit und Wohl
fahrt.
Es wurde im Laufe des vergangenen Jahres,
Zum Teil dank der Unterstützung des Kultus
ministeriums ermöglicht, daß eine ganze Reihe
junger Funktionäre herangebildet wurde in
Schulungskursen.
Zahlreiche Ortsjugendgruppen wurden neuge
gründet oder durch Neuwerbungen verstärkt.
So sind wir in der Lage, die stolze Zahl von
rund 24 000 Jugendlichen als Mitglieder zu
nennen.
Wir wissen aber auch, daß uns im kommen
den Jahre nicht weniger Arbeiten und Sorgen
bevorstehen werden.
Vor allein wollen wir besonders bei dieser
Jahreswende der Hoffnung Ausdruck verlei
hen, daß der Welt und damit allen Völkern der
so dringend notwendige Frieden erhalten bleibe.
Möge durch soziale Gerechtigkeit, die der
beste Garant des Friedens darstellt, ein Zu
stand geschaffen werden, der besonders dem
schaffenden Menschen das Leben wieder lebens
wert macht.
Die Jugend aller Völker will nichts mein
mit einem Krieg zu tun haben und lehnt da
her jegliche kriegerische Auseinandersetzung
unter den Völkern ab.
Sie ist sieh der Tatsache bewußt, daß Kriege
keine Lösungen der zweifellos vorhandenen in
ternationalen Spannungen herbeiführen können.
Die schaffende Jugend des Saarlandes ist sich
aber auch darüber im klaren, daß nur eine
Gemeinschaft aller Schaffenden über die Lan
desgrenzen hinaus die Verwirklichung eines
dauerhaften und gerechten Friedens bringen
wird.
Wir sind daher bereit, in den Organisationen
und Körperschaften mitzuarbeiten, die sich
diese ideelle und wirtschaftliche Vereinigung