Oktober 1947
„Die Arbeit“
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Schulz der erwerbstätigen Mütter
Nachdem Verfassung, Verord¬
nungen und Gesetze, zum Teil neu
• oder in Abänderung, unserem Saar¬
statut ein neues Gepräge geben, er¬
hielt auch das Mutterschutzgesetz
vom 17. Mai 1942 eine neue Fassung.
■ Das Gesetz gilt für alle weiblichen
Beschäftigten, die in Betrieb und
Verwaltung tätig sind. Neben Ver¬
bot der Mehrarbeit, Nacht¬
un d Fei e rt a gs arb eit sind in
diesem Gesetz auch die Stillzei-'
ten, die Zahlung der Wochen-
und Stillgelder und.die Lei¬
stungen der Krankenver¬
sicherung festgesetzt. '
- In § 2 heißt es daß werdende Müt¬
ter nicht mit Arbeiten beschäftigt.
■ werden dürfen bei denen regelmäßig
Lasten von mehr als fünf Kilogramm
Gewicht ohne mechanische Hilfsmit¬
tel von Hand gehoben oder Lasten
von mehr als acht Kilogramm Ge¬
wicht ohne mechanische Hilfsmittel
von Hand bewegt oder befördert.
... werden. Weiter heißt,es: werdende
Mütter dürfen mit Arbeiten, bei
denen sie ständig stehen müssen
nur beschäftigt werden, wenn Sitzge¬
legenheit zum kurzen Ausruhen
während der Arbeit vorhanden ist.
Maschinen mit reinem Fußantrieb
dürfen von ihnen nicht betätigt wer-
*’ den. Auch dürfen sie über drei
.Monate der Schwangerschaft hinaus
bei Beförderungsmitteln des öffent-
. liehen Verkehrs und der gewerb¬
lichen Betriebe keine Beschäftigung
finden. .
Zum Beschäftigungsver-
\ bo.t ist gesagt (§ 3). daß Wöchne-
- rinnen bis zum Ablauf von 6 Wochen
( nach der Niederkunft nicht beschäf¬
tigt werden. Sie dürfen nach der
Niederkunft erst dann die Arbeit
... wieäfer aufnehmen, wenn der Nach¬
weis, z. B. durch Geburtsurkunde er¬
bracht ist, daß die festgesetzte Frist
abgelaufen ist.
Der § 4 legt das Verbot der
Mehrarbeit,. Nacht- Und
F,ei er t.agsa rbe.it fest. Allge¬
mein dürfen sie Arbeiten in dieser
Art nicht verrichten. Ausnahmen
können durch das Mitglied der-Ver-
waltungskommission ‘des Saarlandes
für Arbeit und Wohlfahrt dann ge¬
stattet werden, • wenn Mütter
Kinder Unter 14 Jahren zu betreuen
haben. In Betrieben mit Wechsel-
Schichten dürfen abweichend vom
Mutterschutzgesetz werdende und
stillende Mütter im wöchentlichen
Wechsel nur bis 23.00 Uhr beschäf¬
tigt werden. . < - - •
Stillenden Müttern {§ 5) ist auf ihr
Verlangen die zum Stillen erforder¬
liche Zeit freizugeben. Die1 Stillzeit
soll bei einer zusammenhängenden
Arbeitszeit von mehr als viereinhalb
Stunden 45 Minuten betragen; "bei
einer zusammenhängenden Arbeits¬
zeit von acht und mehr Stunden ist
auf Verlangen der stillenden Mutter
zweimal eine Stillzeit , von je 45
Minuten zu gewähren. Es ist auch
noch gesagt, daß Mütter • auf . Ver¬
langen nur dort an Arbeitsplätzen
Beschäftigung finden, die in der Nähe
ihrer Wohnung liegen, eine ver¬
kehrsgünstige Lage haben, oder bei
denen , ein Stillen in ihrer Wohnung
durch . längere Unterbrechung der
Arbeit möglich ist.
Frauen, die in der gesetz¬
lichen Krankenversiche¬
rung versichert sind, erhalten wäh¬
rend der letzten sechs Wochen vor
und während .der ersten sechs
Wochen, nach der Niederkunft ein
Wochengeld in Hohe des Durch¬
schnittsverdienstes der letzten 13
Wochen, jedoch mindestens SM'2.—
täglich. Stillende Mütter erhalten
das Wochengeld nach der Nieder¬
kunft für aciit Wochen, nach Früh¬
geburt bis zu 12 Wochen. Neben dem
Wochengeld ist der' stillenden Mutter,
\3ie in der gesetzlichen Krankenver¬
sicherung versichert ifct, ein Stillgeld
von SM 0.50 täglich,, bis zum Ablauf
der 26, Woche nach der Niederkunft,
zu zahlen.. Alle übrigen Leistungen
der gesetzlichen Krankenversiche¬
rung werden nebenbei weiter ge¬
währt. - * " \ -
Werdende Mütter und Wöchner-”
innen, die offene Verkaufs--
fft e 11 e n selbständig führen und
kein Verkaufspersonal beschäftigen,
sind abweichend von der Verordnung
über den Ladenschluß berechtigt, ihr
Geschäft in den letzten Wochen und
während den ersten 12 Wochen nach
der Niederkunft geschlossen zu hal¬
ten. Die örtliche Polizeibehörde ist
davon in Kenntnis zu setzen.
Heimarbeiterinnen dürfen'
Heimarbeit’ nur in solchem Umfang
und nur mit solchen Fertigungs¬
fristen annehmen, wie sie voraus¬
sichtlich während einer achtstün¬
digen Arbeitszeit an 'Werktagen aus¬
geführt werden kann ... . v
Arbeitgeber, die vorsätzlich oder
fahrlässig einer Vorschrift dieses
Gesetzes zuwiderhandeln,, werden
mit Geldstrafe bis zu SM 150.— oder
mit Haft bestraft.”. In besonders
schweren Fällen ist die Strafe'Ge-
. fängnis und Geldstrafe''oder eine die¬
ser Strafen.
Zum Schutz der werdenden und
stillenden Mutter und zum Schutz
und Wohle des Nachwuchses ist
dieses Gesetz von besonderer Bedeu¬
tung. , ' ;
Die Einheitsgewerkschaft als die
Verfechterin der Interessen der Ar¬
beitnehmer ist sieb der Wichtigkeit
dieser Verordnung voll und .ganz be¬
wußt tind wird ihrer Durchführung
. die gebührende Beachtung schenken.
— Wb —
Frauen im Bahndienst
Die Einsatzmöglichkeit der Frauen
im Betriebsleben ist wohl selten so
groß wie bei <Jer Eisenbahn. Gerade
hier ist in der Frauenfrage sehr viel
Arbeit zu leisten. Es gilt, für die
Sorgen und Nöte der berufstätigen
weiblichen Bediensteten Rät und
Hilfe zu finden, damit sie trotz der
Schwere ihres Dienstes bei der heu¬
tigem häuslichen Belastung, frei in
die Zukunft blicken und' tatkräftig
am Wiederaufbau mithelfen können.
Wir wissen, daß sie zum größten
Teil die Stützen ihrer Familien dar¬
stellen, und außerdem in vorwie¬
gendem Maße durch den Verlust des
Ehemannes oder Sohnes ihren Le¬
bensunterhalt selbst verdienen müs¬
sen.
Viele der bisher im Büro-, ,bzw.
im Innendienst beschäftigt gewese¬
nen Frauen haben ihr Arbeitsgebiet
Fleißige Hände an surrenden Maschinen
Ein Besuch in der Kleiderfabrik der Firma R. & A. Becker ^
Eines ■ der größten Unternehmun-
gen.- der Bekleidungsindustrie im
• Saarland ist die Firma R. u. A. Bek-
ker -in Saarbrücken, Herren- und
Damenwä'sche, Damen-, Kinder- und
Berufskleidung werden hier .schon
seit der Jahrhundertwende herge-
stellt. '
Im Jahre 1943 wurde der Betrieb
zum Teil nach Elvefsberg und Wie¬
belskirchen verlagert ünd durch'
Kriegseinwirkungen im letzten
Kriegsjahr teilweise zerstört. Heute
ist' dank der einsatzfreüdigen Mit¬
hilfe aller Belegschaftsmitglieder
der Wiederaufbau soweit gediehen,
das bereits, Mitte Juli dieses Jahres
in einigen Etagen das Hauptgebäudes
die Fabrikation wieder aufgenom¬
men werden konnte. Mit Unterstüt-
, zurig der Militär-Regierung wurden
Stoffe aus der .französischen und
amerikanischen Zone geliefert. Zur
Bearbeitung standen 250. Maschinen
, zur Verfügung und die Produktion
konnte beginnen. -, Es handelt sich
bei allen Arbeitskräften in der Be-
, kleidungsindustrie größtenteils um
weibliche Belegschaften. ■ Die Firma
R.v.u, A.'Becker beschäftigt .etwa,
vierhundert Frauen. Ihnen gilt' un¬
sere besondere Aufrcierksamkeit. .
Im unteren Stockwerk des Hauses
befinden sich einige Büroräume.
. In der 1. Etage, die noch nicht ganz
fertiggestellt- ist, wird eine Lehr-w
vW e r k s t a 11 eingerichtet.’ Während
einer zweijährigen Lehrzeit sollen
hier Anlernlinge ohne Vorkenntnisse
ausgebildet • werden. Zu diesem
Zweck stehen 25 Maschinen zur Ver¬
fügung, außerdem eine Lernzu-
SQhneiderei und Bügelplätze,
Wir betreten von hier aus die eigent¬
lichen Fabrikräume. Ein gro¬
ßer, weiter,* luftiger, sonniger Raum
nimmt • uns auf* Es riecht nach
neuen Stoffen und das leise -mono-
tone Surren der elektrischen- Ma¬
schinen erfüllt die Luit. In langen
Reihen sitzen vor Tischen und Ma¬
schinen junge, frische und sympa¬
thische Madels und Frauen im Alter
von 19 bis 34 Jahren. Die Arbeit ge¬
stattet Unterhaltung und Singen.
Ein Lied klingt uns entgegen. Es
sind nicht nur der hübsche Raum,
der gepflegte Boden; die hellen
- Wände und blitzenden Fensterschei¬
ben, die netten einheitlichen Kittel¬
schürzen, die die Arbeiterinnen tra¬
gen und dem Bild ein ausgesprochen
harmonisches Gepräge geben, son¬
dern es sind vor allem die Menschen;
die hier Hand in Hand arbeiten und
uns diesen Eindruck vermitteln.
Keine eleganten Modellkleider, wer¬
den fabriziert, sondern blaue Ar¬
beit s a n 1 ü ge,’ ‘ z w' e ckmäßige'
"Berufs- und Gebrauchsklei¬
dun g u ri d Schürzen verlassen
täglich die Fabrikräume. Interessiert
verfolgen wir den Gang , der Fabri¬
kation vom Stoffballen bis zum fer¬
tigen Kleid. Jedes Stück ist ein-
ErzeueniS' besten,', handwerklichen
Könnens." .. .. . :
Die nächste Etage bietet den glei-«
chen Anblick.' Auch hier arbeiten
fleissige Frauenhände aus dicken,
. unförmigen Stoffballen sehr hübsche
Bekleidungsgegenstände.
In der obersten Etage über¬
rascht uns ein sauber eingerichteter
Küchen ra um, in dem rührige
Fraüenhände tätig sind und für das
leibliche WoM aller Arbeitnehmer
»sorgen. Ein Frühstücksraum, den wir
von hier aus überblicken können,
lädt mit seinen hell gescheuerten
Tischen und Bänken zur behaglichen
Mittagspause ein., - ■’ ,
Ein weiterer Raum in dieser Etage
dient als K r a n k e n s t u b e, in dem
z, Zt. noch einige Handwerker zu
tun haben. Nach der baldigen Fertig¬
stellung, wird hier ein Betriebsarzt
wieder seinen Einzug halten. Monat¬
lich sind fjar jeden Beschäftigten
zwei ', Untersuchungen vorgesehen,
denn der Gesundheitszustand der
Arbeiterschaft muß in einem derar¬
tigen Betrieb .besonders überwacht
werden. .
Die G a r d e r o be, Wasch-und
Toiletten räume wurden vor.
kurzem ,zum Teil ■ wiederhergestellt.
Die Betriebsleitung rechnet/damit,
daß in den nächsten vier Wochen
alle Arbeiten beendigt werden kön¬
nen. Voll innerer Befriedigung ver¬
blassen wir diese Stätte friedlichen .
Wirkens. Wir nehmen die Gewi߬
heit mit, daß die Betriebsleitung an
Verbindung mit der Einheitsgpwerk-
, s.chaft Großes zum Wohle ihrer Be¬
schäftigten noch leisten kann, wenn .
Arbeitgeber, und. Arbeitnehmer eine
vorbildliche Arbeitsgemeinschaft bil¬
den , > F. H.
in die 'Bahnmeistereien, Betriebs¬
werke und Betriebswagenwerke ver-’
legt. Teilweise sind Arbeiten zu ver¬
richten, die ‘ den. eigentlichen Auf¬
gaben ddr Frauen nicht entsprechen.
Ungeheure Anforderungen stellt der
Wiederaufbau an uns alle, und -die
Frau. J'm Eisenbahndienst hat und
wird sich nicht aussehlreßen* Für
alle gilt nur eine Parole und" die
heißt „zupacken".
• Gerade in der jetzigen Zeit soll
auch die Frau in der Gewerk¬
schaftsarbeit" eine führende
Stellung einnehmen, denn -sie weiß
den Wert der Gewerkschaft und der
daraus für sie entstehenden Pflich- .
ten- und Rechte wohl zu schätzen.
So,-wie es bei den einzelnen Dienst¬
stellen der Eisenbahn Betriebsräte
gibt, die vorwiegend aus männlichen
Bediensteten bestehen, können auch
am 26. November 1947 bei den Be¬
triebsrätewahlen. : werbliche Bedien¬
stete in 'diesen Betriebsrat gewählt
werden. Sind bei einer Dienststelle
mehrere Frauen beschäftigt, so1 ist
es ratsam, wenigstens eine Betriebs¬
rätin zu wählen, damit auch die In¬
teressen der Frau gewahrt bleiben.'
_ Sie ist es, die für. die Abstellung
vorhandener Mängel, die Frauenar¬
beit betreffend, sorgen kann. In
Zweifelsfällen wird sie den soforti¬
gen Kontakt mit unserer Verbands-
leitu'ng herslellen und als Verfech¬
terin aller Interessen der weiblichen
Bediensteten das. Recht -der
F^rau im Eisenbahnbetrieb
erwirken. . • ' * . ■
.' Es ist besonders eine falsche An¬
nahme, daß sich die Eisenbahnerin-
nen in gewerkschaftlicher Hinsicht
im'Hintergrund halten, gerade' sie
nehmen an dieser Arbeit regen An¬
teil, da ja durch die Größe der Saar¬
bahn und die vielfachen Einsatzmög¬
lichkeiten. ein großes Betätigungs¬
feld für Gewerkschaftsarbeiten ge-.
geben ist. - > _ - . »
Die Frauen im Dienst unserer
Saarländischen Eisenbahnen haben
den festen Willen zum Aufbau, der
noch gestärkt wird durch die Anteil¬
nahme am gewerkschaftlichen Le¬
ben. -W-
Herausgeber. Haupiverwalt der ESnnelta-
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