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2. Jahrgang
Oktober 1947
Nummer 10
Da der vom Saarvolk gewählte
Landtag in Kürze unserem Lande
seine Verfassung geben wird, soll
an dieser Stelle unsere. Aufmerk¬
samkeit auf die in dem vorliegenden.
Verfassungsc'htwurf. enthaltenen Be¬
stimmungen über die wirtschaftliche
Gestaltung unserer Zukunft gelenkt
werden.
Eine Verfassung enthält als
Grundgesetz, — als Grundstein jeg¬
licher staatlicher und gesellschaft¬
licher Ordnung nicht nur Bestim¬
mungen. über den Aufbau und die
Organisation des Staates, sondern
daneben auch solche über seine
wirtschaftliche Ordnung.
Der vorliegende Verfassungsent¬
wurf enthält im 5. Abschnitt des
ersten Hauptteils in den Artikeln
43 und 58 jene Richtlinien, in deren
Rahmen sich die zukünftige wirt¬
schaftliche Gestalt unserer Saar¬
heimat entwickeln wird. Uns Ge¬
werkschaftler interessiert dabei
ganz besonders jene Frage, ob die
von uns erstrebte Wirtschaftsdemo¬
kratie in diesem Entwurf ihre Ver¬
wirklichung findet.
Was heißt Wirtschaftsdemokratie,
was heißt überhaupt Demokratie?
Demokratie bedeutet Herrschaft des
Volkes im Staate. Wirtschaftsdemo¬
kratie heißt Unterordnung des wirt-;
schaftlichen Lebens unter den Wil¬
len des Volkes, mit anderen'Worten
Mitbestimmungsrecht des schaffen¬
den Volkes im gesamten- Wirt¬
schaftsleben. . '
Die entscheidenden Bestimmungen'
für die Verwirklichung der demo¬
kratischen Wirtschaftsordnung fin¬
den wir in den Artikeln 52 und 57.
In Artikel 52 heißt es, daß alle Un¬
ternehmungen ’ der Schlüsselindu¬
strien (Bergbau, Energiewirtschaft,
Verkehrs- und Transportwesen) in
Gemeineigentum überführt werden
müssen. Sehr zu unserem Bedauern
hat man jedoch die Schwerindustrie
von dieser Maßnahme ausgenom¬
men. Ferner sheißt es im gleichen
Artikel, daß alle- diejenigen wirt¬
schaftlichen Großunternehmungen,
die1 in ihrer Wirtschaftspolitik, ihrer
■ Wirtschaftsführung ünd ihren Wirt-,
schaftserfolgen den Frieden gefähr¬
den, ebenfalls durch Gesetz in Ge¬
meineigentum überführt werden
können. , ' - :
Der Verfassungsentwurf versteht
unter Gemeineigentum jedoch nicht
Verstaatlichung, das Ziel sind nicht
bürokratische Regiebetriebe, son¬
dern eine privatwirtschaftliche oder
gemein wirtschaftliche •> Unterneh¬
mungsform, . etwa' -eine Genossen¬
schaft, unter weitgehendster Betei¬
ligung der in diesen Betrieben
schaffenden Menschen sowie der
Gemeinden oder sonstiger kommu¬
naler Zweckvereinigungen mit dem
Ziel eine übermässige “Zusammen¬
ballung wirtschaftlicher Macht ln liehe Mitbestimmungsrecht seine in denen das Privateigentum, die
einer Hand zu verhindern. Durch - verfassungsmäßige . Grundlage. Was Vertragsfreiheit und die Gewerbe-
diese Beseitigung des Privateigen- die bereits erlassene Betriebsräte- freiheit garantiert werden. An die-
tums in den Schlüsselindustrien ist Verordnung .ermöglicht, wird hier ser Stelle findet ebenfalls das ge-
der Weg freigemacht für eine demo- noch einmal garantiert. 'samte Arbeitsrecht eine verfassungs-
kratische Entwicklung unseres ge- Darüber hinaus enthält der 5. Ab- mäßige Grundlage, desgleichen in
samten' Wirtschaftslebens. schnitt, der „Wirtschafts- und So- Artikel 55, das alle Gewerkschaftler
Der Gedanke der Wirtsehaftsde- zialordnung" betitelt ist, alle jene angehende Recht der Koalitionsirei-
mokratie findet in reinster Form je- Bestimmungen, nach denen sich das heit und vor allem das 'Streikrecht,
doch erst in Artikel 57 seinen Nie- Wirtschaftsleben innerhalb der oben Auf diese Einzelfragen einzugehen
derschlag, der vorsieht, daß unter aüfgeführten demokratischen. Ord- soll jedoch Gegenstand späterer Ab-
- Beteiligung der . Arbeitnehmerver- nung zu entwickeln • und zu betäti- handlungen sein,
einigungen in Verbindung mit den gen. hat. Grundlegend Ist hier Ar- Unser aller brennendster Wunsch
Arbeitgebern Wirtschafts-Gemein- tikel 43, der sagt, daß die Wirtschaft ist es, daß der im Verfassungsent-
schaften auf der Grundlage der die Aufgabe hat, dem Volke und der würf angebahnte Weg zur wahren
Gleichberechtigung zu schaffen sind, Befriedigung seines Bedarfes zu die- ’Wirtschaftsdemokratie führen und
die die Aufgabe haben, die gesamte nen. In diesem Rahrfien halten sich ein Markstein in eine bessere Zu-
ßtaatlicheWirtschaftslenkung durch- eine Zahl weiterer Bestimmungen,' kupft werden möge. F.W.R.
zuführen. Hier ist der Arbeitneh- ' -
merschaft die Gelegenheit gegeben, - ■ » ■ • > A a ■
trss'Ä'St-' Alischied von Colonel Bintisch
in Artikel 57 liegt der Standpunkt . *
der neuen demokratischen Wirt- . Mit dem Ende des Monats Septem- werkschaftler stets volles Verständ-
ßchaftsordnung, ‘ der dem schaffen- ber schied der Chef der Abteilung nis für die Nöte und ' Sorgen -der
den Menschen das Mitbestimmungs- Wirtschaft bei der Militärregierung, schaffenden Menschen an der Saar
recht in der gesamten Wirtschaft Colonel Pierre Bindschedler, aus der- gehabt und uns jede Unterstützung
sichert. Diese Wirtschaftsgemein- selben aus, um das Unternehmen sei-. zuteil werden lassen,
schäften sind ausersehen, die Inter- -nes Vaters in Frankreich zu über¬
essen ihres Wirtschaftszweiges in nehmen. '
der. .Gesamtwirtschaft wahrzuneh- Für die Gewerkschafts- und Ge¬
men und müssen von der künftigen . nossenschaftsbewegung des Saarlan-
Regierung in allen bedeutungsvollen des bedeutet das Weggehen von Co-
Fragen wirtschaftlicher und sozialer lonel Bindschedler einen kaum er-
Art gehört werden. setzbaren Verlust, » *. ’ ,. . , . . c
Aufgabe der Gewerkschaften wird' Über 2l/s Jahre hatten wir Gele- r^)^,1Grv’e1^rf;tü^en- ^uf^ebaut,
es sein, innerhalb dieser Wirtschafts- genhedt, mit Colonel Bindschedler die der erste s<:.hr^
gemeinschaften mit ihrer ganzen zusammenzuarbeiten. Diese Zusam- ^ffrcder saari?ü^iT
Kraft dem entscheidenden Einfluß menarbeit war nicht nur eine erfolg- scn, wiriscnait sma.
der schaffenden Menschen.im Wirt- reiche, sondern eine wirklich herz- Mit ganz besonderer Aufmerksam¬
schaftsleben zur Geltung zu verhel- liehe. Als . engster Mitarbeiter des keit verfolgte er den Wiederaufbau
fen. Gouverneurs des Saarlandes hat der Genossenschaftsbewegung an der
So wie der Einfluß der Arbeitnehr * Herr Bindschedler hervorragenden Saar.r Konsequent vertrat er den
merschaft auf die Gesamtwirtschaft Anteil am Neuaufbau der saarländi- Standpunkt, daß die von 'den Nazis
in Artikel 57 garantiert ist, findet sehen Wirtschaft. Darüber hinaus gestohlenen. Vermögenswerte den
an gleicher Stelle das innerbetrieb- aber hat er gerade für uns als Ge- Genossenschaften wieder zugeführt
• • ■ •_werder* müss'en, Er war fest davon
Aus eigener Überzeugung vertrat
er den1 Standpunkt, daß der schaf-'.
fende Mensch, in der neuen Wirt¬
schaft als Gleichberechtigter ' uncl
Mitbestirpmender behandelt werden
muß. In diesem Sinne hat er auch
Wahlsieg der Einheit
Am Mittwoch, dem 15. Oktober, wurde kein einziges Mitglied der
fanden die ersten Betriebsratswahlen „Christlichen Aktion“ in den Be¬
des Industrieverbandes Verkehr triebsrat gewählt, t
und Transport statt. Bei einer Die Arbeiter, Angestellten und
98°/oigen Wahlbeteiligung entschie- Beamten des Industrie - Verbandes
den sich die. Belegschaften der Verkehr und Transport haben mit
Straßenbahnen im Saar-' dieser Wahl bewiesen, daß sie kei-
land für die Einheitsgewerkschaft.' nesfalls gewillt sind, die Uneinigkeit
Nur auf Grund der bisher geleisteten innerhalb ihrer eigenen Reihen her-
Arbeit der Einheitsgewerkschaft in vorzurufen. Nur eine geschlossen or-
Verbindung mit den ehemaligen Be- ganisicrte Arbeitnehmerschaft in der
triebsausschüssen bekannten sich die Einheitsgewerkschaft wird den
Straßenbahner fast geschlossen zur Kampf gegen Reaktion und Ausbeu-
Einheit. . tung zu einem erfolgreichen Ende
Von 1540 Belegschaftsmitgliedern führen können,
entschieden sich nur 156 für die Darum so|, d„ VVahIspruch ацег
„Christliche Aktion , Wähler bei den kommenden Bc-
Von den insgesamt zu wählenden triebsratswshIen a„ „¡„seinen In-
Betnebsratsmitglicdem 24 Arbeiter dustricvcrbände Iauten.
und 5 Angestellte) konnte die Spal- ж . PJ
terliste nur 2 Arbeitervertreter für ^ » .«Wählt die Liste der Einheits-
sich gewinnen, Bel den Angestellten ' ". gewerkschaft“, * * .
überzeugt, daß' dieselben ein^ ent¬
scheidender Faktor bei der Preisge¬
staltung auf dem saarländischen
Markt sind und damit eine bessere
Lebenshaltung, der Arbeitnehmer¬
schaft herbeigeführt würde.
Für .Colonel Bindschedler war der
Schaffende Mensch hiit die wert¬
vollste Kraft im'Wirtschaftsprozeß.
Aus diesem Grunde vertrat er stets
den Standpunkt, daß die Arbeitneh¬
mer eine gesicherte Existenz inner¬
halb der Wirtschaft haben müssen,
weil bloß dadurch eine glückliche
Zusammenarbeit und gegenseitiges
Vertrauen als . erste Voraussetzung
für' einen erfolgreichen Neuaufbau
der Wirtschaft gegeben , ist. ■
Bei der schlichten Äbschiedsfeier,
die' Im Johannishof in Saarbrücken
stattfand, führte er aus, daß das von
ihm begonnene zweite Werk der*
Weiterentwicklung und der Neuauf¬
bau der Handelskammer in dem
Sinne erfolgen müsse, daß Arbeit-'
geber und Arbeitnehmer gleicbbe*