Full text: 2.1947 (0002)

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2. Jahrgang 
November 1947 
Nummer 11 
Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter 
. beim Arbeitsminister in Paris — ' 
Auf Einladung der französischen 
Regierung war eine Delegation von 
Vertretern der Einheitsgewerkschaft 
^nd Arbeitgebern-zu Besprechungen 
л Paris im französischen Arbeits¬ 
ministerium, um über Löhne und Ge¬ 
hälter der Arbeitnehmer bzw. deren 
Eingruppierung bei dem bevor¬ 
stehenden wirtschaftlichen Anschluß 
die Vorbereitungen zu treffen. . 
Die erste Besprechung fand am 
30. Oktober 1947 im Arbeitsmini- 
sterium in Paris statt. Verhand¬ 
lungsleiter war der Direktor der 
Abteilung Arbeit im franz. Ar¬ 
beitsministerium. Behandelt wurde 
in allererster Linie die für das Saar¬ 
land vorgesehene Ortsklassen-Ein- 
teilung. Daran anschließend wurden 
noch allgemeine Fragen besprochen. 
In der Frage der Ortsklassenein¬ 
teilung, die bereits in Saarbrücken 
wiederholt zur Debatte stand, ver¬ 
traten die Vertreter der Einheits¬ 
gewerkschaft den Standpunkt, daß 
für das Saarland infolge seiner be¬ 
sonderen wirtschaftlichen Struktur 
eine ■ Einteilung . in vier Ortsklassen 
nicht möglich ist. An der Saar sind 
mit wenigen Ausnahmen die gesam¬ 
ten Werktätigen Industriearbeiter 
und nur ein kleiner Teil • der 
saarländischen Bevölkerung ist in 
der Landwirtschaft beschäftigt.. Hin¬ 
zu kommt, daß die saarländische In¬ 
dustrie auf engstem Raume zusam¬ 
mengeballt ist und bei der Bewirt¬ 
schaftung der Lebensmittel Preisun¬ 
terschiede in der Lebenshaltung des 
Saarlandes kaum festzustellen sind. 
Unterschiede treten im wesentlichen 
in der Frage der Wohnungsmieten 
auf, die in Saarbrücken und den 
übrigen Industriestädten höher, lie¬ 
gen als dies auf dem Lande der Fall 
ist. Hinzu kommt noch, daß aus den 
benachbarten Wirtschaftsgebieten, 
d. h. außerhalb des; Saarlandes ein 
großer Teil Arbeitnehmer zur Ar¬ 
beitsleistung ms Saarland kommen 
und auch dabei berücksichtigt wer¬ 
den muß, daß dies mit ein Grund 
ist, eine Ortsklasseneinteilung in vier 
Zonen nicht zur Durchführung zu 
bringen. ' 
Der Kollege Wacker wies auf alle 
diese Verhältnisse in längeren Aus¬ 
führungen hin. und stellte den An¬ 
trag, daß die Ortsklasseneinteilung 
für das Saarland sich auf zwei Orts¬ 
klassen beschränken müs^e, andern¬ 
falls innerhalb der Saarwirtschaft 
Und 'innerhalb der Arbeitnehmer- 
Schaft größte Unruhe zu befürchten 
sei. . 
Die anwesenden Arbeitgeber ver¬ 
traten ebenfalls den Standpunkt und 
brachten zum Ausdruck, daß bei 
dem Mangel an Arbeitskräften' für 
die Gesamtwirtschaft und insbeson¬ 
dere für das Baugewerbe eine Lohn¬ 
klasseneinteilung -..in der ■ von der 
französischen Regierung vorgeschla¬ 
genen Form von allergrößtem Nach¬ 
teil sein könnte. Der Vertreter der 
französischen Regierung nahm diese 
Unsere Ausführungen zur Kenntnis 
und - erklärte, - daß er ■ einen ent¬ 
sprechenden Antrag dem franzö¬ 
sischen Arbeitsminister unterbrei¬ 
ten werde. 
Eine weitere Diskussion betr. Ein¬ 
gruppierung der Arbeiter, Angestell¬ 
ten und Beamte sowie der Löhne und 
Gehälter in den verschiedensten 
Wirtschaftsgruppen fand statt. Auch 
hier brachten die Vertreter der Ein¬ 
heitsgewerkschaft zum Ausdruck, 
daß es unmöglich ist, nachdem erst 
am Tage zuvor die einzelnen Tarif¬ 
verträge in den Besitz der Arbeit¬ 
nehmervertreter gekommen sind, zu 
den Einzelfragen Stellung nehmen 
zu können. Sie betonten, daß die 
Frage' der Eingruppierung und der 
Neufestlegung der Lohne und Ge¬ 
hälter bei der in französischer Wäh¬ 
rung es in erster Linie Aufgabe der 
Vorstände der einzelnen Industrie- 
verbände ist, diese Einzel Verhand¬ 
lungen zu führen, damit Differenzen 
und Benachteiligungen vermieden 
werden. ‘ , ■ ' 
Der Kollege Weiter faßte am 
Ende der Aussprache die von uns 
abgegebenen Erklärungen zusammen 
und brachte zum Ausdruck, daß 
- a) es für den wirtschaftlichen An¬ 
schluß notwendig ist, Löhne und 
Gehälter in französischer Wäh¬ 
rung in Zukunft zur Auszahlung 
zu bringen; 
b) die Ortsklasseneinteilung für 
das Saarland sich auf zwei Orts¬ 
klassen beschränken müsse; 
c) die Eingruppierung' und' die 
endgültige Festlegung der Lohne 
und Gehälter müsse in beson¬ 
deren Verhandlungen mit den 
jeweiligen Industrieverbänden 
festgelegt werden; 
d) Verschlechterungen gegenüber 
den z. Zt. bestehenden Arbeits- 
- Vertragsverhältnissen dürfen bei 
der Neugestaltung nicht eintre- 
ten. - • 
Der letzte Punkt wurde noch be¬ 
sonders ausführlich behandelt und 
zwar dahingehend, daß soweit ein¬ 
zelne Arbeitnehmergruppen. vorhan¬ 
den sein sollten, deren Löhne', und 
Gehälter in Zukunft an Kaufkraft 
verlieren würden, unter allen Um¬ 
ständen bei der Neuregelung ein 
.Ausgleich geschaffen werden muß, 
damit' Benachteiligungen vermieden _ 
werden, - 
Wie bereits. oben zum Ausdruck 
gebracht, nahm der Vertreter der 
französischen Regierung von den 
oben angeführten Voraussetzungen 
bei der Neugestaltung der Tarifver¬ 
träge Kenntnis und gab den einzel¬ 
nen Punkten seine Zustimmung." Die 
Demokratie und Betriebsrätewahl 
* • ■ . .1 / ■ 
In der Nummer 57 der „Saarländischen Volkszeitung" vom 5. Nov. 1947 
wurde unter, obiger Überschrift ein Artikel veröffentlicht, der das wahre 
Gesicht der Spalter ln aller Deutlichkeit zeigt. Mit Lüge und Verleum¬ 
dung wurden die Funktionäre der Einheitsgewerkschaft. als Diktatoren 
und unvollkommene Funktionäre geschildert. Die Antwort auf dieses 
Pamphlet haben die Werktätigen an der Saar selbst gegeben. Schon jetzt 
ist es zu ersehen, daß die Firma Ruffing bei den Betriebsratswahlen eine 
vernichtende Niederlage erlitten hat, und daß der gesunde Menschenver¬ 
stand über Intoleranz und Dummheit den Sieg davon getragen hat. Die 
christlichen Kollegen in den Reihen der Einheitsgewerkschaft sind in 
beachtlicher Anzahl in den Betriebsräten vertreten und haben damit be¬ 
wiesen, wo „eine saubere und unvoreingenommene Gewerkschaftsarbeit" 
gegeben ist. Von seiten der Einheitsgewerkschaft wurden weder Drohun¬ 
gen noch sonstige DAF-Mittel angewandt, um die Wähler zu beeinflus¬ 
sen. Doch können wir mit Beweisen dienen, daß der Kreis um Ruffing 
zu solchen Mitteln gegriffen hat. Oder ist es nicht Tatsache, daß alte, 
ehemalige christliche Funktionäre der Einheitsgewerkschaft auf offener 
Straße mit Schlägen bedroht wurden? Und ist es etwa anwahr, daß lei¬ 
tende Persönlichkeiten: Kandidaten auf die Spalterliste stellten, die gar- 
nicht gefragt wurden? Wie dem auch sei, der Wahlkampf und die Wahlen 
selbst haben bewiesen, daß die überwältigende Mehrheit der Schaffen¬ 
den an der Saar hinter der Einheitsgewerkschaft steht. Dieser Beweis 
des demokratischen Willens soll uns mit noch größerer Aktivität erfüllen 
und unsere gewerkschaftliche Arbeit soll dokumentieren, daß wir dieses 
Vertrauen verdienen. An anderer Stelle dieser Ausgabe bringen wir in 
Auszügen einige markante Wahlergebnisse, die beweisen, daß der Schrei¬ 
berling des obengenannten Artikels in der „SVZ" nichts gelernt hat und 
wahrscheinlich sein Wissen und Können noch von der DAF mitübernom- 
men hat. 
Kollegen der einzelnen Industrie¬ 
verbände werden deshalb auf Grund, 
dieser Aussprache in den nächsten 
Tagen mit den Bruderorganisationerv 
In Elsaß-Lothringen die Verbindung 
aufnehmen, um so zu raschen und 
positiven Ergebnissen ohne Benach¬ 
teiligung ihrer eigenen Mitglieder 
die Neuregelung vornehmen zu 
können. v 
Anschließend an diese Bespre¬ 
chung fand dann noch eine besonder 
Aussprache beim französischen Ar¬ 
beitsminister, D, Meyer, statt, bei 
dem alle zur Debatte stehenden Pro¬ 
bleme nochmal zu einer grundsätz¬ 
lichen Aussprache führten. Der Ar¬ 
beitsminister sprach seine Genug¬ 
tuung über die statlgefundenen Ver¬ 
handlungen aus und betonte, daß 
es sich bei der Saar um einen rein 
wirtschaftlichen Anschluß handele 
und alles vermieden werden müsse, 
was-auch nur den Anschein eines 
politischen Anschlusses erweckt n 
könne. Ganz besonders hob er her¬ 
vor, .daß sowohl der Aufbau der 
Löhne und Gehälter' 'als auch die 
Neuregelung ' der Sozialversicherung 
keinesfalls, eine Verschlechterung mit 
sich bringen dürfe. Dort wo an der 
Saar, besonders in der Sozialver¬ 
sicherung, bessere Bedingungen vor¬ 
handen sind, sollen diese erhaten 
bleiben und wenn irgend möglich die 
Nachteile, innerhalb der franzö¬ 
sischen Gesetzgebung, angeglichen 
werden. x ; 
Im Anschluß an diese Ausführun¬ 
gen machten die Vertreter der Ein¬ 
heitsgewerkschaft auf die derzeitige 
schlechte Ernährungslage. an der 
Saar aufmerksam und betonten, daß 
es unbedingt notwendig sei, so rasch 
wie möglich hier Abhilfe zu schaf¬ 
fen. Der Arbeitsminister brachte uns 
gerade in diesem Punkte größtes 
Verständnis entgegen und gab seine 
Zusicherung, daß seinerseits alles 
getan werde, um auf schnellstem 
Wege eine Besserung herbeizufüh¬ 
ren. 
Die Vertreter d£r Einheitsgewerk¬ 
schaft hatten dann bei-der Haupt¬ 
verwaltung der französischen Ge- ! 
werkschaften (CGT) mit dem Ver¬ 
treter des Generalsekretärs Kamerad 
Jouhaux, Herrn Botherau, eine 
eingehende Aussprache" über die zu¬ 
vor stattgefundenen Verhandlungen 
im französischen Arbeitsministerium 
Ganz besonders wurde auf die vor¬ 
gesehene Zoneneintellung hingewie¬ 
sen, unter Berücksichtigung der in¬ 
dustriellen und wirtschaftlichen Ver¬ 
hältnisse an der Saar. Der Kamerad 
Bothcreau versprach uns, beim fran¬ 
zösischen Arbeitsminister nochmals 
zu intervenieren und unsere Forde¬ 
rung auf die von uns vorgeschlagene 
Zoneneinteilung zu unterstützen.
	        
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