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DIE ARBEIT"
Oktober 1950
«•
Tariivertragsrecht und Sozialpolitik im Saarland
Der heutige Stand — Was sagt die Veriassung - Wesentliche Merksätze
Im Rahmen eines Schulungskurses
für ar.gestellte Funktionäre dosierten
der Präsident der Einheitsgew srk-
schait, Heinrich Wacker, und Kollege
Franz Rieth über das Tarifv ertrag J-
recht und Schlichtungswesen. Wegen
der in Gang befindlichen Tarifver
handlungen war d ese Schulung be
sonders wichtig. Jeder Gewerkschaft
ler sollte über dieses Thema wenig
stens einigermaßen unterrichtet sein.
Deshalb wird das Wesentliche aus
dem Vortrag hier abaedruckt. (Weitere
aktuelle Schu ungsvorträge folgen.)
Den ersten Vortrag hatte Kollege Wacker
übernommen. Er vermittelte folgendes an
schauliche Bild: Auf dem Gebiete des Ar-
bePsrechts und der Sozialpolitik hat sich
die Materie im Laufe der Zeit spezialisiert.
Man muß sich, um positiv Stellung neh
men zu können, eingehend mit dem ge
samten Fragenkomplex befassen. Dies ist
unerläßlich, einmal um sachlich für die
Interessen der Schaffenden tätig sein zu
können und ferner, um der teils unsachli
chen, teils gehässigen Opposition wirk
sam zu begegnen. Ein Gewerkschafts
funktionär kann in Verhandlungen nur
dann erfolgreich bestehen, wenn er von
den Auslegungen anderer unabhängig ist.
Die sozialen Probleme ballen sich wohl
nirgends so stark zusammen wie im Saar
land mii seinem unheimlichen Verbrauch
an Arbeitskraft. Trotz der großen Bedeu
tung unserer Industrie hatte sich lange
Zeit kein wirklich modernes Arbeitsrecht
entwickelt. Auch in der Völkerbundszeit
waren die Verhältnisse noch recht unbe
friedigend. Seit Schaffung des autonomen
Saarlandes jedoch ist eine fortschrittliche
arbeitsrechtliche Gesetzgebung in Ent
wicklung begriffen und auf manchen Ge
bieten bereits verwirklicht worden. Die
jenigen, die so gerne kritisieren, soll man
einmal veranlassen, die Sozialcesetzge-
gebung cm der Saar mit der“ in den
Oststaaten zu vergleichen. Nachdem im
Saarland die 1945 angeordnete staatlich
gelenkte Lohnpolitik überwunden ist, sind
Lohn-, Sozial- und sonstige Wirt-
schaftsverhandlungen die beiden maßge
benden Kontrahenten ausschlaggebend,
nämlich die Arbeitgeber- und Arbeitneh-
merverbände, also die Gewerkschaften.
U:ck aut die Veriassung
Jetzt tritt das Tarifrecht in den Vorder
grund und damit das Schlichtungsverfah
ren sowie das Streik- und Aussperrungs
recht. Hierbei ist ein besonderer Blick auf
unsere Verfassung notwendig. Manche
schimpfen ununterbrochen auf diese Ver
fassung, ohne sie überhaupt zu kennen.
Um die für die Arbeitnehmer so überaus
wichtigen Artikel 43 bis 45 der Verfas
sung ist in der Verfassungskommission
des Parlaments von Mai 1947 bis Novem
ber 1947 erbittert gerungen worden. Heute
giii es, bei Tarifverhandlungen neben den
Leistungen der Arbeitnehmer den Arbeit
gebern unmißverständlich diese Artikel
einmal vorzuhalten und sich crut die Ver
fassung zu berufen.
Im Vordergrund der gewerkschaftlichen
Forderungen steht der Artikel 51: Eigen
tum verpflichtet aegenüber dem Volk, —
und der Artikel 52- ...im Interesse des
Volkes.
Dazu sagen wir: das heißt schließlich
Nationalisierung der Großindustrien!
In der nächsten Sitzungsperiode wird
der Landtag dieses Thema in Angriff neh
men. Die Energiewirtschaft, also Gas und
Elektrizität, wird wohl aus der Privathand
herauskommen und praktisch dem Volk
zugeführt werden. Dort, wo die Gemein
den an der Neugestaltung interessiert
sind, werden sie Mitbesitzer, andernfalls
der Staat selbst. Das bedeutet, daß nicht
mehr eine wiUkürliche Preisgestaltincj bei
Gas und Elektrizität erfolgen kann. Heute
erhalten z. B. pfälzische und französi
sche Betriebe durch Dumping von der Saar
billiger Gas als die Saarländer. Trotzdem
zahlt diese A.ktiengeseUschaft riesige Ge
winne aus, also auf Kosten der saarlän
dischen Verbraucher. Die Gewerkschaft
ist daher sehr stark daran interessiert, aut
eine solche Entwicklung Einfluß zu gewin
nen, damit die Preise auf Grund der Ge
stehungskosten berechnet werden und
nicht nach beliebigen Kalkulationsmetho
den einer Aktiengesellschaft.
Volle Mitbestimmung eilordetlich
Für die Ge werk schäften sind weiter die
Artikel 56 bis 59 sehr wichtig. In ihnen
ist einmal die absolute Koallhonsfreif e t
anerkannt, ferner das Streikrecht. Die an
erkannten Arbeitnehmer- und Arbeitge
berverbände sind gleichberechtigt. Eine
staatliche wirtschaftliche Lenkung kann
nur über die Wirtschaftsgemeinschaften
durch geführt wcrcten. Festg^sicgt ist ferner
die Schaffung der Betriebsräte. Hierbei
erstreben wir nach wie vor unter allen
Umständen an Stelle der bisherigen Be-
tnebsräteverordnung ein Eatriebsrätege- -
aetz, das dia voile Mitbestimmung der ßr-
beitsehmer garantiert. Das Betriebsräte-
gesetz muß zu einer besseren Veranke
rung der Gewerkschaften in den Betriebs
räten führen.
Die von der Gewerkschaft weiter gefor
derte Schaffung ein« Arbeitskammer ist
in jeder Beziehung berechtigt, und wir ver
langen, daß diese Kammer endlnch er
steht, wie es ja schon längst die zahlrei
chen anderen Kammern vieler Berufsstän
de gibt.
Darüber hinaus soll dann aus allen Be
rufskammern ein Landeswirtschaftsrat ge
bildet werden, der in enger Zusammenar
beit mit der Regierung seine Tätigkeit
ausübt. Dies ist eine klare Forderung der
Einheitsgewerkschaft.
Im Schlußteil dozierte Kollege Wacker
über Einzelheiten des Tarifrechts. Hierbei
betonte er: Manche unterliegen dem Irr
tum zu glauben, daß ein Betriebsrat tarit-
vertragsfähig sei. Nur die Gewerkschaf
ten sind tarifvertragsfähige Partner.
Im sozialpolitischen Ausschuß des Land
tags steht zur Zeit das BRG zur Beratung.
In Zukunft müssen sich die Funktionäre
noch stärker als bisher mit diesen Aufga
ben befassen. Auch dann, wenn sie mei
nen, daß sie sich damit irgendwie unpo
pulär machen könnten.
Einige Merksätze aus den Einzeldarle
gungen möge jeder zur Kenntnis nehmen:
Tarifverträge können nur schriftlich abge
schlossen werden. In der Regel sind es
freiwillige Vereinbarungen. Diese Verein
barungen sind gleich zu stellen mit son
stigen freiwilligen Absprachen und der
beiderseitigen Annahme von Schiedssprü
chen. Im Gegensatz dazu gibt es Ver
bindlichkeitserklärungen, die durch ein
Schiedsgericht gegen einen Partner aufge
zwungen werden können. Es kann aber
verkommen, daß die Gewerkschaft einen
Die neuen Löhne im
Kategorie l:
Ofientt. Dienst
(Koeffizient
Kategorie II:
100)
—
48,25
Fr*.
(Koeffizient
Kategorie III:
105)
50,66
Fra.
(Koeffizient
Kategorie IV:
115)
55,49
Frs.
(Koeffizient
Kategorie V:
120)
*■
57,90
Frs.
(Koeffizient
Kategorie VT:
135)
65,13
Frs.
(Koeffizient
Kategorie VH:
140)
OT
67,55
Frs.
(Koeffizient
Kategorie VIII:
155)
74,79
*
Frs.
(Koeffizient
170)
■=
82,02
Fr».
Berufs- und betriebsfibl. Zulagen, Zusehläge
und Zwtchösse (§ 8 der Anordnung über die
Kest'^etzung der Löhne für die Arbeiter im Oef-
feiitlühen Dienst) werden künftig mit 100 um-
gereehnet.
Beispiel: Arbeiter, Koeffizient 140, lOe/o Lei-
stungszulage, Lohnzone I
48.25
Grunrllohn Koeffizient 100
mal
K4
Koeffizient für Kategorie VI ,
=
67,55
Grontllohn in Kategorie VI
plus
6.75
Leistongszulage 10<>/o
(wird vom Gmndlohn bereehnet)
74,30
plus
9,50
Stinulenzulage
pl US
6,65
Stundenzulag«
90,45
Effektiver Stumlenlohii
Tarifvertrag im Frissuihaiidwerk
Nach moncteinnger mühevoller Kleinarbeit
kann der Industrieverband Groß- und Einzel
handel heute den Abschluß des Tarifverträge*
mit dem Friseurverband Saarland bekanntgeben.
Die nachfolgenden Lohnsätze beziehen sich
auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stun
den einschl. der Zuschläge von der 4t. biB 48,
Stunde. Innerhalb der Lohnione I.
Die Reduzierungen bei niederen Lohn Ionen
betragen wie folgt:
in der Lohnzone II 5 tyo
in der Lohnzon« HI 10 W»
in der Lohnzone IV 15 °/a
Mehrarbeit.
Die über 48 Stunden hlnausgehend« Arbeits
zeit ist mit dem MehrarbeitsZuschlag von 5Ü°/tj
zrr vergüten, wobei jedoch die durch da« Fertig
bedienen der Kunden und die Aufräumung des
Arbeitsplatzes bedingte Ausdehnung der Arbeits
zeit, die 20 Minuten täglich nicht Überschreiten
darf, nicht vergütet wird,
Reduzierungssätz# für Jugendliche unter 18
Jahren.
Für Jugendliche von 16 bis 17 Jahren 30 0’b
Für Jugendliche von 17 bis 18 Jahren 20 %.
Diese Regelung tritt mit Wirkung vom 1. Septem
ber 1750 in Krait.
A
Junghcnd werker
Stufe 1:
a) Gesellen Im ersten Gesellenjahr
b) Gehilfinnen mit Gesellenprüfung im ersten
Gesellenjahr und weibliche Fachkräfte ohne
Gesellenprüfung mit mindestens zwoi Faoh-
jahren nach Beeidigung der L'hrzeit lOQ^Frs.
Stufe 2:
a) Gesellen im zweiten Gesellenjahr
b) Gehilfinnen mit Gesellenprüfung im zweite»
Gesellenjahr uid weiblich« Fachkrci.'e oh _ e
Gesellenprüfung rait mindestens 3 Fach-ah-
ren nach Beendigung der Lehrzeit 3V?« Fr*.
Sfu ie 3:
a) Gesellen im drillen Gesellenjahr
b) Gehilfinnen mit Gesellenprüfung im drl^en
Gesellenjahr und weibliche Fachkräfte ohne
Schiedsspruch grundsätzlich ablehnen
muß, auch wenn sie den Schiedsrichter
angerufen hat.
Der freiwillig abgeschlossene Tan!ver
trag iS. verpflichtend gegenüber allen Mit
glieder der Vertragsparteien, aber nicht
gegenüber den nichtorganisierten Teilen.
Nur der Organisierte kann daher bei
Nichterfüllung gerichtlich klagen. Bis
vor 1935 waren Klagen übrigens nur unter
Berufung auf den Einzelarbeitsvertrag mit
Einzelvollmachten möglich. Jetzt können
die Organisationen klagen. Die allgemei
ne Verbindüchkeiiserklärung ist einerseits
von Nachteil, andererseits bringt sie Vor
teile, weil jeder Arbeitgeber an die Abma
chungen gebunden ist.
Noch folgendes ist zu beachten: Ohne
Arbeitsgerichtsbarkeit wäre das Tarifver
tragsrecht praktisch nicht durchführbar,
denn Streitigkeiten verschiedenartiger
Auslegungen unter den Kontrahenten sind
immer vorhanden und müssen daher ar-
beitsgerichtiich geklärt werden.
*
Die intensive Betrachtung des vorga-
zeichneten Themas zeigt wieder einmal,
wie umfangreich die gewerkschaftliche
Tätigkeit ist und wie wichtig und notwen
dig es ist, parteipolitische und sonstige
Störungsmomente aus einer Gewerkschaft
herauszulassen, da mehr als genug prak
tische Gewerkschaftsarbeit zu leisten ist.
(Wer an weiteren Einzelheiten Interesse
hat, wende sich an die Hauptverwaltung
der Einheitsgewerkschaft.)
Gesellenprüfung mit mindestens 4 Fachjah
ren nach Beendigung der Lehrzeit 3386 Fr*.
Stufe 4:
a) Gesellen im vierten Geeellenjahr
b) Gehilfinnen mit Geseilenprüfung im vierten
Gesellenjahr und weibliche Fachkräfte ohne
Gesellenprüfung mit mindestens 5 Fachjah
ren nach Beendigung der Lehrzeit 3 574 Frs.
B.
Ecklohnstufe:
ä) Gesellen ab fünftem Gesellenjahr, die fol
gende Arbeiten beherrschen:
1. die komplette Herrenbedienung oder
2. im Damenfach Kurz- und Langhaarfrisie
ren. Ondulieren, Wasserwellen und Dauer
wellen. Blondieren, Tönen und Färben.
b) Gehilfinnen mit Gesellenprüfung ab fünftem
Gesellenjahr, die folgende Arbeiten beherr
schen: im Damenfach Kurz- und Langhaar-
_ frisieren. Ondulieren. Wassexwellen und
Dauerwellen. Blondieren. Tönen und Färben.
c) Weibliche Fachkräfte ohne Gesellenprüfung
mit gleichen Berufsleistur.gen, jedoch mit
mindesten 6 Berufsjahren nach Beendigung
der Lehrzeit 3762 Ft*.
C.
Erst« Kräfte:
a) Gesellen und Gehiliinnen mit Gesellenprü
fung, die in allen im Friseurhandwerk vor
kommenden Fächern besondere Fertigkeiten
besitzen.
b) Weibliche Fachkräfte ohne Gesellenprüfung
mit gleichen Berulsleistungen. jedoch mii
mindestens 7 Berufsjahren nach Beendigung
der Lehrzeit.
, Die besonderen Fertigkeiten weiblicher
Arbeitskräfte sind auf alle iiu Dameniach
vorkommenden Arbeiten de» Friseurhand
werks zu erstrecken. 413* Fis.
D.
Sönderstufe:
a) Arbeitskräfte, die höchste berufliche Lei
stungen vollbringen und durch den „Friseur
verband Saarland“ unter den eisten zehn
Preisträgern eines internationalen Wettbe
werbs anerkannt sind
b) Gesellen und Gehilfinnen mit bestandener
Meisterprüfung, die zur Führung eines Be
triebes bestellt sind. 4514 Frs.
E.
Spezialfachkräit« Ihr Manikür«. Fuß- und Schön
heitspflege.
Jhre Einstufung erfolgt nach Leistung und Be-
mfskönnen im Rahmen der vorstehenden Elrt-
siufungsskala von A bis B.
Angestellte der Säge-Industrie!
In der Nummer 19. vom Iß. Oktober 1950
„Die Arbeit' 4 wurde die neue Lohntabelle
veröffentlicht. Hierzu ergeht folgende
Richtigstellung. Da es eine Selbstver
ständlichkeit ist, daß für die Angestell
ten das Existenzminimum von 16Ö55 Frs.
erreicht werden muß, beginnt die Einstu
fung ab dem Koeffizienten 13 4 - 16 073
Frs. Die Koeffizienten 100 bis 133 kom
men in Wegfall.
Mitteilung für die holzverarbeitende
Industrie
Der Iradustrieverband Holz hat nach er-
nauien Bemühungen über die Lohnver-
handlungien vom Arbeitgeberverband der
holzverarbeitenden Industrie folgende Mit
teilung bekommen: ,,Im benachbarten Ge
biet Elsaß und Lothringen stehen dte Lohn
verhandlungen für die holzverarbeitende
Industrie vor ihrem Abschluß, so daß
im Anschluß auch dte I.ohnverhandiuncen
im Saarland zu einem befriedigenden Er
gebnis geführt werden können.“
Die neue Situation un lohmkampi
(Fortsetzung)
Nach dem Warnstreik wurden tür die
einzelnen Fachgruppen innerhalb des i. V.
Nahrung und Genuß geringe Lohnerhö-
höhungen erzielt. Die neu gastei.ten For
derungen des Verbandes belaufen sich
aut eine Erhöhung von 20 o/o, die von Ar
beitgeberseite abgeiehnt wurde und nun
vor dem Schlichtungsausschuß entschie
den wird.
I. V. Verkehr und Transport. Für ehe Ar
beiter im öffentlichen Dienst wurde eine
Lohnerhöhung von 10 o/o bewilligt. Die
Verhandlungen mit dem Ziele der Erhö
hung der Angesieiltengehäiter dauern
noch an. Für die Arbeiter und Angestell
ten der Speditionsbetriebe wurde eine Er
höhung von 10 o/o festgesetzt.
Der I, V. Groß- und Einzelhandel war
gezwungen, den Schlichtungsausschuß aa-
zurufen, der am 31. 10. einen Spruch fällen
w,rd. Die Arbeitgeber hatten die Ver
handlungen abgelehnt, nachdem der I. V.
sich nicht bereiterklärte, das von der
Regierung festgesetzte Existenzminimum
zu unterschreiten.
I. V. Holz. Die Arbeitgeber der holzver
arbeitenden Industrie gaben bekannt, daß
sie zum Abschluß der Verhandlungen be
reit seien, wenn das Ergebnis der Lohn.-
verhandlungen, die zur Zeit in Elsaß-Loth
ringen geführt werden, vorläge. Demzu
folge beabsichtigen die Arbeitgeber die
Angleichung. Für den I. V. bleibt abzu
warten, wie diese Verhandlungen auslal
len. Er wird aut Grund der besonderen
Fabrikationsverhältnisse im Saarland, die
mit denen in Elsaß-Lothringen nicht ver
gleichbar sind, seine Forderungen formu
lieren.
In vereinzelten Bemeben der Beruts-
gruppe Leder und Bekleidung sind, wie
wir Bereits berichteten, Ueberbrückungs-
gefder ausgezahlt worden, ln den letzten
Verhandlungen mit der Textil- und Leder
industrie kam es zu keinem positiven Er
gebnis. Die tagende Lohnkommission be
schloß, die Verhandlungen abzubrechen
und zur schnelleren Erledigung der Forde
rungen den Schlichtungsausschuß in An
spruch zu nehmen. Für die Maßschneide
reien wird der Schiedspruch des Schlich
ters bereits am 27. 10. erwartet.
Der I. V. Fabrikarbeiter führte am Frei
tag, dem 20. 10., Verhandlungen mit dem
Fach- und Arbeitgeberverband der che
mischen Industrie, in denen seitens der
Arbeitgeber eine Lohnerhöhung von 8 Wo
angeboten wurde. Der I. V. brachte die
Forderung auf Erhöhung von 12 o,-o als Ge
genvorschlag ein. Die Verhandlungen
werden fortgesetzt.
„Meinen Seinen Petntt kein
Seweikschaftier mehr..."
Unter dieser Ueberschrift veröffentlich
ten wir in der letzten Nummer der „Ar
beit“ einen Vorfall, der sich bei der Firma
David, Sax u. Co. in Neunkirchen zutrug.
Der Vorfall hat unter der Arbeitnehmaz-
schaft, ja sogar in Unternehmerkreisen,
wegen des asozialen Verhaltens des Be
treffenden, Empörung hervorgerufen.
Wir sind heute in der Lage, über will
kürliche Maßnahmen der Betriebsleitung
gegenüber der fleißigen Belegschaft wei
tere Einzelheiten festzustellen. Während
eine andere Firma der gleichen Branche
in Neunkirchen die Löhne, infolge der ge
stiegenen Lebenshaltungskosten und der
Verordnung über den Mindeststundeniohn
erhöht hat, gehen Näherinnen bei der Fir
ma David, Sax u. Co. mit einem Stunden
lohn von 31 Frs. nach Hause. Näherinnen
mit mehr als drei Berufsjahren erhalten
52 Frs., und solche mit mehr als fünf Be
rufsjahren 56 Frs. Die Arbeitnehmer über
21 Jahre erhalten nur 11 Arbeitstage Ur
laub. Die Mehrarbeitszuschläge von 25 »o
wurden bis heute noch nicht bezahlt. Die
Nachzahlung dieses Zuschlages wurde
von dem Vertreter des Industrieverban-
des der Einheitsgewerkschaft gefordert,
woraut die Firma sofort die 40-Stunden-
woche einführte. Typisch für diesen Ar
beitgeber ist auch folgende Willkürmaß-
nahme, wonach er den Arbeitnehmern, die
sich nicht am Streik beteiligten, das ihnen
zastehende Existenzminimum zahlte und
außerdem einen Warengutschein aushän-
digle, während er den Arbeitnehmern, die
sich am Warnstreik beteiligten und das
Existenzminimum zuvor schon erhalten
hatten, nach dem Warnstreik d9n frühe
ren geringeren Lohn wieder auszahlte.
Derartige Willkürmaßnahmen sind nicht
geeignet, die Arbeitsfreudigkeit der in die
sem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer
zum Wähle des Betriebes zu steigern und
den sozialen Frieden zu gewährleisten.
Den aufbauwilligen Arbeitnehmern und
der Gewerkschaft kann es nicht zugemu
tet werden, tatenlos zuzusehen und mitzu
erleben, wie der Betrieb sich durch wei
teren Ausbau und Investierung von größe
ren Kapitalien täglich erweitert und das
nicht zuletzt aut Kosten der Einbehaltung
an Löhnen der dort Baschäftigtan. Die
Einheitsgewerkschaft fordert nach wie vor
die gerechte Einstufung und Entlohnung
aller Arbeiterinnen und Arbeiter nach den
bestehenden Geselasen, Verfügungen und
Tarifverträgen und sofortige Nachzahlung
der den Arbeitnehmern vor enthalte neu Zu
schläge.