Full text: 1950 (0005)

5. Jahrgang 
Saarbrücken, 13. November 1950 
Ni. 21 
Reifende Entscheidungen 
Di« verschiedenen Etappen, die in der 
Lohnbewegung an der Saar zu verzeich 
nen sind, veranlassen die Arbeitnehmer 
zu wichtigen Rückschlüssen und Konse 
quenzen. 
Zunächst sei die Entwicklung kurz ge 
kennzeichnet. Eei einigem Gruppen kam 
(es zu freiwilligen Vereinbarungen, bei an 
dern zu Schiedssprüchen und bei wei 
terem ist die Lage auf beiden Seiten zwar 
geklärt, aber die Entscheidungen stehen 
hoch aus. Hier haben sich die Verhält- 
inisse für die Arbeitnehmer und ihre Fa 
milien zum Teil bedrohlich verschlimmert, 
'..sonders bemerkenswert ist folgen 
des: Die meisten Arbeitgeber betonten im 
Brustton der Ueber zeugung, daß Lohner 
höhungen keinesfalls möglich seien, vor 
allem nicht- möglich seien ohne gleich 
zeitige Preiserhöhungen, (wozu zu bei 
rrter kern ist: weitere Preiserhöhungen 
denn bis zum Ueberdruß liegen solche! 
ja schon längst vor). 
Nach längerem Hin und Her wurde aber 
schließlich zugegeben, daß Lohnerhöhun 
gen auch ohne Preiserhöhungen gewährt 
werden können und ausgerechnet bei dem 
für die Gesamtbewertung überaus wich 
tigen Produkt der Kohle. (Ob bei dieser 
Feststellung auch die letzten Möglichkei 
ten schon ausgeschöpft wurden, bleibet 
Bloch dahingestellt). 
Nun fragt es sich, wie rasch sich an 
dere Wirtschaftsgruppen dieses Beispiel 
zu eigen machen. Sonst haben ja die 
Arbeitgeberverbände sehr schnell Ver 
bindungen, um über Barrieren hinweg Er 
hebungen anzustellen und Uebereinkom- 
men aut breiter Basis zustandezubringen, 
wenn sie von kleinerem Sektor her glau 
ben, nicht allein Kalkulationen beschlie 
ßen zu können. 
Auch für die Besoldung bei den Oef- 
.fen^chen Diensten gab es bisher schon 
Beispiele für Erhöhungen, ohne daß sofort 
die Steuerschraube angezogem werden 
(mußte. Sollten dennoch steuerliche Erwä 
gungen nicht ausbleiben, so wären die 
(unteren und mittleren Schichten zu ver- 
ßcho no ~*. 
Leite. ist festzu stellen, daß dem Le 
bensstandard von anderer Seite neue Ge 
fahren drohen. Neben den Hinweisen auf 
eine Reihe von Gebührenerhöhungen sind 
äin letzter Zeit cuf verschiedenen Rohstotf- 
mdrktien und bei Fertigwaren weitere 
Preiserhöhungen festzustellen. (In der 
Brachsten Ausgabe werden wir hierzu 
eine sehr interessante Stellungnahme der 
amerikanischen CIO-Gewerkschaft veröf 
fentlichen). Bei der Ausschau nach inter 
nationalen Pne sherabsetzungen dagegen 
sind nur geringfügige Anzeichen auf we- 
Biigen Teilgebieten zu entdecken. Ganz: 
erhebliche Preiserhöhungen aus der letz 
ten Zeit bis zu 25% sind dagegen unter 
rinderm bei folgenden Waren emgetne- 
amderm bei folgenden Waren einaetre- 
ten: Papier. Oefen, Glas, Radioröhren. 
Eat enem, Kuotergegenständen und Tex 
tilien. 
Eiin Beamter, Mitglied der Gewerk 
schaft, schreibt uns u. a.: 
..Ich hatte Sse vor etwa drei Worhen auf die 
Erhöhung der Preise für das Hnarschneiden von 
<0 auf 100 Frs. aufmerksam gemacht und da 
ran die Erwartung geknüpft, daß es den 
„ernsten Bemühungen“ der Regierung gelingen 
werde, den 42prozentigen Preisaufschlag, der . 
m, E. vollständig ungerechtfertigt ist, rückgän 
gig zu machen. Meine Erwartung hat sich nicht 
erfüllt. Ich habe in der Zwischenzeit festge 
stellt, daß in Westdeutschland das Haarschnei- 
den 80 Pfennig kostet, das sind kursmäßig un 
gerechnet 66,50 Frs, Der frühere Preis hätte 
demnach reichen müssen. Inzwischen geht man 
auch dazu über, die geistige Kost zu verteuern, 
wie die Preissteigerung der Abonnements der 
Zeitungen um etwa 20 Prozent zeigt. Anschei 
nend wollen die Herren Akfionäre der Zeitungen 
ebenfalls nicht zu kurz kommen.“ 
Wer so manche Vorgänge der letzteil 
Zeit miterlebt hat, wird stutzig. Zu den 
üblichen Schwierigkeiten innerhalb einer 
Lohnbewegung fauchen zusätzliche auf. 
Da begegnet man besonderen Kompe 
tenzstreitigkeiten und Unklarheiten. Der 
Mangel an Vollmachten hindert Or 
gane am Vollzug. Die Saarkonven 
tionen, die kürzlich von der franzö 
sischen Kammer ratifiziert wurden, müs 
sen noch dem Rat der Republik varge- 
legt werden. Dies soll in. den nächstem 
Tagen geschehen. 
Was bleibt zu tun übrig? Was können 
die Arbeitnehmer einsetzen? Sammlung 
aller Kräfte und Entschlossenheit! Eine) 
Arbeitgeberpolitik, die die Gewerkschaf 
ten weich machen will, muß das Gegen 
teil bewirken. Der Kampf ist schwer, aber 
aut unserer Seite ist das Recht! C. S, 
Lohnbewegung auf dem Höhepunkt 
Die starke Reaktion bei den Verbänden - Aufbietung aller gewerkschaftlichen Kräfte 
Die Ergebnisse der letzten Verhandlungen 
Die Lohnbewegung an der Saar hat neue Höhepunkte erreicht. Die beiden 
größten Industriegruppen, Bergbau und Metall, machten weitere Anstrengun 
gen, um zu annehmbaren Lohn Vereinbarungen zu kommen. Das Gelände ist 
beiderseits geklärt. Die Entscheidungen müssen nun alsbald fallen. Zu einer 
besonderen Aktion sahen sich diesmal die Verbände des Oeffentlichen Dien 
stes veranlaßt. Im Interesse aller Beteiligten ist dringend zu wünschen, daß 
die von ihnen in einer wahrhaften Großkundgebung im Johannishof ange 
nommene Resolution ohne Zögern die gebührende Beachtung findet. Ueber 
die Situation bei den genannten wie bei den übrigen Verbänden informieren 
die nachstehenden Berichte. 
Der Vorstand des I. V.-Bergbau hat in 
seiner Vorstands Sitzung am 5. November 
in Sulzbach eine Entschließung ange 
nommen, in deT er zu der angebotenen 
8%igen Lohnerhöhung und der Situation 
im Saarbergbau Stellung nahm. In der 
Entschließung wird mit Empörung festge 
stellt, daß trotz mehrerer Verhandlungen 
und Zusagen von Regierungsstellen die 
LohnaingLeichung an Lothringen nicht er 
folgte. Der Vorstand lehnt die angebo 
tene Lohnerhöhung ab, weil sie weder 
der Preisentwicklung, noch der Bedeutung 
des Bergbaues entspräche. Die Verbands 
leitung erklärt sich bereit, mit den franz. 
Bergarbeitergewerkschaflen eine Aktions 
einheit zu schaffen. Ferner soll einer even 
tuellen Revierkonferenz ein 48-stündige* 
Proteststreik gegen die Mißachtung der 
Bergarbeiterinteressen empfohlen wer 
den. 
Am kommenden Dienstag werden, wie 
man hofft, abschließende Verhandlungen 
mit dem französischen Wirtschaf tsmiid- 
ster Jo& .psaol in faiis statt. Die saarländi 
schen Gewerkschaften erwarten, daß 
diese Verband umgen endlich zu einem 
annehmbaren E gebnis führen, andern 
falls die Berga beiferschaft geschlossen 
zur äußersten Aktion schreiten müßte. 
Es ist für uns fast unfaßbar, ihn, den 
lieben Kameraden, dem noch vor weni 
gen Tagen der Lebenswille und die Le 
benskraft alles gewesen, nicht mehr un 
ter uns zu wissen. Anschütz liebte und 
achtete die Menschen, die Menschen lieb 
ten und achteten ihn. Beides gab ihm die) 
Kraft und dea Willen, jahrzehntelang in 
der Gewerkschaftsbewegung und auch im 
öffentlichen Leben für das Wohl seiner 
Arbeitskameraden und Mitmenschen tä 
tig zu sein. 
Wenn immer wir ihn gerufen, wann es 
galt, die wirtschaftlichen und sozialen In 
teressen seiner Kameraden wahrzuneh- 
men, immer, wenn «3 galt, für die Bewe 
gung der schaffenden Menschen Opfer za 
bringen, war er da. Ein offener, lauterer* 
ehrlicher Charakter, eine gerade auf 
rechte Persönlichkeit, so haben wir Wil 
helm Anschütz gekannt. 
Die Einheitsgewerkschaft dankt Wil 
helm Anschütz als Kollege und als 
Mensch für sein Wirken und Schaffen* 
Sie dankt ihm dafür, daß er bis zur letz 
ten Stunde der Gewerkschaftsbewegung 
gedient und all den Menschen, die heute 
noch im Schatten der Gesellschaft ls- 
bein, mit Rat und Tat zur Seite stand. 
Wir, die wir diesem treuen Toten im 
Die Fachgruppe der Bergbau-Angeste Il 
ten schließt sich restlos den Forderun 
gen des I. V.-Berglaau an und ist gewillt* 
sich der evtl, erforderlichen Aktionsein 
heit der saarl. Bergarbeiter mit den fran 
zösischen Kameraden anzuschiießen. 
I. V. Metall. Um zu einer Regelung in 
der Lohnfrage für die Metallarbeiter zu 
kommen, fand am Samstag, dem 4. 11., 
eine Verhandlung vor dem Schlichtungs 
ausschuß statt. Es gelang dem Schlichter 
nicht, die beiden Parteien einander nä 
her zub rin gen. In Anbetracht, daß die 
Lohnbewegung in Frankreich noch nicht 
abgeschlossen ist, wurde die Sitzung ver 
tagt, Ein neuer Termin ist noch nicht be 
kannt. Die Besprechungen für den Ab 
schluß eines Tarifvertrages werden un 
abhängig von den Lohnverhandiungers 
weitergeführt. 
Der I. V.-Eisenbahn forderte, wie wir 
bereits berichteten, die Auszahlung eine# 
einmaligen Wirtschaftsbeihilfe für alle 
Eisenbahner. In seiner Sitzung lehnte der 
Verwaltungsrat am 7. 10. die Forderung 
ab. Gegen diesen Beschluß protestierte 
der Verbands Vorstand und erreichte, daß 
am 14. 10. eine Verhandlung stattfand* 
bei der sich der Präsident des Verwal 
tungsrates und der Direktor der SEB, so 
wie die übrigen anwesenden Herren be 
reiterklärten, die Auszahlung der Beihilfe 
dem Verwaltungsrat wohlwollend vorzu- 
(Fortsetzung nächste Seite) 
Leben so nahegestanden, wissen, daß er 
eine kaum ersetzende Lücke -in unsera 
Reihen hinterließ. Wir wissen, daß wir 
einen guten Menschen verloren haben. 
Sein Leben ist für uns beispielhaft und 
sein Andenken unsere Ehre. 
Landesvorstand und Gew2« kscha f t mus 
schuß der Einheitsgewerkschaft.- 
I. A. Heinrich Wacker 
Ueber drsi'crus?nd Funktionäre und Mit 
glieder der Verbände des öffentlichen 
Diens es beider Gewerkschaften haben 
sich am 30. Oktober 1950 im Johannishof 
in Saarbrücken versammelt, um sich im 
Rahmen einer Kundgebung über den 
Stand der Verhandlungen zwecks Gewäh 
rung ei er Terre-u-gszukrae zwischen Re 
gierung und den beiden Gewerkschaften 
zu informie em. 
Sie bedauern außerordentlich, daß die 
sich über 6 Wochen hinziehenden Ver 
handlungen bis heute kein konkretes Er 
gebnis crezeitiqt haben, und daß durch 
diese Verschleppung und die damit 
zwamgs’äufig eine« r-etene Minderung des 
Reateimkommems dis Lage der im öffent 
lichen Dienst Beschäftigten mit ih en Fa 
milien von Tag zu Tag trostloser wird. 
Sie stellen fest, daß damit der Staat 
»einer s a 1 b "t ■ >e ~ stän ri 3i ahe n Für^org^- 
pllicht gegenüber seinen Bediensteten 
nicht nach gekommen und den Arbetae- 
Ibern in der übrigen Wirtschaft nicht mit 
gutem Beispiel vorangegangen ist. 
Sie forde m: 
1. Umverzügliche Gewährung einer 
Teuerungszulage für alle aktiven 
und Ruhestandsbeamten sowie An 
gestellten in der von beiden Ge 
werkschaften geforderten Höhe, 
rückwirkend ab 1. Scpt. 1950. 
2. Sofortige Aufm^me vc« Ve hand- 
lungen mit dem Ziel der Wicderher- 
steitung der Hierarchie in der fl n- 
ges ; e gütum und Beamten- 
besoldunc auf der Boris des je 
weiligen Mindesteinkommens. 
Hans vom Hoff 
Kn dem Zeitpunkt, da die Schumanplan- 
verbandhingen in ein entscheidendes Sta 
dium getreten sind, hat der Internationale 
Bund Freier Gewerkschaften noch einmal 
grundsätzlich Stellung genommen. Im Auf 
träge des IBFG hielt Kollege Hans van 
Hoff auf der Pariser Schumanplankonic- 
lenz des IBFG, auf der auch die Saar ver 
treten war, ein Re'erat über Gewerkschaf 
ten und Schumanplan. Der 1. Teil wurde) 
in der letzten Ausgabe veröffentlicht. Der 
2. Teil der heute im Blattinnern ab ge 
druckt ist, verdient ebenfa’ls stärkste Ee- 
achtung. Hans vom Hoff ist ein Fachmann 
von anerkannt internationalem Ruf. Er 
zählt neben dem Kollegen Dr. Victor 
Agartz zu den Haupt.efe enten des DGB 
für Wirtschafts- und Sozialpolitik. 
fliiiliHlirmDimmtraiimmiimiimnrtMiminiimiiitmiiimimiitHiiiiiisninmilHiiiti 
Aus dem 1 u^aH: 
Gewerkschaften und Schumanplan 
Zur 20'blaen Renten e höhung 
Ueber 1600 Neuaufnahmen 
Arbeit und Wohlstand 
Die Leistungen der KVA 
Post aus dem Ausland 
Briefkasten 
Arbeit und Recht 
Angestellte geißeln Arbeitgeberpolitik 
Zur 20%igen Rentenerhöhung 
Klare Richtlinien für die junge Generation' 
Skandalöse Mißstände 
tiiiiiitiiiimiiimiiiiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiiHiimiimiicmiiiümiiniiitiiiimimiimmimiiiKi 
3. He'ste'k’mg der Gleichberechtigung 
im Gestalt der Mitbestimmung in so 
zialen, personellen und ta Küchel 
Fraaen in einer Form, die den dies- 
be üglicben Rechten der Arbeitneh 
mer der übrigen Wirtschaft ent 
spricht, 
4„ Scha f fum eines fortsch itt’ichrn Be 
amtenstatuts und einer rnfrp echtn- 
den Regelung für Angestellte. 
5 Sof' r ti' T e Aufhebung der driften 
u. fünften Dt* r chfüh’ ungsveroTdirung 
betreffend die jetzige Anrechnung 
des Hä teausgleichs. 
Den beiden Verbandsleitungen wi r d die 
Biachdrücktichs'e Vertretung dieser 
G’ ujndfo'denmcen eindringlichst zur 
Pflicht gemacht, da sie als unumstößliche 
Grundlage einer aufrechten und vernnt- 
woriumgsbewu ßten Gewekscha bew i- 
gung gehen müssen. 
Sollte unseren Forderungen aut unver 
zügliche Gewährung einer Teuerungszu 
lage für alte aktiven und Ruhesfandsbe- 
amten sowie Angestellten in der von uns 
geterderien Höhe bis zum 4. November 
nicht entsprochen werden, sind die bei 
den Ve-bandsleituTigem zu beauftragen, 
im Einvernehmen mit den übrig n Ver 
bänden geeignete Maßnahmen emzulei- 
ten. 
Die Anwesenden bringen zürn Aus 
druck, daß sie gewillt sind, aach das 
letzte Mittel zur 'Unterstützung ihrer ge 
rechten Forderungen einzusetzen. 
Bericht über den Verlauf der Kund 
gebung siehe Seite 2. 
Wilhelm Anschütz ist nicht mehr 
Die Zustände im öffentlichen Dienst 
Großkundgebung im Johannishof stellt dtingllche Forderungen und gibt Vollmachten
	        
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