September 1947
JDie Arbeit'*
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in der Gewerkschaft
Frauenlöhne
Mit Verwunderung muß festge¬
stellt werden, daß selbst fortschritt¬
liche und sozialdenkende Menschen
die unterschiedliche Entlohnung von
Männern und Frauen als selbstver¬
ständlich hinnehmen. Es mag wohl
richtig sein, daß der Mann bei
schwerer Arbeitsleistung, die seinen
Körperkräften entspricht, besser ent¬
lohnt werden muß. Aber diese Vor¬
aussetzung entfällt, wenn die Frau
die gleiche Arbeit an der Maschine
oder im Büro leistet. Es gibt heute
Arbeiten an den Maschinen, die von
geschickten Frauenhänden besser
auSgeführt werden, als von Männern.
Die falsche Auffassung von der
Frauenarbeit und ihrer Entlohnung
gereicht dem Unternehmertum zum
Vorteil und verschafft ihm Sonder¬
profite, Betrachten wir die Frauen¬
lohne wie sie augenblicklich gezahlt
werden, dann stellen wir fest, daß
sie in den seltensten Fällen den Le¬
bensunterhalt der Verdienenden
deckt. Um ihre Arbeitskraft aber zu
erhalten, braucht die so entlohnte
Frau ein 1 zusätzliches Einkommen.
Das ist bei der verheirateten Frau
das Einkommen ihres Mannes, bei
■'der unverheirateten das Elinkommen
des Vaters oder der Geschwister.
Durch den Krieg und 'seine Aus¬
wirkungen stehen viele Frauen allein
im Leben. Sie können mit den augen¬
blicklich gezahlten Löhnen und Ge¬
hältern kaum ihr Leben fristen und
sind gezwungen, Mittel zu ergreifen,
die außerhalb von Recht und Sitte
liegen, im Schwarzhandel und in der
Prostitution. Die niedrigen Frauen¬
löhne hemmen vor allen Dingen die
Aufwärtsentwickelung unserer In¬
dustrie und damit des Wiederauf¬
baues. Zahllose Werke im Saarge¬
biet klagen über Mangel an Arbeits¬
kräften. Dieser Mangel an Arbeits¬
kräften kann nur durch die Ein¬
fügung weiblicher Arbeitskräfte in
den Produktionsprozeß behoben wer¬
den. Schon viel Ist in. dieser Hinsicht
versäumt worden, denn in zwei Jah¬
ren wäre es schon möglich gewesen,
weibliche Fachkräfte heranzubjlden.
Der Grund, daß sich nicht genügend
Kräfte zur Verfügung stellen, liegt
in den schlechten Lohnbedingungen
für weibliche Arbeiterinnen. Hier
wird die Minderbewertung der weib¬
lichen Arbeitskraft eine Hemmung
für den Aufbau, die durch keine
Zwangsmaßnahme ersetzt werden
kann.
Daher ist die Forderung „Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“ eine be¬
rechtigte Forderung nicht nur im
Interesse der gesamten Wirtschaft.
Durch die Verbesserung der Lohn-
und Abeitsbedingungen würden die
Voraussetzungen geschaffen, aufbau¬
willige Arbeitskräfte unserer Indu¬
strie nmd unserer Landwirtschaft
zuzuführen, um damit den überall
fühlbaren Mangel an männlichen Ar¬
beitskräften wirksam zu begegnen.
■J. M,
Ein neues Leben beginnt
Quersdmifte durch die saarländische Wirtschaft
(Fortsetzung)
Die Grube Griesborn mit
Elm beschäftigt 2200 Arbeiter und
weist jetzt eine Tagesförderung von
1800 t auf. Die Grube ist am wei¬
testen in der Elektrifizierung fort¬
geschritten.
Die Grube Viktoria war
durch die Kriegshandlungen den
schwersten Beschädigungen ausge¬
setzt, besonders die Tagesanlagen
und Bürogebäude boten einen trost-'
losen Anblick." Die Eisenbahnlinie
war derart mitgenommen, daß bis
heute noch keine Verladung auf
Viktoria erfolgt, sondern ■ durch
Stollenförderung die Förderung nach
Luisenthal geleitet werden muß.
' Trotzdem die Grube Velsen
zweimal im Niemandsland gelegen
war, kam sie ohne große Schäden
davon und beschäftigt heute wieder
3000 Mann.
Das - R ö c^h 1 i ng’s eh e Stahl-
und Eisenwerk ist das größte
und .wichtigste Werk der eisener¬
zeugenden Industrie im Saarland.
Von Fliegerangriffen wurde das
Werk weniger betroffen, aber durch
Granatbeschuß waren einige Schä¬
den zu verzeichnen. Als die Ameri¬
kaner eänmarschierten, war eine Not¬
belegschaft von 900 Mann vorhan¬
den, die das Werk unterhielten.
Nach einem halben Jahr Ausbesse¬
rungsarbeiten waren die Schäden
behoben und am 2. Dezember 1915
konnte ein Hochofen mit einer Pro¬
duktion von ungefähr 10 000 t ange¬
blasen werden. Das Walzwerk wurde
in Tätigkeit gesetzt und produziert
heute Träger, Schienen, Draht,
Flacheisen für Brückenbau und Ei¬
senbahnen. Im Dezember 1946 war
die Produktion auf 23 000 t gestie¬
gen, dann kam der 3. Hochofen in
Gang, sodaß jetzt 33 000 t erreicht
werden.
Mit . den Hauptanlagen liefen au¬
tomatisch auch die Nebenanlagen,
wie Thomasmühle,, Benzol- und
Teeranlagen an, sowie die Kalk¬
werke. Außer Stahl und Eisen wer¬
den ötwa 6000 t Zement und 500 t
Thomasmehl erzeugt. Eine Back¬
steinfabrik liefert Backsteine unter
Verwendung des' Schlackensandes,
Die . Waggonfabrik reparierte bis
heute 173 Eisenbahnwagen. Die Be¬
legschaftszahl ist wieder auf 7340
Arbeiter und 800 Angestellte ange¬
stiegen, von denen 5500 im Industrie-
Verband Metall organisiert sind. Es
ist vorgesehen noch einen Martin¬
ofen und einen Hochofen in Betrieb
zu nehmen. Zwei Elektroofen sind
in Betrieb. Die Edelstahlproduktion
ist minimal, weil drei Öfen ftoch
außer Betrieb sind. Die Beleg¬
schaftszahl soll auf 10 000 gebracht
werden, doch fehlt es vorläufig an
Arbeitskräften.' Das Werk besitzt
eine eigene. Lehrwerkstätte mit ei¬
genem Lehrpersonal und eine Fort¬
bildungsschule für 200 Lehrlinge.
Die betrieblichen Einrichtungen
' sind in gutem Zustand, dagegen läßt
die Heranbringung der ■ Arbeiter an
die Arbeitsstelle zu wünschen übrig,
zumal durch die schlechten Trans¬
portmöglichkeiten Tausende von Ar¬
beitsstunden verloren gehen.
Einen wichtigen Beitrag zum Wie¬
deraufbau unserer Heimat liefert die
Werkzeug - und Maschinen¬
fabrik Kreis in Völklingen, die
124 Mann beschäftigt. Nach anfäng¬
lichen Reparaturarbeiten an Haus-
halUmgsgegenständcn wurde bereits
im Herbst 1945 mit der Anfertigung
von Ersatzteilen für Autos und land¬
wirtschaftliche Maschinen begonnen,
die oft schwierige Anforderungen
an Belegschaft und Betriebsleiter
stellten. Später wurden für den Bau
der Rheinbrücken Bohrschablonen
geliefert und seit einem halben
Jahre bezieht die Eisenbahndirek¬
tion monatl. 4000 Stück Stehbolzen.
Der Werkzeug- und Vorrichtungs¬
bau ist in der Hauptsache mit der
Anfertigung von Presswerk zeugen
-■für den Export, sowie mit Schnitt-,
Stanz- und Preßwerkzeugen für den
Bedarf des Saarlands und der fran¬
zösischen Zone beschäftigt. In naher
Zukunft soll die Präzisionsfertigung
von kleineren Werkzeugen, die der
saarländischen Industrie fehlen, auf¬
genommen werden.
Die Saardrahtwerke \ in
Aus den französischen Gewerkschaften
1895 vollzog Sich auf dem Kon¬
greß in Limoges der Zusammen¬
schluß aller Arbeitsbörsen der Indu¬
strieverbände und des nationalen
Gewerkschaftsbundes zum Allge¬
meinen Gewerkschaftsbund, dem
CGT. Die Arbeitbörsen waren von
den Behörden gegründet mit dem
Ziele der gegenseitigen Hilfeleistung,
der Arbeitsvermittlung, zur. Errich¬
tung von Fortbildungskursen, -Er¬
richtung von Arbeiterbüchereien
uiw. Diese Torsen wurden Schulen
der Solidarität, bis sie schließlich im
CGT. aufgingen, der ihre Funktio¬
nen übernahm.
Der Kampf Charakterr des CGT war
in seinen Satzungen von Anfang an
dargelegt. .Es heißt darin: „Es ist
eine Illusion der Arbeiter, von den
Regierungen zu erwarten, daß sie
' ihre Gleichstellung» verwirklichen,
denn die Verbesserung -unserer
Lage steht im umgekehrten Ver¬
hältnis zur jeweiligen Macht der
■Regierung. „Die Einheit und poli¬
tische Neutralität liegt darin betont:
„Der CGT. umfaßt außerhalb jeder ■
politischen Auffassung alle Arbei¬
ter, die sich des Kampfes zur Besei¬
tigung des Lohnwesens und des
Patronats (Unemehmertums) be¬
wußt ■ sind.“ Der Kongreß von
Amiens gab Richtlinien heraus, die.
den Kampfcharakter bestätigen und
die Marschroute festlegte: Direkte
Aktion, Generalstreik, Verbesserung /
der Arbeitsbedingungen und Besei¬
tigung des Lohnwesens.“.,
Dem Klassenkampfcharakter des
CGT. entspricht die Methode, der
direkten Aktion gegen das Unter-
nehmertum, die im Generalstreik
ihren Höhepunkt . findet. Darüber
sggt Jouhaux: „Die Action directe"
heißt nicht . Aufruhr, Barrikaden,
Unordnung, Plünderung, wie unsere
Gegner glauben machen wollen.“
Die Action- directe besagt, daß die
Arbeiter entschlossen sind,- ihre
Angelegenheit aus eigenen. Kräften
und Mitteln zu ordnen.“
Ein anderes Merkmal des CGT
war der Antimilitarismus, den er
bei vielen Gelegenheiten manife¬
stierte. Trotzdem folgte der CGT
dem Mobilmachungsbefehl im Jahre
1914. Der Grund ist darin zu sehen,
daß die französische Arbeiterschaft
den ausländischen Führern der Ge¬
werkschaften mißtraute, was um so
verständlicher ist, da auf den letzten
Kongressen der Gewerkschafts-In¬
ternationale keine Verständigung in
den antimilitaristischen Fragen er¬
zielt • wurde Bei Kriegsausbruch
brachte der letzte Appell des CGT
ein offenes Geständnis: „Wir sind
von den Ereignissen fortgerissen,
das Proletariat in seiner Gesamtheit
hat nicht begriffen, welch ständiger
Anstrengungen es bedurft hätte, um
die Menschheit vor den Schrecken
des Krieges zu bewahren.“ Im Krieg
wurde ein , Aktions-Ausschuß aus
Arbeitgebern und Arbeitnehmern
geschaffen, der das Wirtschafts¬
leben in regulären , Bahnen Kalten
sollte.
'Nach dem ersten Weltkrieg war
das Hauptproblem dès CGT. die
Löhne den stark erhöhten Preisen
anzupassen, den Achtstundentag zu
verteidigen, eine moderne Sozialver¬
sicherung zu schaffen und die K03-
litionsfreiheit zu erringen. Es wurde
ein nationaler Wirtschaftsrat ge¬
schaffen, der die Pläne der Natio¬
nalisierung der Schlüsselindustrie
ausarbeiten sollte. Dieser Wirt¬
schaft srat war die Ursache von
großen Diskussionen, weil er die
reaktionären Kräfte in der Wirt¬
schaft nicht ausschloß. Der General¬
streik der Eisenbahner 1920 wurde
ein Fehlschlag, führte zum Rück¬
gang der Mitgliederbewegung und
-schließlich zur Spaltung und im
Jahre 1922 wurde CGTU gebildet.
1919 wurde das Gesetz über Kol¬
lektivverträge erlassen, wodurch die
gesetzlichen Rechte der Verbände
festgelegt wurden und sie als die
berechtigten Vertreter der Berufe
angesehen wurden. Waren nun die
Gewerkschaften repräsentative Kör¬
perschaften dem Patronat gegen-
; über* so wurden sie es in noch stär¬
kerem Maße dem Staat gegenüber,
Nder sie zu allen gesetzgeberischen
Beratungen und Maßnahmen hin¬
zuzog. Dadurch wird das Prinzip
der freien persönlichen Konkurrenz
dem Recht der organisierten Massen
untergeordnet.
Im Jahre 1935 kam die Volksfront
an -, die 1 Regierung, in der die Ge¬
werkschaften zum ersten Male zur*
Teilnahme an dieser Regierung auf¬
gefordert wurden.
1936 fanden große Streikbewe¬
gungen statt, die eine Verwirklichung
eines 'großen Teiles des Gewerk¬
schaftsprogramms mit sieh brachte,
so die Kollektivverträge, die 40-*
Stunden-Woche und den 14tägigen
Erholungsurlaub. ■ .
Diese. Kämpfe und Erfolge führ¬
ten zur Vereinigung - der beiden
Organisationen CGT und CGTU, die
'’fortan bis zum heutigen Tage die-
Garantie einer machtvollen Organi¬
sation blieb.
Kurz vor Ausbruch des . 2. Welt¬
krieges wurde die franz. Gewerk¬
schaftsbewegung in die Defensive
gedrängt und die CGT kämpfte mit
allen Mitteln gegen die Machen¬
schaften der Reaktion, die mit dem
Faschismus liebäugelte. Mit der
Besetzung Frankreichs durch die
Deutschen wurde Klarheit geschaf¬
fen. Während ein verschwindend f
kleiner Teil zu Petain hielt, war die
überwiegende Mehrheit der Gewerk¬
schaftsmitglieder am Widerstand
gegen die Eroberer beteiligt ' und
zwar durch Beteiligung an den
Teilstreiks, passiver Resistenz, Sabo¬
tage und Partisarientätigkeit- und
am Generalstreik und Aufstand 1944.
Diese Kämpfe schweißten die fran¬
zösischen Arbeiter zu einer Einheit
zusammen, die ,es ermöglichte, nach
zwei Kriegen einen Teil der ge¬
stellten Forderungen zu verwirk¬
lichen: die Nationalisierung der
Schlüsselindustrie, der Banken und
Versicherungen.
Der französische CGT ist einer
der Hauptpfeiler des Weltgewerk¬
schaftsbundes und durch General¬
sekretär Jouhaux darin vertreten.
Seine 'Haltung unserer Gewerk¬
schaftsbewegung gegenüber isriklar
und deutlich, nämlich die. daß die
Demokratisierung unseres Landes
nur durch die Schaffung einer un¬
abhängigen, starken Gewerkschaft
gewährleistet wird und daß unseren
Betriebsräten das Mitbestimniungs-
recht in der Wirtschaft garantiert
werden muß. Dann wird der Tag :
kommen, wo französische und deut¬
sche Gewerkschaftler zusammen mit
dem WGB eine neue, friedliche Welt
aufbauen helfen können.